Wolfi Defant

„Tun, was man kann, die ganze Zeit“

WOLFI DEFANT im Gespräch mit Lyssa Plothe

Sein Tag beginnt mit Schauen. Wolfi Defant sitzt auf dem ledernen Sofa, neben sich eine rote Decke, und lässt das Geschehen auf sich wirken. Manchmal geht es dabei um die Gesichter. Manchmal um die Anordnung oder Anzahl der Protagonisten. „Figuren kommen ins Bild und verschwinden, ich weiß am Anfang nie, ob ich sie wieder herausmale oder es knackevoll wird“, verrät der studierte Grafiker, der 1992, von der Druckgrafik und Illustration kommend, den Weg in die Malerei einschlug. Ein Weg, den die großväterliche Seite der Familie schon vorgezeichnet hatte.

Der Pfad in die Malerei glich, wie der Künstler erinnert, zunächst einem Tasten: „Nach Landschaftsstudien wusste ich nicht so recht, wie ich die Ausrichtung und die Art meiner Graphik in die neue Arbeit hineinbekomme. – Ich habe das dann über den Kopf gelöst.” In der Lektüre von Luigi Pirandello fand der Künstler schließlich auch einen Ansatz für die eigene Arbeit. Der Literaturnobelpreisträger, der seine Regisseurrolle als parallele Wirklichkeitsebene in das Stück hineinschrieb, bot dem Künstler Inspiration. „Sein Konzept wurde zu meinem ‚Pirandello-Prinzip‘“, bekennt der Maler, der fortan besser akzeptieren konnte, dass die Figuren auf den Leinwänden ein Eigenleben von Erscheinen, Bleiben oder Gehen mit sich brachten. „Ich improvisiere mich in meine Leinwände hinein“, beschreibt er sein Arbeiten heute.

Wolfi Defants Werke erscheinen nicht nur farblich monumental: Seine Bilder sind groß, oft erstrecken sie sich über mehrere Meter Leinwand. „Manchmal schon kam ich mit einem Bild nicht weiter. Dann gab es den Moment, an dem ich die Handlung aus einer Ecke auf zwei Leinwände herausbreitete, und schließlich bewegte sich etwas.“ So beschreibt der Künstler mit leisem Lächeln die Eigendynamik, die seinem Schaffen innewohnt. „Requiem” war so ein Fall: Zunächst auf zwei mal zwei Metern geplant, nimmt es nun das Doppelte an Breite ein. Bei einer solchen Größe ist man nicht mehr nur aus der Hand, sondern aus dem Körper heraus tätig. Und genau das fasziniert den Maler: „Das Studium der Proportionen eines vier Meter großen Torsos, das hat schon seinen Reiz.”

Seinen Reiz hatte es auch aufs Publikum. Mit dem wachsenden Erfolg gesellte sich zum selbstkritischen Ansatz – „der Triebfeder meines Handelns” – eine Tiefe im Forschen, in der Motivik. Wolfi Defants Werke sind spannungsvoll, greifen gesellschaftspolitische Verwerfungen und klassische Topoi auf – leicht zu nehmen sind sie zunächst nicht. Die Leinwände drängen sich im kleinen Atelierraum des Künstlers. War das schon immer so? Wolfi Defant schüttelt den Kopf.

Nach dem ersten Atelier im Familienzuhause – der Vater erzog die drei Kinder vorrangig – fand sich durch Zufall die ungenutzte Aula der Diedrichsdorfer Adolf-Reichwein-Schule als großer Atelierraum. Ein Traumarbeitsplatz, wie Defant erinnert. Seit 2012 ist er nun am Südfriedhof ansässig. Die Größe der Leinwände, sie ist nun begrenzt durch das Treppenhaus. „Wir haben schon über das Anbringen eines zwei Meter breiten Briefschlitzes nachgedacht“, witzelt er. Nicht nur im Außen, auch auf den Bildern geht es um Raumnahme: „Ich befinde mich da in einer Pendelbewegung, grob gespachtelte Bilder wechseln sich mit feinen durchgearbeiteten Ansätzen ab“, sagt der Maler. Defants ikonografische Reflexionen zeigen universell menschliche Antlitze, frei von herkunftsspezifischen Zuschreibungen – und ihre Haltung zueinander. Woher die phantastischen Elemente, etwa Vögel oder hängende Fische bisweilen kommen? Dem Künstler selbst ist es nicht immer klar. „Ich weiß nicht, warum sie da sind, aber es ist gut so“, ist er sicher.

Wolfi Defant ist bewusst, dass seine Werke eine illustre Fangemeinde haben: „Ich habe manchmal den Eindruck, ein Teil der Galeriebesucher empfindet die Darstellungen als albtraumartig, aber zehn Prozent sind begeistert. Das genügt mir.“ Die Blüte seines Schaffens schreibt Wolfi Defant nicht zuletzt den Campus-Ausstellungen zu. Seit 2014 wurde seine Malerei einmal zwischen Bunkerwänden und zweimal mitten im Hochschulleben, im Audimax, präsentiert. „Der Bunker-D ist ein Monolith in der Kieler Kulturlandschaft“, lobt der Künstler. „In den letzten vier Jahren wird das Arbeiten an der Hochschulsammlung immer konzentrierter und fokussierter, und die Wahrnehmung des Ostufers als Kulturort wächst.“ Lohnt es sich also Kunst zu machen an Orten wie diesem? Defant blickt sehr bestimmt und spricht einen Satz, der essenzieller auch für sein eigenes Schaffen nicht sein könnte: „Kunst zu machen oder zu sammeln ist erst einmal völlig losgelöst vom Moment des Gesehenwerdens.“ Stur weiterzuarbeiten an dem, was einem wichtig ist – darauf käme es an. „So kann man in der Schlussbilanz sicher sein: Man hat für die Idee, für die man brennt, getan, was man konnte. Die ganze Zeit.“

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