Die Grafik zeigt drei in den Hintergrund des Kieler Ostufers eingesetzte Männer.© J. Kläschen
Die Förde treibt einen Keil zwischen Ost- und Westufer, davon sind René Tuleweit, Prof. Dr. Peter Franke und Kevin Rieckhoff (v. l.) überzeugt. Die Realisierung ihres Seilbahnprojekts könnte die Lösung für das Problem sein.

Hoch hinaus – mit der Seilbahn zur Vorlesung?

von viel.-Redaktion

Steigende Studierendenzahlen verschärfen die Verkehrsanbindungsproblematik der Fachhochschule Kiel seit Jahren. Überfüllte und verspätete Busse gehören zum Alltag der Lehrenden und Lernenden. Dringend muss eine Lösung her. Für Prof. Dr. Peter Franke vom Fachbereich Wirtschaft ist der Bau einer Seilbahnstrecke über die Förde zu einer echten Alternative geworden. Gemeinsam mit Studierenden des Fachs Technische Betriebswirtschaftslehre nimmt er sich seit rund einem Jahr des Themas an. Nach der Erstellung einer Machbarkeitsstudie sind es nun vor allem Kevin Rieckhoff (27) und René Tuleweit (29), die in ihrer Masterarbeit an der inhaltlichen Vertiefung des Projekts arbeiten. Wie die Idee dazu entstanden ist, wie der aktuelle Stand der Dinge aussieht und wie groß ihre Zuversicht ist, dass sich die Seilbahn in Kiel durchsetzt, haben die Drei Laura Berndt verraten.

LB (Laura Berndt): Herr Tuleweit, wie äußert sich die problematische Verkehrsanbindung der FH in Ihrem Alltag?

RT (René Tuleweit): Vor allem zu den Stoßzeiten, im Fachbereich Wirtschaft zum Beispiel zu Vorlesungsbeginn um 8:15 Uhr, platzen die Busse der Linien 11 oder 60S aus allen Nähten – egal, ob ich einen Bus früher oder später nehme. Noch dazu wird mancher Halt dadurch verzögert, dass Leute wieder aussteigen müssen, weil der Wagen durch das Gewicht der vielen Fahrgäste nicht mehr aus seinem Senkzustand hoch kommt. Ich kenne einige, die deshalb schon zu spät zur Vorlesung gekommen sind.

LB: Alternativ ist es doch auch möglich, mit der Fähre zur FH zu fahren.

KR (Kevin Rieckhoff): Stimmt, sie ist zwar leerer, aber ihre Anbindung an die Busse auf dem Westufer ist nicht optimal, wodurch es zu längeren Wartezeiten kommt. Zwar gibt es noch die Buslinien 100/101, die Haltestelle auf dem Ostufer ist jedoch recht weit vom Campus entfernt. Leider kann die FH das Anbindungsproblem auch nicht durch eigene Maßnahmen lösen – zum Beispiel entzerrte Vorlesungszeiten –, da ihr zu wenig Räume zur Verfügung stehen. Deshalb ist es interessant, über eine Alternative zu den jetzigen Anbindungen nachzudenken. Eine Seilbahn könnte eine energieeffiziente und kreative Lösung sein.

LB: Prof. Franke, wie kamen Sie auf die Idee zu diesem Projekt?

PF (Peter Franke): Zu Beginn des Wintersemesters 2013/14 stand ich vor einem Problem: Für meinen Kurs Managementprojekt hatten sich mehr Studierende angemeldet als erwartet, deshalb konnte ich nicht alle in der geplanten Projektaufgabe unterbringen. Mir fehlte schlicht ein weiteres Thema. Seit ich im Frühjahr 2013 durch einen Artikel zum Thema „Verkehr der Zukunft“ auf Seilbahnen als schwebendes Transportmittel gestoßen war, hatte ich mich immer wieder gefragt, ob der Bau einer solchen Verbindung auch für die Stadt Kiel interessant wäre. Über das massive Verkehrsanbindungsproblem der Fachhochschule konnte ich eine Brücke zur Seilbahn als neuem Lösungsansatz bauen. Die zusätzlichen Studierenden des Kurses sollten sich um eine Machbarkeitsstudie zu diesem Thema kümmern.

LB: Wie sahen die einzelnen Schritte des Projekts bis heute aus?

PF: Im Dezember des vergangenen Jahres haben wir der Presse, aber auch dem Verein FördeFördern e. V. sowie der Kiel-Marketing GmbH einen Zwischenstand unserer Idee vorgestellt. Die Machbarkeitsstudie des ersten Projektteams sollte zum einen eine mögliche Kapazitätsausweitung der aktuellen Transportmittel und zum anderen die Seilbahn als alternative Verkehrsanbindung im Hinblick auf Streckenführung, Kosten, Qualität der Anbindung und Imagegewinn für die Stadt Kiel untersuchen. Schon währenddessen standen wir in Kontakt zu den Eigenbetrieben der Stadt, zur Schlepp- und Fährgesellschaft, zur Kieler Verkehrsgesellschaft und zum Tiefbauamt, um über mögliche Standorte für Seilbahnstationen zu diskutieren, und haben stets mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Stadt kommuniziert. Die zwei weltgrößten Hersteller von Seilbahnen, die Doppelmayr/Garaventa Gruppe und die Leitner AG, haben von sich aus Kontakt zu uns aufgenommen und angeboten, sich am Projekt zu beteiligen.

