Eine Frau mit Mikrofon und ein Mann© Hempe

Von Sternen, der Liebe und allem dazwischen

von Julia Königs

Es gab eine Zeit, in der interaktive Full-Dome Produktionen, Fahrten durch die Weiten des Sternenhimmels und Kinofilme auf einer 360 Grad Leinwand im Mediendom der FH Kiel noch in ferner Zukunft lagen. Judith und Christian Hempe haben diese Zeit miterlebt und schwelgen noch heute in den kostbaren Erinnerungen, die sie nicht missen wollen.

Vor fast 50 Jahren, als die Fachhochschule Kiel ihren Sitz noch auf dem Kieler Westufer hatte, wurde der Mediendom als Planetarium im Knooper Weg eröffnet. Ab 1987 leitete Eduard Thomas, auch heute noch Direktor des Mediendoms und des Zentrums für Kultur- und Wissenschaftskommunikation der FH Kiel, das Planetarium, in dem sich Judith und Christian Hempe kennen und lieben lernten. „Ich war um die 20 und studierte seit 1991 Jura in Kiel, als mich mein damaliger Freund mit ins Planetarium nahm“, erzählt Judith Hempe, die ihr Abitur in der DDR absolvierte, den Mauerfall aus nächster Nähe mitmachte und die Demokratie in Deutschland mit ihrem Studium unterstützen wollte. Schon in der Schule verfolgte sie viele Interessen gleichzeitig: Malen und Kochen, Nähen, Töpfern, Literatur und Theater, aber auch Verhaltensbiologie, Mathematik und Astronomie. „Meinen Physiklehrer, der auch Astronomie unterrichtete, mochte ich nie“, erinnert sich Judith lachend, „trotzdem haben mich die Sterne fasziniert.“

Als Judith 1995 dem Aufruf des Kieler Arbeitskreises des Planetariums nach helfenden Händen folgte, um das Tagungsbüro im Knooper Weg zu unterstützen, traf sie auf die Menschen, die ihr Leben verändern würden. „Es kamen so viele Astronomieverliebte aus ganz Deutschland zusammen, eine verrückte Mischung aus Informatikern, Astronomen, Astrophysikern und Biologen.“ Sie sei als Juristin im Arbeitskreis des Planetariums fast schon eine Exotin gewesen, sagt Judith. „Aber alle waren jung, naturwissenschaftlich interessiert, interessant und so offen für einander. Uns hat alle vereint, dass wir anderen Menschen die Begeisterung für das Universum darbringen wollten.“ Aus dem Arbeitskreis, der damals durch Markus Schack (heute Fachbereich Medien) geleitet wurde, entwickelte sich eine humorvolle, ideenreiche Gruppe, in der Judith sich zum ersten Mal angekommen fühlte. „Alle konnten meine Gedankengänge nachvollziehen. Ich konnte mich ja nie nur für eine meiner Interessen entscheiden und traf nun auf Menschen, die auch so waren.“

Christian Hempe war zu diesem Zeitpunkt schon seit zwei Jahren in der Gruppe dabei: Am Gymnasium Heikendorf besuchte er während der Oberstufenzeit einen Astronomiekursus. Besuche im Planetarium, das sich während dieser Zeit im Umbau befand und eine neue Kuppel bekam, machten ihn neugierig. „Ich erinnere mich genau an den 6. März 1993, an den Tag der offenen Tür zur Wiedereröffnung im Planetarium. Im Kursus wurde gefragt, wer helfen will und ich habe mich gemeldet. Jetzt bin ich seit 25 Jahren dabei!“, erzählt Christian. Am Abend dieses Tages, den er mit Sternenprojektionen für die Besucher mit einer drehbaren Sternkarte in einem winzigen Vorführraum verbrachte, wurde Christian Mitglied des Vereins Kieler Planetarium e.V., ein Jahr später wurde er zum Kassenwart gewählt. Er koordiniert bis heute Spenden und Aufgaben, pflegt das Kassensystem des Mediendoms und realisierte die vollautomatische Einbindung der Programmdaten in den Veranstaltungskalender der Stadt Kiel.

