Ein Mann am Rednerpult© A. Diekötter

Künstler im Gespräch: Philipp Röhe Hansen Schlichting zu „über Ideale sprechen“

von Kristiina Thiel

Am 08. Oktober eröffnet Philipp Röhe Hansen Schlichting in der Galerie Bunker-D seine Ausstellung „über Ideale sprechen“.

Den ersten Kontakt zur FH Kiel hatten Sie bereits 2018, als in Kooperation mit den Studierenden der Muthesius Kunsthochschule auf dem Dietrichsdorfer Campus das Wandbild „Wie macht man wir?“ nach einem Originalentwurf von Ludger Gerdes posthum auf der Hausfassade Ecke Moorblöcken / Luisenstraße reproduziert wurde. Was hat Sie persönlich dazu bewegt, an diesem Projekt mitzuwirken?

Das Projekt schien mir in dreierlei Hinsicht sehr interessant zu sein.

Ich selbst hatte zu diesem Zeitpunkt schon die ein oder andere Fassadenarbeit in die Welt gesetzt und finde bis heute das Format von Kunst im öffentlichen Raum sehr interessant, sprich einer Kunst die barrierefrei mitten im Alltag der Gesellschaft platziert ist und damit konkret Lebenswelt beeinflusst. Das auf dem Campus der FH so viel Kunstwerke ihren Platz gefunden haben ist ein Geschenk an die Gesellschaft und kann als besondere Bildungs-Beitrag gewertet werden.

Zudem gehöre ich ja zu den wenigen Glücklichen, die Ludger Gerdes selbst als Professor der Malereiklasse an der Muthesius Kunsthochschule erleben konnten. Eine sehr herausfordernde und inspirierende Persönlichkeit mit hohen Ansprüchen an die Kunst, was mich durchaus geprägt hat. (Soweit ich weiß, war es auch eine Bedingung für die Umsetzung des Entwurfes, dass ein ehemaliger Gerdes-Student dabei sein sollte.) Es ist natürlich spannend, sich der Herausforderung zu stellen, genau diesen Ansprüchen bei einer posthumen Umsetzung eines Entwurfes gerecht zu werden.

Hinzu kam die Aussicht auf die Zusammenarbeit mit dem hochgeschätzten Künstlerkollege Lars Breuer. Gemeinsam mit einigen Studierenden haben wir dann dieses tolle Projekt umgesetzt.

Ein Jahr später erfolgte die Installation Ihrer Arbeit „Ordnung über Ordnung“ an der Fassade des neuen Seminargebäudes in der Luisenstraße. Worum geht es bei dieser Arbeit?

Nun, um diese Frage befriedigend beantworten zu können, müsste ich wohl weit ausholen, denn eine geometrisch verfasste Kunstgestalt wirft viele Fragen auf – in erster Linie weil sie ganz offenbar kein natürliches Objekt darstellt und offensichtlich auf eine andere Ebene verweist. Es ist eine deutlich reduzierte und idealisierte Formensprache und verweist auf einen hintergründigen Strukturkosmos - namentlich der Mathematik – mit Hilfe dessen wir uns allgemeine Beziehungen und Prinzipien der Wirklichkeit ersichtlich machen können.

Konkret haben mich die Gestaltungsmöglichkeiten und das Formpotential (Vielfalt) in diesem reduzierten Zeichensystem aus nur zwei Grundformen (Reduktion) schon sehr lange beschäftigt, hier sehe ich eine Analogie zur natürlichen, dynamischen Schöpfungsprozessen … die Offenheit einer spiegelnden Oberfläche gegenüber der Umgebung und den sich ständig ändernden Lichtverhältnissen ist ein weiterer Aspekt, der das dynamische Formpotential ins Auge rückt. Mir war es wichtig, eine eigenständige, umgebungsoffene und sensible Kunstgestalt zu entwerfen, die dennoch mit der Architektur als Tragkörper harmonisiert.

