Ein Mann mit gelber Warnweste zeigt einer Gruppe Studierender einen Kessel.© FH Kiel
Studierende besichtigen die Baustelle des Kieler Elektrodenheizkessels

Probieren geht über Studieren: Technik zum Anfassen im neuen Kieler Kraftwerk

von viel.-Redaktion

Gastbeitrag von Prof. Dr. Kay Rethmeier

Studierende der Hochspannungstechnik besichtigen Baustelle des topmodernen Kieler Elektrodenheizkessels

Die 24 Studierenden des Hochspannungskurses im Studiengang Elektrotechnik hatten genug von der grauen Theorie. Statt weiter den verbalen Ausführungen ihres Profs zu lauschen, wollten sie viel lieber sehen, hören und anfassen, was Hochspannungstechnik in der Praxis bedeutet. So machte sich der Kurs umgehend zu Fuß auf den Weg in das ca. 1500 Meter entfernte Umspannwerk Hasselfelde, gelegen direkt an der Baustelle des hochmodernen Kieler Elektrodenheizkessels und am Standort des zukünftigen Gaskraftwerkes der Kieler Stadtwerke.

Ein Ingenieurstudium an der Fachhochschule Kiel soll technische Inhalte vermitteln. Im Gegensatz zur universitären Ausbildung steht hier jedoch der Praxisbezug klar im Vordergrund: die Studieninhalte sollen zum aktuellen Stand der Technik passen, zu dem, was die Industrieunternehmen der Region tagtäglich anwenden und zu dem, was an Innovationen in den nächsten Jahren zu erwarten ist. Absolventinnen und Absolventen der FH Kiel sind gerade deshalb sehr gefragt auf dem lokalen Arbeitsmarkt. Diesen hohen Praxisbezug kann man nicht ausschließlich mit Vorlesungen und Übungsstunden vermitteln. Erst das Studium am Objekt, an dem man sehen kann, wie die graue Theorie tatsächlich Anwendung findet, rundet das ganze Bildungspaket ab.

Im Bereich Hochspannungstechnik kann man die Praxisnähe der FH Kiel wortwörtlich nehmen. Gerade einmal 1500 Meter sind es zu Fuß von der Hochspannungshalle bis zum Umspannwerk Hasselfelde, von dem auch die Fachhochschule ihren Strom bezieht. Und so machte sich die kleine Gruppe von 24 Studierenden zusammen mit dem betreuenden Professor, Dr. Kay Rethmeier, dem Direktor des Institutes für Elektrische Energietechnik, im Rahmen der Hochspannungsvorlesung per pedes auf den Weg und folgte den gut sichtbaren Überlandleitungen am Horizont bis zum alten Gemeinschaftskraftwerk an der Förde. Am Eingangstor der stark gesicherten Baustelle wartete schon Elektromeister Klaus Rimatzki von der Stadtwerke Kiel Netz AG, um die Studierenden auf dem Gelände am riesigen Speicherturm des neuen Elektrodenheizkessels herumzuführen.

Kernpunkt der Besichtigung sollte aber das Innere des Umspannwerkes sein, in dem die elektrische Spannung des Kraftwerks und des Kieler Hochspannungsnetzes auf kleinere und ungefährlichere Spannungen herabgesetzt wird, bis diese schließlich die bekannten 230 Volt an der heimischen Steckdose erreicht. Rund um das Umspannwerk herrschte geschäftiges Treiben. So müssen die technischen Einrichtungen im und am UW ausgebaut und ertüchtigt werden, um die elektrische Leistung der geplanten Gasturbinen des zukünftigen Kieler Kraftwerkes sicher und zuverlässig in das Stadtnetz einzuspeisen. Ebenso müssen noch abschließende Arbeiten am Elektrodenheizkessel und am riesigen Wasserspeicher durchgeführt werden, bevor dieser Wärmespeicher dann bei Starkwind die überschüssige Windenergie der großen Offshore-Windparks in nutzbare Wärmeenergie für das Kieler Fernwärmenetz umwandeln und speichern kann.

Für viele Studierende eine Überraschung: Neben modernster Technik finden sich auch eher antiquarische Gerätschaften im Einsatz. „Großtransformatoren und Schaltanlagen haben eine Lebensdauer von bis zu 100 Jahren“, so Rimatzki. Ein regelmäßiger Austausch, um immer auf dem aktuellen Stand der Technik zu bleiben, verbietet sich daher aus Kostengründen.

Ein interessantes Detail ließ sich an einem der vielen Schaltschränke im Umspannwerk finden: An der Sammelschiene 1 des 10.000 Volt-Netzes fanden die Studierenden die Versorgungsleitung ihrer Fachhochschule. Und natürlich war sogleich die Idee im Gespräch, durch einen einfachen Knopfdruck dort alle Lichter und Computer auszuknipsen. „Ganz so einfach ist das nun doch nicht“, erklärte Klaus Rimatzki, und knüpfte damit wieder an den Vorlesungsstoff von Professor Rethmeier an. „Wir haben mindesten N-Minus-1-Sicherheit“, so der Hochschullehrer. „Durch den Ausfall einer einzelnen Komponente steht noch niemand im Dunkeln. Mindestens ein Ersatzsystem ist immer in Bereitschaft.“ Und so wurde nun auch allen Studierenden durch diesen Praxisexkurs klar: Auch morgen wird der Unterricht an der FH nicht wegen Blackouts ausfallen …

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