Stefanie Kohlmorgen© H. Börm

Alumni im Porträt - Stefanie Kohlmorgen

von Pia Fobian

Über ein Praktikum innerhalb ihres BWL-Studiums an der FH Kiel kam Stefanie Kohlmorgen erstmals mit dem Frauennetzwerk zur Arbeitssituation in Kontakt. Und sie blieb, ist heute stellvertretende Geschäftsführerin.

Stefanie Kohlmorgen gibt auf die Frage, ob Frauen und Männer in unserer Gesellschaft gleichgestellt sind, eine klare Antwort: „Nein, sind sie definitiv nicht. Frauen sind in vielerlei Hinsicht diskriminiert.“ In einem weit entwickelten Land wie Deutschland mögen sich einige über diese Aussage vielleicht zuerst wundern. Denkt man jedoch weiter, wird man leider feststellen, dass Kohlmorgen recht hat. Noch immer sind deutlich weniger Frauen in Führungspositionen, wie selbstverständlich für die Kinderbetreuung zuständig, und gleiche Bezahlung ist in vielen Branchen mehr Wunschdenken als Realität.

Das Ziel ist Chancengleichheit

Die 49-Jährige hat es sich zur Berufung gemacht, dem entgegenzuwirken und sich für Veränderung einzusetzen. Sie ist stellvertretende Geschäftsführerin des Frauennetzwerks zur Arbeitssituation – ein gemeinnütziger Verein, dessen Ziel es ist, die Chancengerechtigkeit von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Er wurde 1985 von engagierten Frauen, die eine Veränderung herbeiführen wollten, gegründet. Die Tätigkeiten des Vereins setzen sich aus Bildungs-, Vernetzungs-, und Beratungsangeboten sowie gleichstellungspolitischer Gremienarbeit zusammen. Frauen können Seminare und Workshops besuchen oder sich in beruflichen Fragen beraten lassen. Des Weiteren gibt es verschiedene Arbeitsmarkt-Projekte. Beispielsweise „Perspektive Wiedereinstieg“, das Frauen nach längerer Auszeit vom Job erleichtern soll, diesen wieder aufzunehmen. Kohlmorgen betont, es gehe nicht darum, dass Frauen über besondere oder gar mehr Qualifikationen als Männer verfügen sollten, um dieselben Berechtigungen in der Arbeitswelt zu haben. Das Ziel sei Chancengleichheit.

Mehrere Komponenten in Stefanie Kohlmorgens Leben führten sie zu der Position, in der sie heute ist. Die gebürtige Kielerin machte ursprünglich eine Ausbildung zur Hotelfachfrau. Nachdem sie in dem Beruf zehn Jahre gearbeitet hatte, entschied sie sich 1998 dafür, noch einen anderen Weg einzuschlagen und schrieb sich für ein BWL-Studium an der Fachhochschule Kiel ein. „Mathe, Recht und Volkswirtschaft haben mich immer interessiert, daher war BWL das Richtige für mich. Allerdings haben mich privatwirtschaftliche Unternehmen nicht gereizt“, berichtet Kohlmorgen. Das zusätzliche Interesse für Gleichstellungspolitik und Gleichberechtigung in der Familie und in der Partnerschaft führten dazu, dass es Kohlmorgen in eine soziale Richtung verschlug. So kam sie zum ersten Mal während des Studiums in Form eines Praktikums mit dem Frauennetzwerk in Kontakt.

Zwei Kinder bekam sie zu Beginn des Studiums

Kohlmorgen ist verheiratet und dreifache Mutter. Ihre ersten beiden Kinder bekam sie zu Beginn ihres Studiums, das dritte kurz vor der Diplomarbeit. Heute sind ihre Kinder 20, 19 und 14 Jahre alt. Sie schaffte es, gleichzeitig Studentin und Mutter zu sein. Sie studierte in Teilzeit. „Ich war mir sicher, dass wir das alles schon hinbekommen“, erinnert sie sich zurück. „Natürlich brauchte es viel Organisation, damit alles ineinandergreifen konnte. Vor allem waren aber auch Lust und Motivation für das, was ich gemacht habe, sehr entscheidend.“ Sie schaut aber auch kritisch auf diese Situation der Mehrfachbelastung von Frauen, da die Erwartungen der Gesellschaft häufig sind, dass „frau das alles hinbekommen müsse“. Dies sei ein hoher Druck.

Im Frauennetzwerk arbeitete sie während des Studiums weiter. Komplett auszusteigen, war keine Option für sie. Die Struktur des Frauennetzwerks ermöglichte es, an Projekten zeitlich flexibel und teils von zuhause aus zu arbeiten. „Um im Studium die Vorgaben ableisten zu können, war das persönliche Gespräch mit Professor*innen und Kommiliton*innen stets wichtig“, erklärt Kohlmorgen. „Beispielsweise war mein Geburtstermin zeitgleich mit einer Prüfungsleistung. Da habe ich dann nach Absprache etwas Alternatives abgeleistet. Ich konnte Kinder, Studium und Arbeit vereinen. Damit so etwas funktionieren kann, sind aber bestimmte Gegebenheiten notwendig“, betont Kohlmorgen. Nicht jeder Job sei flexibel und würde zeitliche Einteilung oder die Berücksichtigung der Kinderbetreuung ermöglichen. Auf dem Arbeitsmarkt gäbe es noch zu wenige dieser Strukturen. „Als ich studiert habe, wurde gerade die Kindertagesstätte an der Fachhochschule eröffnet. In diese Organisation haben mein Mann und ich uns mit eingebracht. Diese Möglichkeit der Kinderbetreuung war ein Grund, warum alles parallel funktioniert hat. Zudem hat uns die gute Gemeinschaft in der Tagesstätte bestärkt. Ein unterstützendes Umfeld ist also auch sehr wichtig.“