Nun erfolgt die Soloausstellung in der Galerie Bunker-D. Was reizt Sie daran, ihre Arbeiten gerade an diesem Ort zu präsentieren?

Auch zu dieser Frage müsste ich natürlich sehr weit ausholen, zumal ein Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg als historisch besonders belastete Architektur gilt … und es bis heute schwer ist, diesem katastrophalen Erbe gerecht zu werden. Möglicherweise ist es gerade eine besondere Provokation hier „über Ideale sprechen“ zu wollen …

Rein formal architektonisch betrachtet ist die Beschaffenheit der beiden Ausstellungsräume schon sehr ideal – wenn man das Kriterium der Symmetrie dazu zählt. Sie bilden eine klare gleichwertige zweiteilige Ordnung, die mich auch letztlich dazu geführt hat, zwei inhaltliche / thematische Aspekte meines künstlerischen Interesses gegenüber zu stellen.

Die Ausstellung trägt den Titel „über Ideale sprechen“. Um welche Ideale bzw. Themen geht es in der Ausstellung?

Auf der Nordseite gibt es einen Raum, der sich ausgehend von der Arbeit „Ordnung über Ordnung“ und einer neuen Licht-Installation dazu mit dem geometrischen Strukturkosmos, seinem Wesen und den schon angesprochenen Gestaltpotenzialen beschäftigt, die ich mal mehr in eine malerische und mal mehr in eine plastische Richtung getrieben habe, das heißt, hier haben die Besucherinnen und Besucher es mit idealisierten Bildgestalten zu tun. Spannend in diesem Zusammenhang wäre ja die Frage nach der Wirkungsweise, was erzeugt eine so präzise Bildlichkeit im Auge des Betrachters? Schließlich haben wir es mit „unerreichbaren Schönheiten“ zu tun, die höchste Freuden (Hoffnung) oder sentimentale Stimmungen (Unerreichbarkeit) schüren könnten.

Im anderen Raum befindet sich ein großes nach Süden ausgerichtete Fenster, das mich vom ersten Moment an interessiert und inspiriert hat, es hat ein nahezu quadratisches Format. Die Auseinandersetzung mit dieser räumlichen Begebenheit hat zu einer neuen Arbeit geführt, die alle einlädt, an der offen gestalteten und architektonisch anmutenden Plastik das Spiel von einfallendem Licht und den farbigen mundgeblasenen Antikgläsern zu beobachten. Neue Farbräume und Mischtöne entstehen. Die Nähe zur Malerei wird zusätzlich durch die Auswahl der sechs Farbtöne unterstrichen, es sind die sechs komplementären Farben aus Goethes Farbkreis, die in einer eigenen Versuchsreihe am Kreisel „ideal“ ins Flächenverhältnis zueinander gebracht wurden.

Das Sprechen über Ideale wird damit in diesem Raum tendenziell in die sinnliche Verfassung des Menschen – das Auge und die Wahrnehmung – gelegt. Hier scheint die Vermittlung und die Durchmischung (von Farbe oder auch Gesichtern) besonders ideale Bilder zu begründen.

An wen richtet sich die Ausstellung? Was erwartet die Besucherinnen und Besucher in den Räumen der Galerie?

Naja … grundsätzlich möchte ich ausdrücklich alle Menschen herzlich einladen, sich die Ausstellung anzuschauen! Zumal es hier um eine Kunst geht, die in erster Linie auch unmittelbar sinnlich zugänglich und höchst ansprechend ist. Im besten Fall erzeugt ein Werk sinnliche Freuden und weckt das Interesse – ist dies einmal geglückt, und die Menschen lassen sich tiefer auf die Werke ein, so kann man in der Ausstellung etwas über sich selbst erfahren. Mich beschäftigen in erster Linie die Fragen, wie funktioniert unsere Wahrnehmung und wie gehe ich mit den dort eingeschriebenen Tendenzen zur Idealisierung von Wirklichkeit um (bzw. was lässt sich in einem idealisierten Zeichensystem formulieren?).

© Fachhochschule Kiel