Früchte und Sahne© L. Hambrett

Australische Weihnachten – ein Ganztags-Outdoor-Event

von Aenne Boye

Was ist wohl der größte Unterschied zwischen dem australischen und deutschen Weihnachtsfest? Die meisten würden vermutlich den Kontrast der Temperaturen benennen – während in Deutschland gerade der Winter begonnen hat, ist in Australien Hochsommer. Doch für Olivia Jane Hambrett, von allen Liv genannt, war es die Lautstärke: „Als ich das erste Mal Weihnachten in Deutschland gefeiert habe, war ich völlig überrumpelt. Es war so viel ruhiger, kleiner und ernsthafter. Das australische Weihnachten hingegen ist total laut und ausgelassen – ein großes Familienfest. Die Deutschen feiern dagegen maßvoller und besinnlicher.“ Liv unterrichtet am Fachbereich Medien und am Zentrum für Sprachen und Interkulturelle Kompetenz (ZSIK).

Ein normaler Weihnachtstag bei Livs Familie in Sydney läuft so ab: Am 25. Dezember kommt zwischen 13 und 14 Uhr ihre gesamte Familie. Es gibt ein großes Festmahl im Garten, das sich über den ganzen Tag hinzieht. „Erst essen wir Weihnachtsschinken und Truthahn, dann Nachtisch mit Pavlova, eine mit Sahne und Früchten gefüllte Torte aus Baisermasse, und Christmas Cake, einen Früchtekuchen.“ Den Rest des Tages verbringen Liv und ihre Familienmitglieder mit Cricket spielen, im Pool baden und entspanntem Beisammensein.

In Australien kommt der Weihnachtsmann, der dort Santa Claus heißt, in der Nacht auf den 25. Dezember und bringt die Geschenke. „Wir haben natürlich immer versucht, wach zu bleiben. Das hat aber nie funktioniert“, erinnert sich Liv. „Für Santa Claus gab es ein Stück Christmas Cake und für seine Rentiere Karotten. Die waren am Morgen natürlich weg. Wer als erstes der Geschwister wach war, hat die anderen dann geweckt. Wir sind sofort die Treppe heruntergestürmt und unten lagen sie dann die Geschenke.“

Der 24. Dezember, in Australien „Christmas Eve“ genannt, wird dort auch anders gefeiert als in Deutschland. „Den Christmas Eve verbringen viele mit ihren Freunden. Da meine Tante mit einem Niederländer verheiratet ist, waren wir an ˋHeilig Abend´ aber auch mit ihrer Familie zusammen“, berichtet Liv. „Außerdem habe ich eine Tante aus der Schweiz, die immer Plätzchen gebacken hat. Deshalb kannte ich die bereits, als ich nach Deutschland kam.“

Liv bezeichnet ihren Start in Deutschland als einen Sprung ins kalte Wasser. „Ende 2010 kam ich vom warmen Griechenland nach Münster. Der Schnee und die Kälte trafen mich völlig unvorbereitet“, erzählt sie belustigt. „Meine Familie besuchte mich über Weihnachten in Deutschland. Zunächst fanden wir den Schnee wunderschön, aber unsere anfängliche Begeisterung ließ schnell nach. Der Matsch auf den Straßen nervte uns. Alles war klamm, kalt und nass. Bis wir es nach kurzer Zeit hassten.“ Bevor sie nach Deutschland kam, dachte Liv, es gäbe hier immer weiße Weihnachten. „Beim ersten Mal schneite es ja auch.“ Sie lacht. Mittlerweile habe sie aber gelernt, dass es an Weihnachten, insbesondere in Norddeutschland, fast nie schneit. „Schnee gibt es hier eher im Januar und Februar.“

Livs Kinder erleben einen Mix aus australischen und deutschen Weihnachtstraditionen. „Ich backe mit meinen Kindern Plätzchen, und wir bauen ein Lebkuchenhaus in der Vorweihnachtszeit. Am 24. gibt es erst Kaffee und Kuchen – mit Christmas Cake, den meine Schwiegermutter für mich macht. Danach essen wir dann Fleischfondue – obwohl ich es erst befremdlich fand, den Nachtisch vor der Hauptspeise zu essen.“ Nach dem Essen bringt dann Santa Claus – nicht der Weihnachtsmann – die Geschenke für die Kinder. „Ich erziehe meine Kinder bilingual und erzähle ihnen von Santa Claus“, erklärt sie. „Deshalb gibt es für sie noch keinen Weihnachtsmann. Das ändert sich aber bestimmt bald.“

Auf die Frage, was ihr besonders an der deutschen Weihnachtszeit gefällt, antwortet Liv: „Ich finde die Weihnachtsmärkte toll, sofern sie nicht zu überfüllt sind. Stollen könnte ich bis Januar jeden Tag essen. Ich mag Rotkohl, der passt irgendwie zur kalten Jahreszeit. Außerdem gehören Lebkuchen und Pfeffernüsse zu meinen Favoriten – und Glühwein natürlich.“ Dann verrät Liv, dass sie am Anfang, noch unwissend über deutsche Traditionen, Glühwein kalt aus einem Weinglas getrunken hat. Sie lacht: „Ich wusste es einfach nicht besser.“

Liv ist außerdem Bloggerin und Autorin. Auf ihrem Blog www.livhambrett.com berichtet sie regelmäßig von ihrem Leben als Australierin in Deutschland.

Aenne Boye

© Fachhochschule Kiel