VDI Mensch u. Technik I-2007

Erstsemesterprojekt startIng!

 

Realistische Arbeitssituation nachgestellt: Fünf Teams lösten Aufgabenstellung.

Im November 2006 fand erstmalig das Erstsemesterprojekt startIng! an der FH Kiel statt. Es ermöglichte 47 angehenden Maschinenbauingenieuren/innen nach nur sechs Wochen Studium einen realitätsnahen Eindruck des angestrebten Berufes.

Moderne Wirtschaftsunternehmen erwarten von Absolventen/innen neben fachlicher Qualifikation auch die Fähigkeit, in Teams effizient und kreativ zu arbeiten sowie souverän und kompetent mit Kunden/innen umzugehen. Zur Simulation dieser Arbeitssituation wurden die Teilnehmer/innen in fünf konkurrierende Teams eingeteilt und mit der Aufgabenstellung "Befreiung einsturzgefährdeter Dächer von übermäßigen Schneelasten" konfrontiert. Ein hochaktuelles Thema in Anbetracht der Ereignisse in Bad Reichenhall und andernorts im vergangenen Winter. Für diese sollten sie innerhalb einer Woche selbständig einen maschinenbaulichen Lösungsansatz erarbeiten und im Rahmen einer Abschlussveranstaltung einer Fachjury und den anderen Teams präsentieren. Somit wurde eine Messe-Situation mit Kunden und Mitbewerbern simuliert.

Um den Teams optimale Arbeitsbedingungen zu ermöglichen, wurden für die Woche fünf Räume reserviert und mit Arbeitsmaterialien wie Internet-PC und Flipchart ausgerüstet. Die Teams wurden zwecks grö8tmöglicher Effizienz nach einer anfänglichen Befragung gezielt heterogen zusammengestellt. So war jedes Team hinsichtlich von Charakteren wie zum Beispiel "Ideengeber, Bedenkenträger, F'ührender, Ausführender" usw. ausgewogen. Auch Diversity-Aspekte wie Geschlecht, Vorbildungsgrad und Nationalität spielten eine Rolle.

Das Ziel von startIng! ist, den zukünftigen Ingenieuren/innen frühzeitig grundlegende fachliche und soziale Kompetenzen zu vermitteln. Sie sollten ein Problem bearbeiten, sich mit Regeln der Teamarbeit auseinandersetzen, ihren Arbeitsprozess strukturieren und eine kundenorientierte Produktpräsentation gestalten. Somit konnten sich die Teilnehmer/innen schon früh die Fragen beantworten: "Ist Maschinenbau überhaupt das Richtige für mich?" und: "Wozu diese ganze Theorie büffeln?".

 

Vorreiter TU Darmstadt

Während des Arbeitsprozesses wurden die Teams im halbtätigen Wechsel durch einen Fach- bzw. Teamcoach betreut. Als ein Beispiel für erfolgreiche interdisziplinäre Zusammenarbeit kooperierten speziell geschulte studentische Hilfskräfte aus den höheren Semestern des Fachbereichs Soziale Arbeit und Gesundheit und des Fachbereichs Maschinenwesen. Weiterer fachlicher Rat konnte von einem dauerhaft präsenten Expertenteam, bestehend aus Laboringenieuren und weiteren studentischen Hilfskräften, und bei einer zweistündigen Prof.-Runde eingeholt werden. Die Vermittlung fachlicher Kompetenzen wurde von Prof. Dr.  Ing. Jan Henrik Weychardt koordiniert, die sozialer Kompetenzen von Dipl. Soz.  Päd./-A. Marike Schmeck.

Dieses Betreuungskonzept wurde in den letzten Jahren an der TU Darmstadt entwickelt und optimiert, wo das Erstsemesterprojekt ”Einführung in den Maschinenbau” bereits zum neunten Mal mit gro8em Erfolg durchgeführt wird und bisher ein Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Hochschullandschaft darstellte. Die FH Kiel wurde von dort durchumfangreichen Know-how-Transfer unterstützt, etwas Vergleichbares aufzustellen. Mit grö8tem Dank sind hier Prof. Dr.-Ing. Manfred. M. Hampe und Prof. Dr.-Ing. Eberhard Abele sowie Dipl.-Psych. Marion Eger, Dipl.-Wirtsch.-Ing. Burkhard Schramm und M.Sc. Sebastian Stein zu nennen. Die Idee, so etwas auch an der FH Kiel durchzuführen, stammte von Dipl.-Psych. Barbara Reschka vom Institut für Frauenforschung und Genderstudien, die in der Frühphase umfangreiche dankenswerte Unterstützung leistete.

 

Kiel-Rundflug

In der Projektwoche traten tatsächlich realistische fachliche und gruppendynamische Probleme auf, die aufgrund der umfangreichen Betreuung souverän gemeistert wurden. Die Abschlussveranstaltung zeigte, dass alle Teams qualitativ hochwertige Präsentationen darboten und anschließend auf fachlich hohem Niveau die Lösung diskutierten. Einhellige Meinung aller Teilnehmer/innen war, dass sie erheblich an fachlicher und sozialer Kompetenz gewonnen haben und, dass startIng! sehr anstrengend war, aber dennoch viel Spaß gemacht hat.

Obwohl alle Teams gewonnen haben, sollte doch ein Sieger gekürt werden. Bewertungskriterien waren zu gleichen Teilen Hardskills (wie fachliche Leistung, Innovationsgrad und Wirtschaftlichkeit) und Softskills (wie Teamarbeit und Qualität der Präsentation). Hier wurde das Team 3A für seinen Mut zur Innovation belohnt, wobei Innovation nicht um jeden Preis betrieben wurde. Das Lösungskonzept zeichnete sich zudem durch seine Einfachheit aus. Das Team ersann den ”Schneebüddel”, der auf einem Flachdach in Reihen quer zur blau eingezeichneten Schneeförderrichtung angeordnet wird. Schneebüddel sind versteifte Druckluftkissen, die durch Klappbewegungen entsprechend der roten Pfeile den darauf liegenden Schnee auf das jeweils benachbarte befördern. Durch wechselweises Ansteuern der grad- und ungradzahlig nummerierten Reihen wird der Schnee schrittweise vom Dach geräumt.

Als Siegprämie gab es einen Rundflug über Kiel, bei dem gleich einige Dächer inspiziert werden können.

Prof. Dr.-Ing. Jan Henrik Weychardt, FH Kiel