Geldscheine mit Wäscheklammer auf Wäscheleine© Portuguese Gravity
Haushalte müssen aktuell aufgrund der niedrigen Zinsen mehr Geld zur Seite legen, um einen bestimmten Betrag in der Zukunft zu erzielen.

Sparen trotz niedriger Zinsen? Gerade deshalb!

von Prof. Dr. Harm Bandholz

Der Weltspartag jährt sich Ende Oktober bereits zum 96. Mal. Doch Grund zum Feiern haben die meisten Sparer nicht. Schließlich erhalten sie schon seit längerer Zeit keine Zinsen mehr auf ihre Einlagen. Viele Haushalte fragen sich daher, ob es sich unter diesen Umständen überhaupt noch lohnt, etwas zu sparen.

Geldscheine mit Wäscheklammer auf Wäscheleine©Portuguese Gravity
Haushalte müssen aktuell aufgrund der niedrigen Zinsen mehr Geld zur Seite legen, um einen bestimmten Betrag in der Zukunft zu erzielen.

Aus theoretischer Sicht ist der Einfluss des Zinses auf das Sparverhalten ambivalent. Auf der einen Seite reduzieren niedrigere Zinsen die Bereitschaft zum Sparen, da die Haushalte für ihren heutigen Konsumverzicht nicht ausreichend durch höhere Konsummöglichkeiten in der Zukunft belohnt werden. Auf der anderen Seite bedeuten niedrigere Zinsen, dass das Geldvermögen langsamer wächst. Um einen bestimmten Betrag in der Zukunft zu erreichen, müssen die Haushalte daher in der aktuellen Situation mehr Geld zur Seite legen, als es bei einer höheren Verzinsung der Fall gewesen wäre. Zudem reduzieren niedrige Zinsen die Belastung der Haushalte durch Kredite und schaffen so Raum zum Sparen. Angesichts dieser gegenläufigen theoretischen Erklärungsansätze ist es nicht verwunderlich, dass sich auch empirisch kein eindeutiger Effekt vom Zinsniveau auf das Sparen der privaten Haushalte nachweisen lässt.

Im Zuge der Covid-Pandemie ist die Sparquote in Deutschland zwischenzeitlich von rund zehn Prozent auf mehr als 20 Prozent in die Höhe geschossen. Hauptgrund für diesen „unfreiwilligen“ Anstieg waren eingeschränkte Konsummöglichkeiten im Zuge der Lockdowns. Mit der fortschreitenden Öffnung der Wirtschaft und einer Normalisierung des Konsumverhaltens sollte die Sparquote in den kommenden Monaten wieder auf ihr Vorkrisenniveau sinken. Wieviel die Haushalte dann sparen wollen und sollen, hängt weniger vom Zinssatz ab, sondern vor allem davon, warum sie sparen und welche anderen Vermögensgegenstände sie bereits besitzen.

Nach einer Umfrage der Bundesbank sind die häufigsten Sparmotive der Deutschen die Altersvorsorge, die Rücklage für Notsituationen sowie die Anschaffung und Sanierung von langlebigen Gütern und Immobilien. Diese Aufzählung legt nahe, dass die Haushalte ihre Sparanstrengungen in den kommenden Jahren eher intensivieren sollten – unabhängig vom Zinsniveau. Denn trotz prominenter Versprechen im jüngsten Bundestagswahlkampf geht die gesetzliche Rente sehr wohl unsicheren Zeiten entgegen, sodass eine private Vorsorge immer wichtiger wird. Und angesichts kräftig angestiegener Immobilienpreise benötigen potenzielle Käufer immer mehr Rücklagen, um den geforderten Eigenkapitalanteil leisten zu können.

Somit sollten die privaten Haushalte der Idee des Weltspartags also weiterhin folgen: Sparen lohnt sich nicht nur, es ist wichtiger denn je. Allerdings dürften die Sparer in Deutschland ihre Anlagen verstärkt diversifizieren. Schließlich gibt es an den Finanzmärkten für jeden Anlegertyp reichlich Alternativen zum guten alten Sparbuch.

© Fachhochschule Kiel