Wale sind soziale Wesen. Sie leben in Gruppen, ziehen gemeinsam durchs Meer. Dabei kommunizieren die Säugetiere über tausende Kilometer Entfernung miteinander. Doch seit Aufkommen der motorisierten Schifffahrt ist die Reichweite ihrer Kommunikation erheblich geschrumpft, denn der Lärm von Schiffspropellern stört die Tiere: „Stellen Sie sich einen Konzertsaal vor, in dem dutzende Menschen miteinander sprechen. Wie können sich da zwei Personen, die an gegenüberliegenden Ecken des Raumes stehen, miteinander unterhalten?“, zieht Leonie Föhring, Doktorandin an der Fachhochschule Kiel, einen anschaulichen Vergleich. Sie forscht zur Emission von Lärm, die durch Kavitation an Schiffspropellern entsteht.
Kavitation? „Wasser verdampft bei hohen Temperaturen – wenn der Druck stark absinkt, auch schon bei Umgebungstemperatur“, erklärt Föhring. „Beim Verdampfen bilden sich Dampfblasen. Gelangen diese anschließend in einen Bereich mit höherem Druck, fallen sie in sich zusammen. Bei dieser kraftvollen Implosion entsteht auch Lärm. Föhring: „Typische Schiffspropeller von Handelsschiffen zeigen das Phänomen der Kavitation. An den Blättern der Propeller entsteht ein starker Unterdruck, der die Dampfblasen erzeugt.“ An Bord kann die Ausbreitung des Lärms eingeschränkt werden, unter Wasser ist das kaum möglich. Eine Folge: Stress für die Meeresbewohner.
Kavitation im Tunnel
Das physikalische Phänomen können Wissenschaftler*innen an der FH Kiel im Kavitationstunnel des Schiffbauströmungslabors simulieren, einer großen, in sich geschlossenen Röhre, die vollkommen mit Wasser gefüllt ist. Ein Propeller treibt die Flüssigkeit darin an, sodass eine Strömung entsteht. Ein gläsernes Fenster an der oberen Seite des Tunnels erlaubt den Blick ins Innere. An dieser Stelle platzieren die Wissenschaftler*innen Modelle von Schiffspropellern und Tragflächen. Um die Verhältnisse am Originalpropeller nachzubilden, senkt eine Vakuumpumpe den Druck im Tunnel ab.

Um zu verstehen, was an den Modellen passiert, machen die Wissenschaftler*innen in Zusammenarbeit mit dem Labor für numerische Mechanik und Strömungsmesstechnik die Strömung mithilfe von Particle Image Velocimetry, kurz PIV, sichtbar: Dazu versetzen sie das Wasser im Kavitationstunnel mit kleinen Kunststoffpartikeln. Diese reflektieren das Licht eines Lasers, der das Wasser bestrahlt. Zur gleichen Zeit fotografiert eine Kamera den Versuch in zeitlich kurzen Abständen. Anhand zweier Momentaufnahmen können die Wissenschaftler*innen die Verschiebung der Partikel betrachten und Rückschlüsse auf die Strömung ziehen. Und noch mehr erklärt Föhring: „Die Dampfblase selbst fällt durch Abwesenheit von Partikeln auf, gleichzeitig können wir das Verhalten der Strömung um die Blase herum beobachten.“
Den Zerfallsprozess verlangsamen
Doch wie lässt sich Kavitationslärm reduzieren? Laut Föhring wird bisher meist versucht, die Kavitation an sich zu verkleinern. Das Problem: „Das bezahlt man in der Regel mit einem Verlust des Wirkungsgrads“, weiß die Doktorandin. „Und das führt wiederum zu einem erhöhten Treibstoffverbrauch.“ Eine andere Möglichkeit: Schiffe könnten ihre Geschwindigkeit drosseln und eine längere Fahrtzeit in Kauf nehmen. Dann würde der Druck am Propeller nicht so stark abfallen, Kavitation vermieden und Treibstoff gespart werden. Doch auch in der Schifffahrt ist Zeit Geld.
Deshalb ist das Ziel von Föhrings Forschungen ein anderes: hohe Effizienz bei niedriger Geräuschemission – Naturschutz, der Hand in Hand mit dem Klimaschutz geht. „Wir versuchen, zu verstehen, was dieses Phänomen so laut macht“, erklärt Föhring und ergänzt: „Wir wissen bereits, dass es eine entscheidende Rolle spielt, wie rapide der Zerfallsprozess abläuft.“ Würde die Blase langsamer kollabieren, wäre das Geräusch wesentlich leiser. Die Wissenschaftlerin will herausfinden, welche Bedingungen dieses Szenario begünstigen.

Das Problem mit der Kavitation ist im Schiffsbau bereits seit Jahrzehnten bekannt. Leider lässt sich die Lärmbelastung schwer vorhersagen – im Gegensatz zu Dingen wie Antriebsleitung oder Widerstand des Schiffs. Sicher ist jedoch, dass der Lärm eines Schiffspropellers Wale in ihrem Verhalten beeinträchtigt – ob Kommunikation, Nahrungs- und Partnersuche. Auch deshalb sind viele Walarten vom Aussterben bedroht. Eine technische Lösung, die weder Abstriche bezüglich Natur- und Klimaschutz macht, würde einen wichtigen Teil zum Artschutz beitragen.