Persönliche Anmerkungen zu meiner Lehre

Warum die Beschäftigung mit dem Älterwerden?

Auch für jüngere Menschen lohnt sich die Beschäftigung mit dem Älterwerden: Erstens ist das Älterwerden ein Querschnittsthema in der Sozialen Arbeit, weil die Adressat*innen Sozialer Arbeit in allen Feldern älter werden: Soziale Arbeit mit Familien, Soziale Arbeit mit suchtgefährdeten und psychisch kranken Menschen, Soziale Arbeit mit Kindern und Jugendlichen oder Soziale Arbeit im Gemeinwesen. Zweitens ist das Älterwerden ein ungeheuer vielfältiges Thema: Vergeht die Zeit gefühlt im Alter schneller? Und wenn ja, warum? Werden Menschen mit Demenz wieder zu Kindern oder können Teile des Selbst so in den Körper sedimentieren, dass sie erhalten bleiben? Bedeutet Liebe im späteren Leben etwas anderes als in jüngeren Jahren? Drittens kann man auch persönlich davon profitieren, wenn man sich mit einer Lebensphase beschäftigt, die man noch vor sich hat. Es bietet sich die Beschäftigung mit grundsätzlichen Fragen an, die auch für jüngere Menschen zentral sein können: Wie gehe ich mit Abhängigkeit und körperlicher und seelischer Verletzbarkeit um? Was ist es, was in meinem Leben wirklich für mich zählt? Wie kann ich anderen Menschen nahe sein? Wie gehe ich konstruktiv mit Konflikten und meinen Gefühlen um? Wie gehe ich mit schwierigen Lebenssituationen um?

Mein Lehrverständnis

Bedeutung von Sozialer Arbeit als Hochschulstudium

Soziale Arbeit ist ein Hochschulstudium. Der Abschluß ist ein akademischer Abschluß. Deshalb können die Hochschullehre und das Studieren nicht beim Austausch von Alltagserfahrungen stehenbleiben. Ziele der akademischen Ausbildung sind:

  • die Befähigung, wissenschaftsbasierte Entscheidungen in der Praxis sozialer Arbeit treffen zu können.
  • Professionelle Reflexivität: Was macht eigentlich mein Handeln zu einem professionellen?
  • die Fähigkeit zum lebenslangen Lernen im Beruf: Auch in der Berufspraxis muß ich mein Wissen immer wieder vertiefen, erweitern und aktualisieren.
  • das Bewußtsein für die Nichtabgeschlossenheit der Erkenntnis in der Wissenschaft.
  • die Fähigkeit, die Stimmigkeit theoretischer Positionen und des Praxishandelns kritisch prüfen zu können, um eine begründete fachliche Position zu entwickeln.

Didaktische Prinzipien

  • Ich gebe sowohl Input, versuche aber auch als Lernbegleiter, den Lernprozeß möglichst hilfreich zu gestalten.
  • Ich versuche zu motivieren, in dem ich die Relevanz der Inhalte für das Fachgebiet, den Studiengang und den Beruf herausstelle.
  • Die behandelten Theorien müssen nicht unmittelbar anwendbar sein: Der Nutzen wissenschaftlichen Wissens muß in jedem Einzelfall sozialarbeiterischer Praxis neu beurteilt werden, indem es mit der vorliegenden Situation in Beziehung gesetzt wird, um so professionell deuten zu können (Theorie-Praxis-Relationierung). Das Hauptziel ist, Theorie und Praxis kritisch zu hinterfragen. Das Studium beschränkt sich nicht auf Jobtraining.“ 
  • Generell kann es auf das Anforderungsniveau akademischer Berufe kein „Rezeptwissen“ geben, sondern nur ein Methodenrepertoire. (v. Spiegel: „Zusammengefasst besteht die professionelle Kunst darin, dass Fachkräfte ihr Können, Wissen und ihre beruflichen Haltungen fall- und kontextbezogen einsetzen“ (S. 253)).
  • Die Studierenden erarbeiten sich mit meiner Unterstützung die theoretischen Inhalte. Wir überlegen dann gemeinsam, was daraus folgt.
  • In Fachdiskursen sind auch Fachbegriffe wichtig. Ich bleibe aber nicht dabeistehen, Definitionen abzufragen: Die Studierenden eignen sich Theorien, Modelle und Fachbegriffe so an, daß sie sie in eigenen Worten erläutern, sie in ihrer historischen Entwicklung verstehen, gegeneinander abgrenzen sowie Stärken und Schwächen abwägen können.
  • Ich etabliere Routinen, um wissenschaftliche Begriffe in verschiedenen Kontexten anzuwenden, so daß das Alltagswissen ersetzt oder integriert werden kann (s.u.).

