Visualisierung eines fiktiven Gebäudes auf dem FH-Campus© J. Heutmann/ C. Kebbel
Module so weit das Auge reicht: Eine Photovoltaik-Anlage auf einem fiktiven Neubau an der FH Kiel (Symboldarstellung) mit der 60S an ihrer Endhaltestelle Schwentinestraße. Grafik: Heutmann/ Kebbel

Ökostrom aus Kiel für die E-Busse der Stadt?

von Prof. Dr.-Ing. Kay Rethmeier

Lang ist’s her, dass das Musical „Hair“ mit dem Ohrwurm „Aquarius: Let the Sunshine In“ ein Millionenpublikum begeisterte. Der Titel könnte heute aber passender nicht sein, wenn man auf die Begeisterung blickt, die die Master-Studenten Justus Heutmann und Christoph Kebbel an den Tag legen, wenn es um den Klimaschutz geht. Die beiden E-Techniker fragten sich nämlich, ob die neuen Elektrobusse der Kieler Verkehrsbetriebe (KVG) eigentlich mit „grünem“ Strom angetrieben beziehungsweise aufgeladen werden. Hier kommt „Aquarius“, der Wassermann, ins Spiel, denn die KVG verwendet tatsächlich zertifizierten Ökostrom aus Wasserkraft. Kiel und Wasserkraft? Zwar war das Wasserkraftwerk an der Schwentine um 1904 eines der ersten stromproduzierenden Kraftwerke im Großraum Kiel, doch hat es aus heutiger Sicht nur noch Museumscharakter. Mit anderen Worten: Der für die Kieler Busse benutzte Ökostrom wird in weiter entfernt gelegenen Wasserkraftwerken produziert, z.B. in Werken in Bayern, Österreich oder Skandinavien. Damit fallen zwangsläufig Transportverluste an, die dem Öko-Gedanken entgegenstehen. Wie wäre es also, wenn wir in Kiel den Ökostrom für die E-Busse wirklich lokal, am besten sogar auf dem Gelände der Fachhochschule, produzieren könnten? Hier kommt der „Sunshine“ ins Spiel, die Sonne, die in Kiel zwar nicht so ergiebig scheint wie im Süden, aber trotzdem ausreicht, um E-Busse an ihren Endhaltestellen aufzuladen.

Visualisierung eines fiktiven Gebäudes auf dem FH-Campus©J. Heutmann/ C. Kebbel
Module so weit das Auge reicht: Eine Photovoltaik-Anlage auf einem fiktiven Neubau an der FH Kiel (Symboldarstellung) mit der 60S an ihrer Endhaltestelle Schwentinestraße. Grafik: Heutmann/ Kebbel

In ihrer Master-Projektarbeit „Lokale Versorgung einer elektrifizierten Buslinie durch eine Photovoltaikanlage auf einem Neubau der Fachhochschule Kiel“ stellten sich die beiden Energietechniker die Frage, mit wie vielen Solarmodulen, Zwischenspeichern und vor allem mit welchem Finanzierungskonzept die FH-Schnellbuslinie 60S an ihrer Endhaltestelle in der Schwentinestraße ökologisch und zugleich lokal aufgeladen werden kann. Dazu haben Justus Heutmann und Christoph Kebbel einfach die Dachfläche des geplanten Neubaus für die Studiengänge Bauingenieurwesen und Architektur mit PV-Modulen ausgestattet (s. Abbildung). Natürlich unter Berücksichtigung aller notwendigen Normen und technischen Regeln. Wie groß darf die maximale Dachbelastung sein, wie windanfällig wären die großflächigen Solarmodule, und welche Dachflächen müssen für andere technischen Einrichtungen wie Fahrstuhl, Klimaanlage oder Blitzschutz freigehalten werden? Und letztlich: Von welchen Investitionskosten muss man ausgehen, und wann rechnet sich das Ganze für den Betreiber?

Kebbel und Heutmann entwickelten dazu verschiedene Szenarien mit Varianten bei der Modulausrichtung (süd oder ost/west) und zusätzlichem Batteriespeicher in verschiedenen Größen. „Ein ausreichend großer Zwischenspeicher würde es ermöglichen, die Ladeleistung für den Bus auch bei bewölktem Himmel oder in der Dämmerung lokal und regenerativ zur Verfügung zu stellen“, erklärte Heutmann bei der Projektpräsentation, „Nach ungefähr 16 bis 20 Jahren kann sich eine solche Anlage aber finanziell rentieren.“ Große Unbekannte in diesem doch recht langen Amortisationszeitraum machen das Ganze aber zu einer schwierigen Investition. So sind zum Beispiel die Strompreisentwicklungen über die nächsten 20 Jahre nicht vorhersagbar, wie auch sich eventuell ändernde rechtliche Rahmenbedingungen bei Einspeiseentgelten oder sonstigen Abgaben. Eyke Bittner, online zugeschalteter Vertreter der Landeshauptstadt Kiel, gab bei der Zoom-Präsentation dann auch zu bedenken, dass für einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren die Batterien zwangsläufig altern und an Speicherkapazität verlieren werden. „Für einen so langen Betrachtungszeitraum liegen einfach noch nicht genug Erfahrungswerte vor, man sollte die Zyklenfestigkeit der Batterien eher konservativ ansetzen“, so der Kieler Verkehrsexperte.

Und so sahen das auch die beiden Master-Studenten in ihrer abschließenden Handlungsempfehlung: Der Batteriespeicher wäre „nice to have“ im Sinne eines möglichst autarken Energiesystems, jedoch erhöht er die Systemkomplexität und ist teurer in Betrieb und Anschaffung. Prinzipiell ist es jedoch technisch und wirtschaftlich möglich, das Aufladen der Kieler E-Busse vor Ort an der FH noch nachhaltiger umzusetzen, egal ob mit der Hilfe des „Aquarius“ oder des „Sunshines“….

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