Maisernte© M. Baumeler / Pixabay

Der Mais ist besser als sein Ruf

von Hartmut Ohm

Auf 28 Prozent der Ackerflächen in Schleswig-Holstein wurde im Jahr 2020 Silomais angebaut. In der Bevölkerung hat diese Pflanze einen schlechten Ruf. Aber lockt er wirklich Wildschweine ins Land, laugt er den Boden aus, oder führt Maisanbau zur Monokultur? Hartmut Ohm aus der viel.-Redaktion fragte bei Dr. Ute Kropf aus dem Fachbereich Agrarwirtschaft nach.

Frau Dr. Kropf, laut Statistikamt Nord wurde 2020 auf über 28 Prozent der Ackerfläche in Schleswig-Holstein Silomais angebaut. Droht uns die oft befürchtete „Vermaisung“ unserer Landschaft“?

Der Maisanbau ist aktuell schon wieder rückläufig. An der Westküste ist man zur Beschickung der Biogasanlagen auf Getreide-GPS (Ganzpflanzensilage) übergegangen, die sich im Juni/Juli trockener ernten lässt. Auch das Auslaufen der EEG-Förderung nach 20 Jahren wird bei einigen Biogasanlagen zur Aufgabe führen und den Maisanbau weiter zurückfahren.

Was macht den Maisanbau für Landwirt*innen attraktiv?

Mais ist fast eine „Ökokultur“. C4-Pflanzen wie zum Beispiel Mais, Hirse, Zuckerrohr und Amarant binden pro Zeiteinheit über einen zusätzlichen Photosyntheseweg mehr CO2 als C3-Pflanzen, zu denen unsere Getreidearten gehören. Und sie können auch bei geschlossenen Spaltöffnungen noch CO2 aufnehmen, was sie trockenresistenter macht.

Innerhalb von fünf Monaten bildet Mais so viel Biomasse wie Wintergetreide in zehn Monaten. Im Sommer (wenn alle anderen Kulturen schon abgeerntet sind) nimmt sie den im Boden von Bakterien frei gesetzten Stickstoff wieder auf und reduziert somit das Auswaschungsrisiko für Nitrat im Herbst. Und: Sie kommt mit zwei Pflanzenschutzmaßnahmen gegen Unkräuter und –gräser aus. Keine Fungizide und keine Insektizide, die gespritzt werden! Sollten wir künftig gegen Unkräuter hacken, wird auch das möglich sein, aber die CO2-Bilanz nicht unbedingt verbessern. Im Kolben stecken nahrhafte Stärke und das wertvolle Maiskeimöl. Pro Hektar ernten wir mit Mais bis zu einer Tonne Eiweiß - die Sojabohne als klassische Eiweißpflanze bringt es auf „nur“ 1,2 bis 1,4 Tonnen. Pro 1,5 Hektar Mais können wir hier auf den Import von einem Hektar Sojabohnen verzichten.

Zehrt der Maisanbau an den Humusvorräten des Bodens, und laugt er ihn aus?

Hier muss man zwischen Körnermais, der auch in Schleswig-Holstein im Kommen ist, und Silomais unterscheiden. Der Körnermais liefert aus dem Stängel sehr viel organische Substanz zurück, weil nur der Kolben geerntet wird und der Rest der Pflanze in den Stoffkreislauf des Bodens zurückfließt. Körnermais reichert aktiv Humus an. Bei Silomais wird die organische Substanz im Kuhmagen oder durch die Bakterien in der Biogasanlage umgewandelt. Die Nährstoffe kommen danach in einer aktiveren und wertvolleren Form als Nährhumus zurück. Der fehlende Dauerhumus aus den verholzten Ernterückständen wird durch den Fruchtwechsel z. B. mit Getreide ausgeglichen. Dieser Fruchtwechsel ist im Rahmen der Greening-Auflagen für die Betriebe verbindlich.

Trägt der Maisanbau zur Vergrößerung der Wildschwein-Population in Schleswig-Holstein bei?

Während der Zeit der Kolbenbildung im August/September zieht es die Wildschweine natürlich in den Mais, zumal sie dort sehr geschützt sind. Da sie aber den Großteil ihres Lebens und ihrer Vermehrung zurückgezogen in Wäldern verbringen, kann man davon ausgehen, dass es nicht der Mais ist, der sie nach Schleswig-Holstein lockt. Dort wo kein Mais ist, pflügen sie übrigens Wiesen, Wälder oder – wie in Schweden – auch die Gärten auf der Suche nach Nahrung um.

Stimmt es, dass für den Maisanbau Niedermoore umgepflügt werden und so CO2 und Methan freigesetzt werden?

In der Vergangenheit wurden Niedermoorflächen als Grünland genutzt. Diese wurden dann für den Maisanbau umgebrochen und das Grundwasser abgesenkt. Die Zufuhr an Sauerstoff setzte die Mineralisierung des Humus und damit die Freisetzung von Kohlendioxid in Gang. Methan hingegen wird unter anaeroben Bedingungen freigesetzt – also beispielsweise bei der Wiedervernässung. Moore sind inzwischen geschützt, und Dauergrünland darf nicht mehr umgebrochen werden. Eine interessante Veröffentlichung zur Geschichte, der Bedeutung und dem Schutz der Moore in Schleswig-Holstein kann unter https://www.umweltdaten.landsh.de/nuis/upool/gesamt/moore/moorbroschuere.pdf heruntergeladen werden.

Wir wirken sich Maisfelder auf die Artenvielfalt bei den Insekten aus?

Mais hat eine ganz eigene Artenvielfalt. Da er nicht mit Insektiziden behandelt wird, können sich Blattläuse bei günstiger Witterung stark vermehren. Diese wiederum fördern den Aufbau von Antagonisten. So finden wir im Mais viele Blattlauslöwen (die Larve des Marienkäfers), Schlupfwespen, Schwebfliegen, Florfliegen. Spinnen und andere Bodenlebewesen sind durch den hohen Mais beschattet, trocknen nicht aus, was vor allem den Regenwürmern nützt. Und nicht zuletzt nutzen Bienen den Pollen im August als Futtergrundlage, wenn alle anderen Pflanzen verblüht sind.

Welche positiven Effekte hat der Maisanbau auf das Klima?

Die Umwandlung von Maisbiomasse in Energie hat sicher einen sehr schlechten Wirkungsgrad. Da gibt es effizientere Verfahren. Aber er ist eine Low-Input-Pflanze, die fast von alleine wächst. Im Vergleich zu anderen Kulturen hat sie deshalb die Nase weit vorne. Probleme entstehen immer dann, wenn eine Kultur einen gewissen Anbauumfang überschreitet und sich Schadorganismen ausbreiten. Auf anderen Kontinenten kann man die Auswirkungen von Monokulturen auf ein sehr kleinräumiges Mikroklima gut sehen. Aber einen echten Einfluss auf das Klima, welches große Zeitspannen umfasst, hat Mais nicht.

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