"Falten der Zeit" von Vladimir Sitnikov

Beitrag von Charleen Bermann

Vom 11. November bis zum 08. Dezember 2021 war die Ausstellung „Falten der Zeit“ von Vladimir Sitnikov in der Galerie des Bunker-D zu sehen. Der Künstler befasste sich im Rahmen dieser Ausstellung mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie – und zeigte dies anhand von Fotografien abgeblätterter Plakate an Litfaßsäulen. Sitnikov ging in dieser Ausstellung auf die Entschleunigung und das Fehlen des sozialen Lebens während der Lockdowns im Jahr 2020 ein und zeigte durch seine Fotos eine Welt, die für einige Zeit stillstand.

Zum wiederholten Male war der Künstler Vladimir Sitnikov in der Galerie des Bunker-D der Fachhochschule Kiel zu sehen. Der Künstler hat in den Bunker-Ausstellungen stets den Blick auf Themen gelenkt, die für ihn eine persönliche und mentale Bedeutung haben. Durch seine stillen Beobachtungen und subtilen Andeutungen hat er es erneut geschafft mit Zurückhaltung und Sensibilität diese Erinnerungen und Augenblicke festzuhalten und für Rezipient*innen zugänglich zu machen – sie werden zum Auslöser der Selbstreflexion.

In der Ausstellung "Falten der Zeit" befasste sich der Künstler mit einem Thema, das besonders im Jahr 2020 präsent war - die sozialen und emotionalen Folgen der Corona-Pandemie. Diese wurden Sitnikov vor allem optisch an den Litfaßsäulen durch abgeblätterte und verwehte Plakate sichtbar. Diese Ausstellung nutzte nahezu unbeabsichtigt das Stilmittel der Decollage: statt wie bei der Collage ein Bild aus Versatzstücken zusammenzufügen, werden bei der Decollage hingegen Teile eines Originalbildes entfernt, wodurch neue Bildwelten entstehen. Bei "Falten der Zeit" übernimmt der Künstler selbst jedoch nicht aktive Gestaltung der Decollage, sondern hält die Spuren der Zeit, die durch den Wind und Regen entstehen, fest. 

Der Künstler empfand die Corona-Zeit, besonders der Lockdown in den kalten und dunklen Wintermonaten 2020, als bedrückend und düster. Es half ihm daher regelmäßig spazieren zu gehen und bewusst die bekannte und alltägliche Umgebung auf eine neue Weise zu erkunden. Die bekannte Hektik fiel weg - es breitete sich eine unbekannte Stille aus. Was ihm besonders auffiel waren die abgeblätterten Plakate an den Litfaßsäulen, da diese genau das widerspiegelten, was in diesem Moment fehlte: das soziale Leben, Veranstaltungen, Ausstellungen, Konzerte und menschliche Begegnungen. Die Welt hörte auf sich zu bewegen, alles stand still – aus einer so schnelllebigen und rasanten Welt wurde in kürzester Zeit ein langsames und menschenleeres Leben.

Die Zeit auf den Litfaßsäulen schien rückwärtszulaufen - die alten Schichten diverser Plakate wurden sichtbar, da diese nach und nach von selbst abblätterten und vom Winde davon getragen wurden. Werbungen für vergangene Ausstellungen oder Veranstaltungen kamen zutage. Es waren immer mehr Schichten zu sehen, die Events wurden immer älter und man konnte nichts dagegen machen – die Falten der Zeit wurden sichtbar. 

Als der Frühling kam und Veranstaltungen und Kontaktmöglichkeiten in Sicht waren, wurden die Säulen gesäubert und mit neuen Veranstaltungen beklebt – die Zeit und das Leben schien wieder zu laufen und die dunklen und leeren Monate wurden überwunden.

Die Fotografien von Vladimir Sitnikov halten die stille Zeit der Corona-Pandemie fest und zeigten bewusst das fehlende soziale Leben und die Entschleunigung auf. Die Ausstellung „Falten der Zeit“ hat dazu angeregt über die Schnelllebigkeit des Lebens nachzudenken.

Mal verläuft die Zeit schnell, mal langsam und mal steht sie schnell - aber das Leben läuft immer weiter und die Falten und Folgen der Zeit sind überall sichtbar.