Eine Frau mit blondem Bob sitzt, zur Seite geneigt, auf einer Bank.© S. Meier

Wolkig mit Aussicht auf Käffchen

von viel.-Redaktion

von Stephan Schöneberg, Student

Mareike Ennels sagt der Morgenmuffeligkeit den Kampf an: Seit dem vergangenen Wintersemester versorgt die 36-Jährige viele FH-Hochschul-angehörige sowie Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteils Dietrichsdorf in ihrer „Coffee Cloud“ mit Kaffee und Snacks. Wie sie von der Buchhaltung über Dubai in ihr eigenes Café kam, erfuhr Stephan Schöneberg im Interview mit der frisch gebackenen Selbstständigen.

Mareike Ennels trägt kurze blonde Haare, eine rot-schwarz karierte Bluse, kurze Jeans-Shorts mit schwarzen Leggings. Aufmerksam blickt sie durch ihre große Brille mit schwarzem Rahmen. Auf den ersten Blick wirkt sie eher zart. Doch wenn sie spricht, lässt ihre lebhafte Gestik erahnen, dass viel Energie in ihr steckt. Und die braucht die 36-Jährige als Inhaberin der „Coffee Cloud“, ihrem neuen Coffeeshop direkt an der Fachhochschule, auch: „Es fühlt sich toll an, selbstständig zu sein. Meine Gäste sind alle sehr lieb und nett. Andererseits habe ich natürlich eine 80-Stunden-Woche.“ Glücklicherweise, sagt sie, habe sie die volle Unterstützung ihrer Familie. Die helfe ihr unheimlich.

Seit Ende August 2013 versorgt Mareike Ennels ihre Kundschaft mit verschiedensten Kaffeevariationen und Snacks. Bisher ist sie sehr zufrieden: „Es werden immer mehr Gäste. Viele kommen durch Mundpropaganda. Besonders freue ich mich aber auch darüber, dass neben den Studierenden immer mehr Anwohnerinnen, Anwohner und Menschen hereinschauen, die beruflich in unserer Ecke unterwegs sind. Auch Mütter mit Kindern haben wir öfter da, weil hier so viel Platz ist“, sagt sie und eilt kurz zum Eingang, um einer Frau mit Kinderwagen die Tür zu öffnen.

In der Tat ist die „Coffee Cloud“ sehr geräumig: Entlang der zwei großen Fensterfronten stehen eine lange Sitzbank mit kleinen Tischen sowie eine lange Theke mit hohen Hockern. Möbel und Polster sind in grau und weiß gehalten und machen einen schlichten, funktionalen und dennoch gemütlichen Eindruck. Durch die zwei breiten Fensterflächen fällt viel Licht in das Café. Luftig, locker, leicht: wie eine „Cloud“ (dt. Wolke) eben. Dieser Eindruck ist kein Zufall, sondern Konzept: „Ich fand den Begriff ‚Cloud‘ sehr schön. Nicht wegen iCloud oder so, sondern weil eine Wolke nun mal sehr gut zu einer hellen und skandinavischen Einrichtung passt, wie ich sie mag.“ Ursprünglich wollte sie ihr Café „Milchmädchen“ nennen, aber ein Kölner Café schnappte ihr den Namen vor der Nase weg. „‚Coffee Cloud‘ ist deswegen aber keine Notlösung. Ich bin sehr zufrieden damit.“

Dass Mareike Ennels heute mit einer Tasse Espresso an der Fensterscheibe ihres eigenen Cafés lehnt, ist alles andere als die logische Fortsetzung ihres Lebenslaufes: Nach einer Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation mit dem Schwerpunkt Buchhaltung war sie als Buchhalterin beim Fernsehen und in einem Fachhandel für Ernährungswirtschaft unterwegs. Um mehr Zeit mit ihrem Mann, einem britischen Kapitän, verbringen zu können, zog sie mit ihm nach Dubai. Dort wollte sie weiterhin in der Buchhaltung arbeiten: „Allerdings kam mir die Weltwirtschaftskrise dazwischen, woraufhin wir wieder zurückgekommen sind. Anschließend habe ich an der Uni im Prüfungsamt für Geologie und Paläontologie gearbeitet. Also etwas völlig anderes.“ Den Traum, irgendwann ein Café zu eröffnen, hatte die Mönkebergerin jedoch schon lange.

