KN 11.01.07

Schon Erstsemester simulierten den Berufsalltag

 

FH-Bereich Maschinenwesen geht mit ”startIng!” neue Wege

Kiel – Wozu ist eigentlich die oft dröge und praxisfern erscheinende Theorie-Büffelei gut? Diese Frage stellen sehr viele Erstsemester an den Hochschulen, erhalten aber selten erschöpfende Antworten. Die Folge: Frustriert brechen zahlreiche Studierende ihr Studium ab. Mit dem Erstsemester-Projekt ”startIng!” ist der Fachbereich Maschinenwesen der Fachhochschule (FH) Kiel neue Wege gegangen.

Konstruktionspläne eines Gebäudedaches und mathematische Berechnungen hängen an allen Wänden oder liegen auf dem Tisch. Mehrere Gruppen junger Leute beraten die Pläne, zeichnen sie neu, um sie dann erneut im großen Kreis zu diskutieren. Die Aufgabe, die sie lösen sollen, ist keine leichte: Einsturzgefährdete Dächer sollen von übermäßigen Schneelasten befreit werden.

Auf den ersten Blick scheint hier eine Gruppe von Ingenieuren zu arbeiten. Tatsächlich stecken aber Erstsemester des Fachbereichs Maschinenwesen, die gerade erst ihr Maschinenbau-Studium begonnen haben, ihre Köpfe zusammen. Sie gehören zu den 47 der insgesamt 96 Erstsemester, die freiwillig eine Woche – die anderen hatten in dieser Zeit frei – bei ”startIng! ” mitgemacht haben. Das Besondere des Kieler FH-Projektes ist: Bereits in den ersten Wochen des Studiums ”simulieren” die Jungakademiker den Ingenieursalltag und erhalten frühzeitig erste Einblicke in das noch entfernte Berufsleben. In fünf konkurrierenden Teams haben sie fachlich unterstützt von ”Coaches” höherer Semester, ”fertigen” Labor-Ingenieuren und Professoren sowie der Sozialpädagogin Marike Schmeck – um die beste Problemlösung gerungen. Doch nicht nur das. Am Ende der Woche mussten sich allle Teams einer echten Wettbewerbssituation stellen. Die Ergebnisse ihrer Arbeit präsentierten sie in einer öffentlichen Veranstaltung möglichen potenziellen Kunden.

”Es reicht heutzutage nicht mehr, nur ein guter Ingenieur zu sein. Neben der fachlicher. Kompetenz ist die Fähigkeit zur Teamarbeit ebenso notwendig wie letztlich der Verkauf der guten Ideen”, sagt Prof. Jan Henrik Weychardt. ”startIng” habe den Studierenden das frühzeitig vor Augen geführt. Dabei sei es nicht um das Entdecken einer perfekten Lösung gegangen. Die, so Weychardt, gebe es nicht. Ziel sei vielmehr gewesen ”den Ingenieur oder die Ingenieurin in den Studierenden zu wecken und realistische Lösungsansätze zu entwickeln”. Das sei auf hohem Niveau gelungen. Weychardt zeigte sich überzeugt, dass die Masse der ’Projektteilnehmer nicht zu denen gehören, die ihr Studium abbrechen odee ein anderes Fach wählen.

Die FH-Erstsemester gaben ihm Recht. ”Die Teamarbeit und das strukturierte Arbeiten waren total gut”, meinte Hauke Marsch (20). Die Einblicke in ein ”fast originales Arbeitsleben” begeisterten Björn Aßmann (21), während Manon Jacobsen (24), Betsy Bohn (20) und Hannes Treiber (22) in ihrer Studienfachwahl bestärkt worden sind. ”Das war die richtige Entscheidung, das ziehen wir durch”, sagten sie.

Realistische Arbeitssituationen bereits an den Studienbeginn zu stellen, wurde in Deutschland bisher nur an einer Hochschule – seit 1998 erfolgreich an der Technischen Universität Darmstadt – praktiziert. Vor gut einem Jahr hat das Kieler FH-Institut für Frauenforschung und Gender-Studien geprüft, wie Gender oder Geschlechter-Aspekte in die Ausbildung einfließen können. Zu einer ursprünglich vorgesehenen Kooperation mit der TU Darmstadt ist es aber nicht gekommen. Jan Henrik Weychardt hörte von den Gesprächen und setzte die Idee jetzt mit anderen Schwerpunkten um. vr