Meistens übernehmen die Frauen die Kinderbetreuung

Kohlmorgen machte ihr Diplom 2007 und stieg fortan, erst in Teilzeit, dann komplett, im Frauennetzwerk ein. Die Arbeit ist vielseitig. Heute ist sie zum einen Leiterin der Fachstelle für Sexarbeiterinnen. Da sie vor dem Studium Sprachkurse in Spanien absolvierte und viele Frauen in diesem Bereich aus Lateinamerika stammen, werden ihre Interessen in dieser Tätigkeit gut vereint. Zudem sind die Anforderungen eng verzahnt mit ihrer Erfahrung in der Beratung für Selbstständige und in der Vernetzungsarbeit. Ein weiterer Zuständigkeitsbereich ist der Gründungsschwerpunkt im Frauennetzwerk. Sie berät und unterstützt Frauen, die ihr eigenes Business aufbauen wollen. Kohlmorgen motiviert vor allem die Begleitung der Frauen über einen längeren Zeitraum: „Zu sehen, wie individuelle Ideen umgesetzt werden und die Gründerinnen eine Entwicklung durchlaufen, ist toll. Um nicht nur in der Gründungsphase, sondern auch langfristig eine Unterstützung zu sein, bieten wir den Unternehmerinnen Newsletter, Vernetzungsveranstaltungen und aufbauende Beratungsprogramme.“ Doch warum ist so eine spezielle Beratung eigentlich noch notwendig? Woran liegt es, dass Frauen im Jahr 2020 immer noch deutliche Nachteile in der Unternehmensgründung und auf dem Arbeitsmarkt haben? Kohlmorgen erklärt: „Meistens wird es erst ein persönliches Thema, wenn Paare Kinder bekommen. Häufig werden dann Entscheidungen getroffen, die durch die Sozialisation in unserer Gesellschaft unterbewusst beeinflusst sind. Frauen sind dann in den meisten Köpfen erstmal für Kinderbetreuung und Hausarbeit zuständig. Oft arbeiten sie erst einmal in Teilzeit und machen sich so finanziell von ihrem Partner abhängig. Sie erwirtschaften aufgrund dessen wenig(er) Rente und können kein eigenes Vermögen aufbauen.“

Dieses Rollendenken bestehe schon seit Jahrhunderten, und Gesellschaften würden sich sehr langsam verändern. Deutschland habe hier ja noch eine besondere Geschichte. „In der jungen Generation sehe ich allerdings schon Verbesserung“, ergänzt Kohlmorgen. „Frauen arbeiten häufiger in Vollzeit, Väter nehmen selbstverständlicher Elternzeit und geschlechtergerechtere Partnerschaften werden gelebt. Auch gendergerechte Sprache ist ein aktuelles Thema.“ Neben der Veränderung im Denken unserer Gesellschaft, muss aber vor allem auch von Seiten der Politik einiges gewandelt werden, damit Frauen und Männer komplett gleichberechtigt sein können. Strukturelle Veränderungen müssen her. Als ein Beispiel nennt Kohlmorgen die Lohnsteuerklassen drei und fünf bei Ehepaaren, bei denen einer besonders wenige und der andere besonders viele Steuerabzüge hat. Regelungen wie diese stehen der Gleichstellung im Wege und würden meistens Frauen benachteiligen. Das größte Hemmnis für die Geschlechtergerechtigkeit in der Arbeitswelt sind aber die Strukturen, die zu wenig Freiraum für flexible Kinderbetreuung lassen und dies als Aufgabe der Frau sehen.

Zwar sagt Kohlmorgen, sie habe kein spezielles Vorbild, jedoch hätten sie die Mütter des Grundgesetzes immer inspiriert und allgemein Frauen, die als erste in ein männerdominiertes Umfeld gekommen seien. „Dazu bedarf es Stärke und Mut, das bewundere ich.“ Auch hier sei Veränderung erkennbar. „Immer mehr Frauen gehen in Berufe, die bisher eher männlichen Kollegen zugeschrieben wurden. Das finde ich gut.“

Über die Frage, ob sie Feministin sei, denkt sie kurz nach, antwortet dann entschlossen: „Ja! Ich bin eine starke Frau, und für mich bedeutet Feminismus, sich für andere Frauen einzusetzen. Es gibt nichts Schlechtes daran, für Emanzipation zu kämpfen, auch wenn das heutzutage nicht mehr nötig sein sollte!“, bekräftigt Kohlmorgen.

© Fachhochschule Kiel