Hände und Kräuter© photoAC
Bei der Gartenarbeit geht es vielfach auch um das jäten von Unkraut.

Wie wird das Kraut zum Un-Kraut?

von Prof. Dr. Kathrin Urban

Sowohl bei Gartenliebhaber*innen als auch in der professionellen Landwirtschaft ist die Ansicht weit verbreitet, dass Unkräuter beseitigt werden müssen. Doch wonach wird beurteilt, ob eine Pflanze erwünscht ist oder nicht? Sind Pflanzen so einfach in zwei Klassen einzuteilen?

Festzuhalten ist, dass verschiedene Pflanzen häufig zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort stehen. So konkurrieren sie mit den gezielt angebauten Kultur- und Zierpflanzen um Wasser, Nährstoffe, Licht und auch Platz, wodurch die gewünschten Erträge nicht mehr erzielt werden können. Durch den falschen Ort wird aus einer Pflanze ohne weiteres Ansehen ihrer Eigenschaften ein Unkraut.

Zudem übertragen auch Unkräuter pilzliche Schaderreger, Bakterien und Viren, die wiederum die Kulturpflanzen schädigen können. Hinzu kommt: einige Unkräuter wie Brennnessel, Klatschmohn oder Vogelmiere besitzen ein enormes Samenpotenzial, das beispielsweise bei etwa 20.000 Samen pro Pflanze liegt. So können die Unkräuter ihren Fortbestand oft über Jahre absichern.

Auch wenn die beschriebenen Unkräuter auf dem ersten Blick eher negative Eigenschaften aufzeigen, besitzen sie auf den zweiten Blick auch geniale Eigenschaften, aus denen wir häufig großen Nutzen ziehen können.

So hat die Brennnessel einen äußerst effektiven Abwehrmechanismus gegen ihre Fraßfeinde entwickelt. Erst bei Berührung brechen die Brennhaare an den Sollbruchstellen ab, und das Sekret, das zu Rötungen, Schwellung und Schmerzen führen kann, tritt aus. Nichts desto trotz schätzen viele die blutreinigende und blutbildende Wirkung der Brennnessel, die bei Arthrose und Harnwegserkrankungen hilft. Auch der auf vielen Rasenfläche nicht gern gesehene Löwenzahn, dessen Samen sich dank ihrer genialen Architektur weit vom Wind tragen lassen, wird als Heilmittel gegen Appetitlosigkeit, Blähungen oder Gallenbeschwerden eingesetzt und schmeckt auch einfach lecker im Salat. Die weitverbreitete Vogelmiere zeigt sich durch entzündungshemmende, schmerzstillende Wirkung beispielsweise bei grippalen Infekten oder Gelenk-Rheumatismus von ihrer sehr positiven Seite.

Betrachtet man beide Seiten, sind ‚Unkräuter‘ auf dem einen Standort unerwünschte Pflanzen, die in Konkurrenz zu den Kulturpflanzen stehen, auf dem anderen Standort können sie gezielt angebaut werden, um sie beispielsweise als Heilpflanze zu nutzen oder einfach ihre teils schöne Blütenpracht als Insektennahrung bereitzustellen. Es liegt also im Auge des Betrachters, wie eine Pflanze bewertet wird und richtet sich nach dem Nutzen, dem Standort und seiner Vermehrungsrate.

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