Der Verein Kieler Planetarium e.V., der 1991 gegründet wurde, um das Planetarium nach einer umfassenden Sanierung als Lobby zu unterstützen, wurde für Judith und Christian Hempe zu einer Wahlfamilie: Sie fuhren gemeinsam nach Dänemark, waren Trauzeugen bei vielen Menschen der Gruppe, sind heute Paten der Kinder ihrer Freunde. In Erinnerung geblieben ist ihnen auch eine der FH-Faschingspartys in den 1990ern mit dem Namen „Schräger Funken“.

„Die Karten waren immer sehr schwer zu bekommen, und die Kostüme waren enorm wichtig“, berichtet Judith. „Bei Markus Schack im Wohnzimmer haben wir damals Hüte mit Leuchtdioden gebastelt, alles gelötet und genäht, mit riesigen Sternen beklebt." Christian fügt hinzu: „Unsere Kostüme waren total verrückt, heute würden sie komisch wirken.“ Der Verein wurde mehr als nur eine Arbeitsgruppe: Er wurde ein Freundeskreis aus Gleichgesinnten.

Die Kuppel im Knooper Weg war damals sehr klein. Der Vorführraum verfügte über 35 Sitze und hatte einen Durchmesser von sechs Metern. „Es war wie in einem gemütlichen Wohnzimmer“, findet Christian, der 2007 an der FH seinen Abschluss in Informatik machte. Alle Helfenden erhielten eine Show-Master-Ausbildung, übten sich in Rhetorik und recherchierten fachliche Hintergründe zu den Sternbildern, um den Besuchern des Planetariums mit viel Herzblut ihre Begeisterung für die Astronomie näherzubringen. „Wir lernten, wie man eine Live-Show aufbaut, die Technik bedient, Menschen anspricht“, sagt Judith. „Niemand erwartete von uns das Wissen studierter Astronomen, wir wollten dafür sorgen, dass die Menschen etwas lernen und Spaß dabei haben.“

Leiter Eduard Thomas bestärkte die jungen Ehrenamtlichen, sich auszuprobieren. „Es war wie eine Spielwiese, auf der wir uns die Nächte um die Ohren schlagen konnten“, sagt Christian. So waren sie dabei, als der Verein die ersten Veranstaltungen für die große Öffentlichkeit unterstützte, Bilder für die Kuppel auf Leucht-Tischen aussuchte, Ausschnitte noch per Hand maskierte. „Das Planetarium arbeitete noch mit Diabildern und einem rechteckigen Beamer-Bild. Wir hatten sechs tortenförmige Dias, die wir mit sechs einzelnen Projektoren an die Kuppel spielen konnten. Die Übergänge der Bilder haben wir versucht so zu gestalten, dass man sie nicht sieht, damit ein einheitliches Kuppel-Bild daraus wurde“, erklärt Judith. Was heute im Mediendom möglich ist, war damals unvorstellbar, findet auch Christian. „Besonders All-Sky-Bilder von Naturaufnahmen waren so viel Arbeit. Die Software, die heute jedes iPhone hat, gab es für uns nicht. Heute ist die Technik extrem faszinierend und komplex, aber manchmal auch anfälliger für Störungen.“

Mit dem Umzug der FH nach Dietrichsdorf, stand die Zukunft des Planetariums zunächst in den Sternen. Als man das Lern-Potenzial der Kuppel für die Studierenden des Fachbereichs Medien erkannte, wurde der Neubau mit 64 Sitzplätzen und einer doppelt so großen Kuppel realisiert. Um einen neuen Sternenprojektor anzuschaffen, rief der Verein nach einer Idee von Christian und seinem Kollegen Wilhelm Ermgassen (damals Vereinsvorsitzender) die Sternpatenschaft ins Leben: Für eine Spende konnten Interessierte eine Patenschaft für einen Stern am Kieler Planetariumshimmel übernehmen. Die 3.700 Patenschaften erwirtschafteten 250.000 Euro für den Mediendom. „Wir wurden aber von der Technik eingeholt“, so Christian, „und investierten in das moderne DigiStar-System. Das ermöglicht uns heute, dass wir durch den Sternenhimmel fliegen können, anstatt nur den Blick von der Erde zu haben“ – nur ein Beispiel für das Wirken des Vereins.

