Portraits dreier von KI geschaffenen, fiktiven Personen© thispersondoesnotexist.com
Sowohl Eduardo González als auch Brigitte Eggers und Victoria Stone sind fiktive Personen. Fotos: https://thispersondoesnotexist.com/

Zu schön, um wahr zu sein: Wenn KI Erfahrungsberichte schreibt

von Prof. Dr.-Ing. Kay Rethmeier

„Ich bin Eduardo González, und ich komme aus Mexiko. Ich studierte Informationstechnologie im 4. Semester, als ich mein Auslandssemester in Kiel begann.Mein Hauptziel war es, mein Studium an der Fachhochschule Kiel fortzusetzen, aber ich wollte auch Erfahrungen sammeln, also suchte ich nach etwas in meiner Gemeinde, wo ich mich engagieren konnte. Meine Freunde erzählten mir von der Freiwilligenarbeit, die in Kiel organisiert wird, und von der Möglichkeit, andere Kulturen kennen zu lernen. Ich setzte mich mit den Projektleitern in Verbindung und entschied mich, bei der Kieler Freiwilligen Feuerwehr mitzuarbeiten.“ (Den ausführlichen Bericht von Eduardo gibt es auf dieser Seite.)

Brigitte Eggers schreibt: „Meine ersten Wochen an der Fachhochschule Kiel nach Corona begannen. Die meiste Zeit außerhalb der Vorlesungen habe ich damit verbracht, mein Studium nachzuholen. Ich besuchte auch ein paar der wöchentlichen Workshops, die von der Studentengruppe organisiert wurden, aber das war es auch schon. In der studienfreien Zeit hatte ich viel Zeit, über meine Situation nachzudenken, vor allem über meine Gesundheit.

Ich habe viel darüber nachgedacht, was genau ich nach meinem Abschluss machen möchte und wie ich Arbeit und Freizeit gut miteinander verbinden kann. Nachdem ich viel gelesen hatte, wurde mir klar, dass mein idealer Beruf ein Journalist sein würde.“ (Brigittes Bericht ist auf dieser Seite zu finden.)

„Das ist Victoria Stone und es ist ihre erste Woche an der Fachhochschule. Ihre Mitbewohner sind ziemlich interessant - und nein, sie hat sich das nicht ausgedacht. Sie sind alle musikbegeistert. Es scheint schon eine Weile her zu sein, seit sie das letzte Mal ausgegangen ist aufgrund von Corona. Victoria wird bald mit Anfragen für Partys überschwemmt werden - es wird verrückt werden. Ihre Fachhochschule Kiel hat den Ruf, eine Partystadt zu sein, und das stimmt auch. Victoria geht gerne aus und liebt Clubs, aber es ist schwer für sie, Zeit zu finden, um andere Leute wirklich kennen zu lernen.“ (Mehr über Victoria ist auf dieser Seite zu lesen.)

Portraits dreier von KI geschaffenen, fiktiven Personen©thispersondoesnotexist.com
Sowohl Eduardo González als auch Brigitte Eggers und Victoria Stone sind fiktive Personen. Fotos: https://thispersondoesnotexist.com/

STOPP! Was haben Sie da gerade gelesen? Ist das wirklich ein Erfahrungsbericht von Austauschstudierenden? Beschreibt Brigitte wirklich ihre erste Woche in der Präsenzlehre an der FH? Wer sind Eduardo und Victoria wirklich? Unter ihren Fotos steht „This Person does not exist“. Und ein Klick auf die Webseite https://thispersondoesnotexist.com/ zeigt, dass es sich um fiktive Personen handelt. Eine KI, eine Künstliche Intelligenz, erzeugt ein Foto einer fiktiven Person, die es gar nicht gibt. Doch woher stammen die Texte aus den drei Artikeln oben? Auch die netten Erfahrungsberichte von Ed, Brigitte und Vic sind ein Fake. Die wurden nämlich auch von einer KI erzeugt und beschreiben in keinem Punkt reale Gegebenheiten. Die Texte und noch zehn weitere fiktive Geschichten über Austauschstudis, über „meinen ersten Tag an der FH Kiel“ und über andere Themen wurden von Studierenden der Fachhochschule Kiel im Rahmen der Interdisziplinären Wochen (IDW) bei dem KI-Workshop „Künstliche Intelligenz für Nicht-Informatiker*innen“ erstellt. Unter Anleitung von Professor Dr. Kay Rethmeier lernten die Studierenden unter anderem, wie sie mit State-of-the-Art-Tools zur Textgenerierung umgehen, oder genauer ausgedrückt, wie sie künstliche erzeugte Texte erkennen und damit der Verbreitung von Fake-News entgegenwirken können.

In diesen Beispielen haben die realen Studierenden Elona Stein, Fachbereich Medien, Alina Sakowski, Fachbereich Informatik und Elektrotechnik und Tim Hubrich, Student der Betriebswirtschaftslehre, das frei verfügbare Internetwerkzeug „Text-Synth“ verwendet, um ausgehend von einzelnen Sätzen einen ganzen Text zu erzeugen. Denn genau das war ihre Abschlussprüfung für den KI-Kurs - das automatische Verfassen eines fiktiven mehrseitigen Blog-Artikels über das Studium an der FH Kiel. Dazu tippten die Teilnehmenden einfach einige Satzanfänge, wie zum Beispiel „This is Victoria and it’s her first week at University“, in die KI-Eingabemaske, und schon ergänzte der Algorithmus einen frei erfundenen zufälligen Text in englischer Sprache. Der so entstandene Textabsatz wurden dann ebenfalls mittels KI (zum Beispiel DeepL) ins Deutsche übersetzt, so dass etwaige grammatikalische und sprachliche Ungereimtheiten vollautomatisch eliminiert wurden. „Im Hochschulkontext ein gefährliches Tool!“, meint dazu FH-Professorin Dr. Doris Weßels, Expertin für KI-Textgeneration, die schon seit längerem darauf hinweist, dass pfiffige, oder besser gesagt täuschungswillige Studierende solche Programme nutzen könnten, um bei der Einreichung von Hausarbeiten oder gar Thesisarbeiten zu betrügen. „Jede Technologie birgt das Risiko, dass sie in positiver und negativer Form eingesetzt werden kann“, erklärt die Professorin für Wirtschaftsinformatik, ausführlich nochmals nachzulesen im Artikel „Mensch und Maschine als Autorenteam“.

Im IDW-Kurs ging es natürlich nicht um die Anstiftung zur Täuschung. Den Studierenden sollte hingegen klar gemacht werden, dass solche KI-Tools existieren und dass diese im Alltag bereits verstärkt eingesetzt werden. Durch das eigenständige Ausprobieren der Algorithmen konnten so auch einige Schwachstellen der KI ausgemacht werden. So driftet der imaginäre KI-Autor gerne etwas von Thema ab, da er in den unendlichen Weiten des WWW zu dem einen oder dem anderen Themengebiet bessere Informationen zur Verfügung gestellt bekommt als zum eigentlichen Kernthema. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass es bei Victorias Erfahrungsbericht über ihre erste Studienwoche am Ende nur noch um eines ging: Party – Party – Party. Das beschreibt den Studienalltag an der FH Kiel nicht korrekt, oder zumindest unvollständig…

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