Menschen an Stehtischen© N. Nageler

Networking zwischen Fingerfood und Forschungsprojekten

von Prof. Dr.-Ing. Roland Eisele

Ein anderes Phänomen kam für die Messeneulinge unter den Studierenden jedoch unerwartet: Das viele Stehen erzeugt schon nach kurzer Zeit runde Füße und schmerzende Rücken. Und so kommt eine erste Erkenntnis gegen Mittag: Man sollte die bequemsten Schuhe tragen, nicht die schönsten! Zumal der Tag nicht mit Schließung der Messe für Besucher um 17 Uhr endet. Es gibt Einladungen an die Stände der Nachbarn und besonders interessierter Standbesucher. Später am Abend folgen dann die Netzwerkveranstaltungen: Das European Center for Power Electronics (ECPE) lädt zum Welcome Meeting.  Von der Nürnberger Messeleitung wird zur „Come together Party“ der Aussteller geladen. Natürlich nimmt das Team der FH Kiel auch an dieser Veranstaltung vollzählig teil. Der Abend (oder ist es schon die Nacht?) klingt aus mit Frankenwein und Bier und guter Musik einer Live-Band.

Die Füße fühlen sich auch nach der kurzen Schlafpause nicht williger an, wieder einen ganzen Tag die Last zu tragen.  Doch das wird ignoriert. Die Powerpacks und die Mini-Tablets für müssen aus den Ladegeräten und in die Vitrinen. Auf diese Weise halten sie mehr als einen ganzen Tag durch. Die erste Welle der Besucher kommt stets vor dem Start des zeitgleich laufenden Kongresses. Der hat jeweils fünf parallel laufende Themen-Sessions mit drei Vorträgen. Dann folgt eine Pause, und die Kongressbesucher verbringen diese stets mit Gesprächen an Messeständen. Der FH-Stand wird also in Wellen „überrollt“, die Projektingenieure und Studierenden interviewt und um eine Einschätzung des Problems interessierter Gäste gebeten: „ … Ich habe einen Anlaufstrom von über 300A und die Endstufe wird recht heiß - wie würden Sie damit umgehen?“ So oder ähnlich verlaufen die Gespräche, und das Kieler Team kann viele Antworten geben oder darauf verweisen, dass es sich gern mit diesem Thema weiter beschäftigen würde. Es könnte ja eine Thesisarbeit für einen Studierenden aus dem Team werden.

Umgekehrt nutzen auch die Studierenden und Projekt-Ingenieure die Gelegenheit, den einen oder anderen Vortrag auf dem Kongress zu hören. Dies ist auch eine gute Gelegenheit das englische Hörverstehen zu trainieren und die eigene Präsentationstechnik an Beispielen zu vergleichen.

Mittags jedoch kommt der Hunger. Prinzipiell gibt es im hypermodernen Messe- und Kongresszentrum Nürnberg viele leckere Arten der Verköstigung, die leider allesamt nur nicht wirklich für studentisches Budget gedacht sind. Das Kieler Messe-Team aber hat exzellent vorgesorgt: Täglich werden Brötchen geschmiert und belegt, und im winzigen Separee des Messestandes kann sogar Kaffee gekocht werden – auch für Gäste. Eine andere Möglichkeit ist, nach anderen Messeständen Ausschau zu halten, die für ihre Gäste Leckereien anbieten. So schnorrt man mit etwas Geschick in der asiatischen Nachbarschaft Fingerfood vom Feinsten und erhält beim italienischen Leiterplattenhersteller einen Super-Espresso, gebrüht mit italienischem Wasser! So findet die Gruppe bei der täglichen Nahrungssuche auch hervorragende Technologien, lernt etwas und erhält ganz nebenbei Anregungen für ihre eigenen Lösungen der Forschungsaufgaben. Und gar nicht so nebenbei: Der italienische Leiterplatten und Espresso-Anbieter besucht schon in der kommenden Woche die FH Kiel, um technische Lösungen zu seinen und Kieler Aufgaben zu diskutieren. Vielleicht wird ein bilaterales oder gar ein EU-Projekt daraus?

Eine anstrengende Woche liegt hinter dem 15-köpfigen Team von Prof. Roland Eisele und Prof. Ulf Schümann. Von Dienstag bis Donnerstag haben die Studierenden und Projektingenieure ihre Entwicklungen auf der weltgrößten Fachmesse und Konferenz für aktuelle Produkte, Themen und Trends rund um Leistungselektronik und ihre Anwendungen in Nürnberg präsentiert – der PCIM.

Der letzte Messetag ist zwar genauso lang wie alle anderen, aber gefühlt ist er sehr schnell um, denn neugewonnene Freunde kommen zum Verabschieden, viele Gäste verlassen die Messe schon nach dem Mittag und langsam beginnt das Einpacken und Abbauen für die Standteams – jeder möchte scheinbar seine müden Füße nach Hause lenken. Die Messe schließt, das Team beginnt mit dem Abbau und der erneuten Verpackung der Exponate und Elemente des Messestandes. Um 21 Uhr meldet auch das FH-Kiel-Team: Nürnberg hat fertig! Nach einem hoffentlich erholsamen Schlaf werden die Füße und der ganze Rest nach Norden gebracht.

Trotz aller Anstrengungen ist sich das Team von Prof. Ulf Schümann und Prof. Roland Eisele einig, dass sich der Einsatz gelohnt hat. Angesichts der tollen Kontakte und Optionen für neue Projekte steht fest: „Wir kommen wieder!“

Gleich nach der Eröffnung waren die Gänge der vier großen Hallen mit Besuchern und Teilnehmern des Kongresses gefüllt. Die Keynote auf dem Kongress wurde erst ab 10 Uhr vorgetragen, so dass alle Kongressteilnehmer zunächst die Messe kurz besuchten. So scheiterte denn auch der löbliche Versuch, den Teppich des FH-Messestandes noch einmal schnell zu reinigen, weil die Besucher schon da waren. Das FH-Messeteam hatte jedoch ganze Arbeit geleistet: Die Vitrinen waren ansprechend bestückt mit Exponaten der FH-Arbeiten und Projekte.

Insbesondere die Arbeiten rund um die Elektromobilität fanden große Beachtung des internationalen Publikums. Der hochintegrierte Motorantrieb des jüngst beendeten Forschungsprojektes InMove lieferte viel Stoff für Besucherfragen und auch viel Lob für diesen vollständigen Fahrzeugantrieb mit 80kW in der Größe einer Thermosflasche. Auch die Leistungsbaugruppen aus den Forschungsprojekten von Prof. Eisele führten zu zahlreichen Diskussion und Interessensbekundungen von Firmen und Forschungseinrichtungen, auf diesem Gebiet zukünftig zu kooperieren.

Für die Studierenden in der Standmannschaft zeigte sich schnell: Die interessierten Kunden stellen Fragen, die einer Prüfung der Elektrotechnik sehr ähnlich sind: Kann man die Kühlung noch verbessern? Was wäre, wenn die Kühlflüssigkeit mit höherer Flussrate umgepumpt würde? Welche Temperaturen herrschen im Zwischenkreiskondensator? Aber an dieser Stelle ein großes Lob an die Teams: Sie sind nie eine Antwort schuldig geblieben. Weder auf Deutsch noch auf Englisch!

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