Wie verstehe ich meine Rolle als Hochschullehrer?

Ich bin als Hochschullehrer für die Auswahl und die Didaktisierung der Lerninhalte verantwortlich. Insofern bin ich dafür zuständig, daß die Lerninhalte eine Form erhalten, die Ihnen die Aneignung leichter macht. Das fachliche Wissen und die Handlungskompetenzen erarbeiten Sie sich – ich begleite Sie dabei. Letztlich kann jede*r nur selbst lernen und muß neues Wissen in ihr*sein Vorwissen integrieren. Meine Aufgabe besteht darin, Lernsituationen so zu arrangieren, daß Sie Ihr Alltags- bzw. Vorwissen mit dem wissenschaftlichen Fachwissen verbinden können, damit beides nicht nebeneinandersteht, sondern integriert werden kann. Durch die Konfrontation mit wissenschaftlichem Wissen oder auch durch das Aufzeigen von Widersprüchen sollen Ihre (und meine) Alltagsvorstellungen irritiert werden. Ebenso können beeindruckende Erfahrungen oder auch spannende Theorien dazu führen, daß wir mehr darüber erfahren möchten.

Dieser Prozeß läßt sich didaktisch als spiralförmiges Curriculum organisieren – von der Ebene einzelner Veranstaltungen, bis zum Studium insgesamt –, bei dem Vorwissen durch neues Wissen und neue Handlungskompetenzen ständig herausgefordert wird, zeitweilig integriert wird, um dann wiederum auf höherer Ebene, in anderen Kontexten irritiert und erneut integriert zu werden.  

Was ist meine Rolle nicht?

Da die Hochschule zwar nicht von der Systematik des Bildungssystems, aber vom Alter der Studierenden her zur Erwachsenbildung gezählt werden kann, verstehe ich meine Rolle nicht als disziplinierende oder pädagogisierende: In der Erwachsenenbildung gilt der Rückgriff auf erzieherische Maßnahmen als Angriff auf die Würde des erwachsenen Menschen. Wesentlich ist das Prinzip der Freiwilligkeit (s.u.). Das bedeutet für mich z.B., daß ich Sie nicht einfach auffordere, etwas zu sagen, wenn Sie sich gar nicht gemeldet haben.

Rolle der Studierenden

Meiner Rolle als Lernbegleiter entspricht Ihre Rolle als selbständig lernende Person, die bereit ist, sich Lerninhalte mit Unterstützung selbst anzueignen. Ich setze Ihre grundsätzliche Bereitschaft voraus, sich zunächst auf den Gegenstand soweit einzulassen, so daß Sie feststellen können, ob er Ihrem Lerninteresse entgegenkommt. Sollte das der Fall sein, gehe ich ebenfalls davon aus, daß Sie sich selbständig der Vorbereitung der Sitzungen widmen. Da wir neues Wissen nur auf der Grundlage unseres Vorwissens integrieren können, ist es notwendig, daß Sie sich die Inhalte auch selbst in einer für Sie verständlichen Form „konstruieren“. Sie können deshalb nicht von mir erwarten, daß ich Ihnen Lerninhalte ausschließlich selbst präsentiere, sondern Sie müssen bereit sein, im Selbststudium eine Grundlage zu erarbeiten, die wir dann in der kostbaren Seminarzeit dafür nutzen, die Inhalte gemeinsam zu erschließen, Fragen zu beantworten und zu diskutieren.