Mitte 2013 war es dann soweit: „Wir sind damals hier vorbeigefahren, weil meine Schwiegereltern in der Nähe wohnen, und haben das ‚Zu vermieten‘-Schild entdeckt.“ Zuerst habe sie mit ihrer Familie nur ein bisschen herumgesponnen. Dann jedoch habe sie sich ein Herz gefasst, den Makler angerufen und sich die Räumlichkeiten angesehen: „Als ich diesen Raum zum ersten Mal betreten habe, fand ich ihn sehr schön, obwohl er zu der Zeit ziemlich heruntergekommen war. Irgendwie hat die Geschichte dann eine Eigendynamik entwickelt, aus der ich gar nicht mehr so richtig herauskam“, erinnert sie sich lachend. „Wir haben uns gesagt ‚So, jetzt machen wir das‘.“ Natürlich nicht, ohne vorher das Umfeld und die Studierenden beobachtet, Analysen gemacht und einen Businessplan geschrieben zu haben. Sie kündigte an der Uni und unterschrieb den Mietvertrag. „Eigentlich war das alles relativ spontan. Ich musste einfach die Chance ergreifen, die mir gegeben wurde.“ Doch ganz so naiv, wie es sich anhöre, sei sie das Projekt dann auch wieder nicht angegangen: „Natürlich muss auch ein gewisses finanzielles Polster vorhanden sein – wir hatten schon lange dafür gespart. Außerdem war mir die Lage wichtig: Ich wohne in Mönkeberg und wenn ich in der Kieler Innenstadt ein Café eröffnet hätte, wäre mir das mit der Fahrerei zu viel geworden. Vor allem, weil ich um halb sechs schon im Laden sein muss.“

Die zeitliche Belastung, zu der auch das frühe Aufstehen gehört, scheint der energiegeladenen Café-Besitzerin wenig auszumachen, doch bei der Frage, wie sie einen freien Tag planen würde, tritt ein sehnsüchtiges Lächeln auf ihr Gesicht: „Zuerst würde ich versuchen, einmal auszuschlafen. Dann würde ich irgendwo frühstücken oder Kaffee trinken. Und ein bisschen Shoppen gehen vielleicht, einfach so. Erst seit ich so viel arbeite, habe ich gemerkt, was Kleinigkeiten eigentlich bedeuten. Ich gehe zum Beispiel sehr gerne selbst in Cafés und genieße meine Ruhe. Spaziergänge und Sport fehlen mir auch ein bisschen.“

Beim Bestreiten eines langen Tages hilft ihr die eine oder andere Tasse ihres Kaffees. Übrigens nicht irgendein beliebiger Kaffee: Mareike Ennels setzt auf hochwertige Produkte. „Ich beziehe meinen Kaffee aus einer kleinen Flensburger Privatrösterei. Auf regionale Produkte lege ich ohnehin viel Wert. Auch beim Gebäck biete ich keine Industrieware an, sondern beziehe alles von einer Bäckerei aus Heikendorf. Meine Brötchen sind also keine Aufbackbrötchen.“ Ihre Gäste wissen dies zu schätzen: „Viele Lehrkräfte und Angestellte der Hochschulverwaltung kommen im Wesentlichen, weil sie die Qualität überzeugt hat. Meine Spezialität ist ein Dinkel-Vollkornbrot, das von der Bäckerei nur für mich gebacken wird.“ Daraus macht sie Sandwiches, auf die sie sich in der nächsten Zeit mehr spezialisieren möchte. „Sie werden nämlich sehr gut angenommen. Die schmecken aber auch wirklich gut“, lacht sie. Den Frischkäse bereitet sie selbst zu, „damit alles ein bisschen hochwertiger ist“.

Neben der täglichen Dosis Koffein hat die Barista noch weitere Helferinnen und Helfer: Freundinnen und Freunde, ihre Eltern und die Schwägerin unterstützen die Mittdreißigerin, wo sie können. Sogar ihr Mann tauscht hin und wieder die Schiffsbrücke gegen den Tresen, obwohl er viel unterwegs ist und als Brite noch ein wenig mit der deutschen Sprache hadert. Dafür biete er für sie im Café aber großen Unterhaltungswert: „Als Kapitän hat er normalerweise ein riesiges Selbstbewusstsein, aber wenn er hinter der Theke steht, wird er ganz klein“, bemerkt sie und zwinkert ihm zu.

Zu den Studierenden hat Mareike Ennels – vielleicht auch dank ihrer Erfahrung aus dem Prüfungsamt der Uni – einen sehr guten Draht: „Alle, die einmal hier waren, kommen auch wieder. Das könnte aber an unseren Bonuskarten liegen“, schmunzelt sie. „Morgens sind es eigentlich immer die gleichen Gesichter, die kurz vor der Vorlesung hier erscheinen. Viele von ihnen kommen aber auch mittags oder nachmittags wieder, bleiben dann eine Weile hier und lesen eine der Zeitungen, die ich ausgelegt habe. Manche sitzen hier und schnacken, manche arbeiten auch – das ist ganz unterschiedlich.“

Für die Zukunft wünscht sich Mareike Ennels mehr Gäste. Wie sie diese locken will, weiß sie schon jetzt: „Für dieses Jahr plane ich mein Sortiment zu erweitern, unter anderem um Suppen. Außerdem möchte ich gerne Salat ins Angebot mit aufnehmen.“ Auch vegane und glutenfreie Gerichte könne sie sich vorstellen, da diese oft nachgefragt würden. „Ich möchte mich einfach weiterentwickeln und immer mehr selbstgemachte Produkte anbieten können. Vielleicht kriege ich die Studierenden dann auch dazu, nachmittags nicht ans Westufer zu fahren, sondern bei mir zu bleiben“, sagt sie und grinst verschmitzt.

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