Blogbeitrag - #Zukunftgestalten

Ein Mann© Kläschen

Kommunikationstechnik ist ein Schlüssel für mehr Nachhaltigkeit

von Joachim Kläschen

Prof. Dr. Ralf Patz leitet das Institut für Kommunikationstechnik und Embedded Systems am Fachbereich Informatik und Elektrotechnik der FH Kiel. Er hat erlebt, wie sich die Inhalte der Kommunikationstechnik über Jahre verändert haben und die Disziplin mittlerweile viele Möglichkeiten eröffnet, um Prozesse und Geräte energieeffizienter und nachhaltiger zu machen.

Dass Wandel in der Wissenschaft nicht nur Vorteile mit sich bringt, weiß Professor Patz genau: „Viele haben noch alte Bilder von Kommunikationstechnik im Kopf. Sie verbinden es mit Themen wie Radio, Funk und Fernsehen. Aber unsere Disziplin hat sich in den vergangenen 30 Jahren erheblich weiterentwickelt. Auch haben viele eine falsche Vorstellung von den „Nachrichten“, mit denen sich die Nachrichtentechnik beschäftigt. Es geht dabei nicht um Ereignisse der Weltgeschichte, die umgangssprachlich als Nachrichten bezeichnet werden, sondern um Signale und Informationen. Ich sehe daher viel Erklärungsbedarf, wie Ingenieurinnen und Ingenieure in diesen Bereichen mit ihrem Wissen einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Entwicklung leisten können.“

Studierende lernen in den Vorlesungen von Ralf Patz beispielsweise, wie Microcontroller funktionieren. Von diesen Ein-Chip-Computersystemen sind wir täglich umgeben, wie Patz erklärt: „Sie befinden sich in Dimmern, Waschmaschinen und sogar hundertfach in komplexen Systemen wie Fahrzeugen. Microcontroller haben grundsätzlich eine einfache Aufgabe. Sie erlauben es, dass Menschen mit Maschinen oder Maschinen sich untereinander Nachrichten senden, also miteinander kommunizieren können. Das kann im einfachsten Fall die Auswahl des Programms der Waschmaschine sein.“

Das Verständnis von Microcontrollern ist der erste Schritt. Studierende am Fachbereich Informatik und Elektrotechnik konstruieren die Bauteile auch selbst und programmieren sie. Hier verbirgt sich das große Potenzial, dass Kommunikationstechnik und Nachrichtentechnik für Nachhaltigkeit bieten, weiß Patz: „Vor allem, wenn es darum geht, Energie einzusparen, kann man mit der Programmierung viel erreichen. Studierende entwerfen und programmieren beispielsweise Sensoren, die automatisch darüber informieren, wenn Fenster unbeabsichtigt offenstehen und Wärme entweicht. Und das ist nur ein einfaches Beispiel. Aber es zeigt, wie vielfältig unsere Disziplin ist, die von der Konstruktion bis zur Programmierung reicht.“

Die schnell fortschreitende Digitalisierung und Elektrifizierung unser Lebenswelt bietet viele Anknüpfungspunkte, erklärt Patz, der auch Leiter des ‚Instituts für Kommunikationstechnik und Embedded Systems‘ ist: „Neben der Kommunikation spielt bei uns auch der Kommunikationsweg eine große Rolle. Wenn Sensoren Botschaften über das Internet an Smartphones senden – etwa, weil die ‚smarte‘ Kaffeemaschine mit einer Push-Nachricht signalisiert, dass das Getränk fertig ist – verläuft die Kommunikation über das heimische Netzwerk, in die Cloud und zurück. Hier ist eine Herausforderung, die Kommunikation zwischen den verschiedenen Akteuren überhaupt erst zu ermöglichen. Wenn man ein E-Auto an eine Ladesäule anschließt, laufen von vielen unbemerkt, dutzenden Kommunikationsprozesse ab, die etwa verhandeln, wie lange und mit wie viel Strom das Fahrzeug geladen werden soll und darf.“