Heute unterstützen Judith und Christian Großveranstaltungen, Tagungen und das Programm der Museumsnacht, sorgten für die neue LED-Beleuchtung der Kuppel. In der gesamten Zeit als aktive Förderer haben sie rund 750.000 Euro an Mitgliedsbeiträgen, Spenden- und Fördergeldern bewegen können.

Viermal im Jahr, passend zu den Jahreszeiten, bieten Judith und Christan Hempe ihre beim Publikum beliebten Live-Sagen-Vorträge an: Sie verknüpfen die griechischen und babylonischen Geschichten der Sternbilder mit der Geschichte der Menschheit. „Weil es live ist, ist es etwas ruhiger“, erklärt Judith, „aber es ist kein Kino. Wir wollen auch kein actionreiches Kino sein, sondern Wissen vermitteln und Inhalte transportieren. Der direkte Kontakt mit den Menschen ist uns dabei sehr wichtig.“

Für viele Jahre waren Judith und Christian die besten Freunde, konnten sich immer auf die Hilfe des anderen verlassen. Erst 2002 wurden sie offiziell ein Paar. „Es hat immer schon zwischen uns gefunkt, aber Christian wollte unsere Freundschaft nicht gefährden“, sagt Judith. „Mein Freund Tim Florian Horn meinte zu mir: Kopf aus und schnapp ihn dir. Das habe ich dann auch gemacht.“ Das Ehepaar heiratete vor zehn Jahren mit allen Freunden aus dem Planetarium. Sie sind noch immer ein hervorragendes Team, das das gemeinsame Hobby Astronomie im gegenseitigen Verständnis ausleben kann. „Wir teilen dieselbe Begeisterung in unserer Freizeit, das ist sehr schön“, findet Christian. Ein befreundetes Paar, Martin und Petra Schmeling, heiratete 2004 sogar im Mediendom. „Der Heiratsantrag in der letzten Veranstaltung vor der Schließung im Knooper Weg war sehr rührend“, weiß Judith noch ganz genau.

Da Christian noch immer Kassenwart und Judith neben ihrer Tätigkeit als Verbandsjuristin Vorsitzende des Fördervereins ist, engagieren sie sich weiter für alle Belange des Mediendoms. „Wir wollen diese Zeit nicht missen“, so Judith. „Wenn wir heute die HiWis sehen, denken wir immer an früher und daran, wie gerne wir noch aktiver mitmischen würden.“ Da beide jedoch volle Arbeitswochen hätten, sei das nicht mehr zu schaffen. Für die Zukunft wünschen sie sich, noch mehr unterstützende Mitglieder für den Verein zu finden und dem Mediendom im Hintergrund weiter erhalten zu bleiben, um beispielsweise neue Investitionen in Laser-Technik möglich zu machen. Ihre Zeit im Planetarium und im Mediendom hat Judith und Christian Hempe geprägt und über viele Phasen ihres Lebens hindurch begleitet. Ganz sicher werden die Sterne die beiden auch in den kommenden Jahren zusammenhalten.

Allgemeine Informationen zum Verein:

1971 wurde der Verein Kieler Planetarium e.V. mit 17 Mitgliedern gegründet. Mittlerweile sind 270 Menschen Mitglied im Verein. Der jährliche Beitrag liegt bei 26 Euro (ermäßigt 16 Euro) und ermöglicht es allen Mitgliedern, kostenfrei alle Veranstaltungen des Mediendoms (ausgenommen Sonderveranstaltungen) zu besuchen. Auch der Eintritt in das Computermuseum ist für Mitglieder ermäßigt. Der vierteljährliche Brief des Vereins informiert die Mitglieder zudem über aktuelle Informationen rund um den Mediendom, die Sternwarte, den Sternenhimmel der aktuellen Jahreszeit und beinhaltet auch ein Programmheft.

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