LB: Inwiefern konnten die beiden Unternehmen das Projekt bisher unterstützen?

PF: Mit ihrer Hilfe haben wir nachgewiesen, dass der Bau einer Seilbahnstrecke über die Förde technisch realisierbar ist. Eine Drei-Seil-Umlaufbahn könnte in 80 Metern über das Wasser führen und auch Windgeschwindigkeiten bis Stärke zehn problemlos aushalten. Zurzeit arbeiten die Hersteller an konkreten Konzepten und erstellen beispielsweise Profile für die Strecken, die wir interessant finden.

LB: Herr Rieckhoff, welche Rolle spielt Ihre Team-Masterarbeit für das Projekt?

KR: Wir führen die Machbarkeitsstudie der ehemaligen Projektgruppe weiter und untersuchen das potentielle Fahrgastaufkommen, die mögliche Standortwahl für Seilbahnstützen sowie verschiedene Finanzierungsoptionen. Die Ergebnisse bilden zusammen mit den Grobkonzeptionen der Hersteller ein viel aussagekräftigeres Paket. Das wird im Herbst der Öffentlichkeit präsentiert.

LB: Wie könnte eine Seilbahn die Verbindung von West- und Ostufer verbessern?

RT: Mit zehn Kabinen, die jeweils Kapazität für 35 Personen haben, könnten pro Stunde circa 3.000 Menschen von einem zum anderen Ufer befördert werden. So könnten nicht nur Studierende der Fachhochschule, sondern auch Pendlerinnen und Pendler auf dem Weg zur Arbeit viel Zeit einsparen. Verläuft die Strecke über die kürzeste Uferdistanz – von der FH bis nach Reventlou sind es 1,8 Kilometer – würde eine Fahrt höchstens sieben Minuten dauern. Täglich umfahren rund 40.000 Autos die Förde, immer wieder kommt es zu Staus oder stockendem Verkehr und damit zu erheblichem zusätzlichem Abgasausstoß. Außerdem verlieren die Fahrerinnen und Fahrer dabei viel Zeit. Eine Seilbahn könnte ihren Weg verkürzen und die Straßen sowie die Umwelt entlasten.

LB: Prof. Franke, von welcher Kostenhöhe gehen Sie aufgrund der bisher gewonnenen Erkenntnisse aus und glauben Sie, dass eine Seilbahn in Kiel im Hinblick darauf wirtschaftlich sinnvoll genutzt werden könnte?

PF: Es wäre zumindest denkbar. Um diese Frage jedoch zu klären, arbeiten zum einen Herr Rieckhoff und Herr Tuleweit an ihrer Masterthesis und zum anderen die Hersteller an ihren Konzepten, die beide bald vorliegen werden. Letztere werden uns genauere Kostenabschätzungen liefern. Bisher gehen wir von einer Investition in Höhe von circa 40 Millionen Euro aus. Die Baukosten hängen jedoch maßgeblich von der genauen Form der technischen Umsetzung ab, zum Beispiel auch davon, wie elegant die Seilbahnstützen aussehen sollen. Die Doppelmayr/Garaventa Gruppe sowie die Leitner AG werden uns auch Angaben zu den laufenden Betriebskosten machen. Unsere ersten Schätzungen liegen bei etwa 1,5 Millionen Euro pro Jahr.

 

Die Masterthesis soll genauer beleuchten, welche Umsätze eine Seilbahn erzielen könnte. Maßgeblich hängt das sicherlich von ihrem touristischen Potenzial ab. Von Touristinnen und Touristen könnten höhere Fahrpreise verlangt werden als von Pendlerinnen und Pendlern, die die Seilbahn täglich nutzen wollen. Es kursieren Angaben, eine Seilbahn sei mit mindestens 600.000 Fahrgästen im Jahr wirtschaftlich zu betreiben. Das ist zumindest für Kiel zu pauschal, denn es hängt davon ab, welchen Anteil der ÖPNV hat.

LB: Könnte sich Ihrer Meinung nach die Idee einer Seilbahn in Kiel unter diesen Gesichtspunkten durchsetzen und realisieren lassen?

RT: Die Förde treibt einen Keil durch Kiel und auch breitere oder zusätzliche Straßen drum herum könnten das vermutlich nicht abfangen. Mir persönlich ist der Weg von einem zum anderen Ufer trotz der Bus- und Fährverbindung zu weit, als dass ich außerhalb des Studiums mal eben dort hinfahre, und das geht sicher auch anderen so. Wird die Seilbahn als weitumfassendes Projekt zur Stadtentwicklung und nicht nur als „Ausweichstrecke“ für zum Beispiel die bisherigen Fahrgäste der Schwentinefähre betrachtet und auch das touristische Interesse bei dem Thema nicht unter den Tisch fallen gelassen, glaube ich, dass sich die Idee durchsetzen kann.

KR: Bis dahin stehen aber noch viele Fragezeichen im Raum. Zum Beispiel muss die Verfügbarkeit von Bauland und die Schaffung der benötigten Infrastruktur, wie zum Beispiel Parkplätze an den Seilbahnstationen, geklärt werden.

PF: Das sehe ich auch so. Bevor wir optimistisch sein können, müssen wir noch einiges diskutieren, kalkulieren und bedenken, dass das Projekt Widerspruch ausgesetzt und auch nicht von heute auf morgen realisierbar ist. Die Fachhochschule bräuchte allerdings eine schnelle Lösung für das Verkehrsanbindungsproblem.

 

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