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Welttag der Sozialen Arbeit – Ubuntu: Ich bin, weil wir sind

von Prof. Dr. Jeannette Bischkopf | Julia Orschulik

Der Welttag der Sozialen Arbeit am 16. März steht unter dem Motto: „Ubuntu: Ich bin, weil wir sind - Soziale Solidarität und Verbundenheit stärken“. Dieses Motto gewinnt in der Pandemie nicht nur berufsbezogen, sondern für alle an Relevanz. Beispielsweise schützen die Hygieneregeln, zum Beispiel das Tragen der Masken, nicht nur die eigene Person, sondern auch andere. Ebenso ist Impfen nicht nur eine Entscheidung für ein verringertes Risiko eines schweren Erkrankungsverlaufs für die eigene Person, sondern auch ein solidarischer Schritt für das Erreichen einer Herdenimmunität und damit eine Perspektive für alle. Die Verbundenheit aller wird sichtbarer, gleichzeitig sind das Infektionsrisiko und die psychosozialen Auswirkungen der Pandemie ungleich verteilt.

Die Soziale Arbeit kann wichtige Beiträge nicht nur im aktuellen Verlauf einer Pandemie, sondern auch in der Analyse und Bewältigung sozialer Probleme aufgrund der langfristigen Auswirkungen einer Pandemie leisten. In der Diskussion der aktuellen Pandemie sind u.a.: die Situation der Kinder und Jugendlichen bei langen Schließungen von Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, die Zunahme von Bildungsungerechtigkeit und Armut, die Zunahme von häuslicher Gewalt und familiären Problemlagen, die Verschärfung sozialer Ungleichheit lokal und global, die Zunahme von Alkohol- und Drogenkonsum im Lockdown, die Zunahme von finanziellen Nöten durch Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und die Schließung von sozialen Einrichtungen. COVID-19 setzt einen Teufelskreis in Gang: durch die sozialen Ungleichheiten ist das Infektions- und Sterberisiko ungleich verteilt und die Pandemie selbst treibt diese Ungleichheiten weiter auseinander.1

Im Ergebnis von Analysen früherer Pandemien war für die Pandemieplanung gefordert worden, gesundheitliche Ungleichheit als Risikofaktor für eine pandemische Entwicklung und ihre Folgen zu berücksichtigen2. Diese Erkenntnisse sollten z.B. frühzeitig für den Schutz und die Unterstützung besonders vulnerabler Gruppen in prekären Lebenslagen genutzt werden. Das kann als Auftrag Sozialer Arbeit betrachtet werden. Weiterhin stellt die asymptomatische Übertragung des Sars-Cov-2 Virus im Vergleich zu anderen Virus-Pandemien eine besondere Herausforderung für die öffentliche Gesundheit und die Gesundheitskommunikation dar. Die Erkenntnisse Sozialer Arbeit darüber, wie Menschen in ihren spezifischen Lebenswelten erreicht werden, können hierbei hilfreich sein.

Historisch betrachtet barg die Bewältigung von Krisen immer auch das Potenzial und die Notwendigkeit für technologische und gesellschaftliche Veränderungen und Fortschritt. Beispielsweise werden die Entwicklung von Abwasserwirtschaft und Städteplanung ebenso wie der Beginn einer empirischen Sozialepidemiologie mit dem Choleraausbruch in London in Verbindung gebracht.3 Aktuell werden positive Impulse u.a. für Städteplanung (orientiert an menschlichen Bedürfnissen und nicht allein an der Leitung des Verkehrs), nachhaltiges Wirtschaften, Klima- und Artenschutz, Digitalisierung und Inklusion, Konsumkritik und globale Gerechtigkeit diskutiert. Mehrere Initiativen versuchen, diese historischen Umbrüche festzuhalten (Beispiel Osnabrück).4 Die Soziale Arbeit ist als Schnittstellenprofession zu verstehen; vermittelnd zwischen Veränderungen sozialer und gesellschaftlicher Umwelten und deren Auswirkungen auf individuelle Lebenswelten.

Die Expertise der Sozialen Arbeit in der Analyse und Überwindung sozialer Probleme wird mehr denn je gebraucht und muss als „systemrelevant“ anerkannt und dauerhaft entsprechend ausgestattet werden (https://dauerhaft-systemrelevant.de/). Der Welttag der Sozialen Arbeit wird national und international von Aktionen begleitet.  Das Motto: „Ubuntu: Ich bin, weil wir sind - Soziale Solidarität und Verbundenheit stärken“ brauchen auch die Sozialarbeiter*innen selbst. Schließlich zeigen die epidemiologischen Daten, dass soziale Berufe von der Pandemie besonders betroffen sind.

Mit diesem Beitrag möchten wir unsere Anerkennung und Verbundenheit zeigen und gratulieren allen Studierenden und Lehrenden der Sozialen Arbeit.

Prof. Dr. Jeannette Bischkopf und Julia Orschulik, Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit


1Kira, I. A., Shuwiekh, H. A. M., Alhuwailah, A., Ashby, J. S., Sous Fahmy Sous, M., Baali, S. B. A., Azdaou, C., Oliemat, E. M., & Jamil, H. J. The effects of COVID-19 and collective identity trauma (intersectional discrimination) on social status and well-being. Traumatology. 2020: doi: 10.1037/trm0000289.

2Rutter P.D., Mytton O.T., Mak M., Donaldson L.J. Socio-economic disparities in mortality due to pandemic influenza in England. Int J Public Health. 2012 Aug;57(4):745-50. doi: 10.1007/s00038-012-0337-1.

3Johnson, S. (2006). The Ghost Map: The Story of London’s Most Terrifying Epidemic—and How It Changed Science, Cities, and the Modern World. Riverhead Books.

4dpa (2021). Corona-Erfahrungen: Osnabrücker schreiben gemeinsam an Buch. www.sueddeutsche.de/kultur/literatur-osnabrueck-corona-erfahrungen-osnabruecker-schreiben-gemeinsam-an-buch-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-210206-99-325636 (10.2.2021).

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