Welche energetischen Einsparpotenziale Kommunikationstechnik bietet, erklärt Professor Patz an einem laufenden grenzübergreifenden Forschungsprojekt. „Zusammen mit der Universität Roskilde sowie deutschen und dänischen Industriepartnern arbeiten wir im Projekt ‚IntelliGrid‘ an einer Lösung, Grünen Strom effektiver nutzen zu können. Energiehungrige Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen, Trockner oder Geschirrspülmaschinen sollen mit unserer Lösung schließlich immer dann nur laufen, wenn ausreichend Strom aus erneuerbaren Quellen im Stromnetz verfügbar ist. Das erfordert einerseits ein Zusammenspiel von Wetterdaten, Daten der Energieversorger und weiterer Daten und eine zu konstruierende Hardware, die aufgrund dieser Daten handelt.“

Auch soll das Ergebnis des Projektes Energieverschwendung bestmöglich verhindern, denn immer wieder kommt es beispielsweise bei sonnigem oder windigem Wetter vor, dass mehr Grüner Strom in das Netz eingespeist wird, als die Nutzerinnen und Nutzer benötigen. Um eine Überlastung des Stromnetzes oder sogar eine Abschaltung von Windkraftanlagen zu verhindern, wird – wenn keine Speicherung der überschüssigen Energie möglich ist – in solchen Fällen sogar Energie ungenutzt abgegeben. „Wenn der Geschirrspüler hingegen bei Sonnenschein selbsttätig anspringt, oder der Trockner sich bei Starkwind einschaltet, retten wir die diese Energie und tragen mit diesem ‚load balancing‘ zu einer Stabilisierung des Stromnetzes bei“, sagt Patz.

Ein Schlüssel für die Akzeptanz solcher Zukunftsmusik ist für Ralf Patz die Automatisierung: „Eine solche Lösung muss automatisch funktionieren. Wenn ich fortlaufend selbst darauf achten muss, ob der Grüne Strom verfügbar ist und dann selbst meinen Trockner einschalten muss, wird das System nicht angenommen. Unser Ziel ist daher, eine verständliche und nutzfreundliche Lösung, die sich bestenfalls automatisch um die Abläufe kümmert – aber jederzeit die Möglichkeit gibt, einzugreifen. Solche Programmierungen und das Herstellen einer geeigneten Hardware machen unsere Arbeit zu einer spannenden Herausforderung.“

Aber auch im Kleinen experimentieren Studierende von Ralf Patz selbsttätig mit Hausautomation und dem ‚Internet der Dinge‘. Viele haben bereits vor dem Studium erste Erfahrungen mit günstig erhältlichen programmierbaren Controllern wie ‚Arduino‘ oder ‚Raspberry Pi‘ gesammelt. In der von Ralf Patz geleiteten ‚Embedded Systems / Internet of Things‘-AG stellen sie ihre Projekte einander gegenseitig vor und entwickeln diese weiter. „Die Vielfalt und Kreativität der Projekte, ist beeindruckend“, erzählt Patz. „Ein Student konstruierte eine Lösung, die ihn auf dem Smartphone informierte, sobald bei ihm zu Hause ein Brief eingeworfen wurde. Eine Studentin hat einen Feinstaub-Sensor entwickelt, der sich über eine Solarzelle selbst versorgt und sie informiert, wenn Grenzwerte überschritten sind.“

So blickt Ralf Patz denn auch optimistisch in die Zukunft: „Unser Fachbereich bietet Studierenden auch abseits der Energietechnik viele Möglichkeiten, intelligente Lösungen für eine nachhaltige Lebensweise zu entwickeln. Vor allem im Zusammenspiel mit anderen Disziplinen sehe ich Kommunikations- und Nachrichtentechnik als Schlüssel, um unsere Zukunft ressourcenschonender gestalten zu können.“

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