Ein Mann in einem Flur der FH.© FH Kiel

„Wie wird man eigentlich Professor*in?“: Dirk Hauschildt

von Aenne Boye

Professor Dirk Hauschildt blickt auf mehr als 20 Jahre an der FH Kiel zurück, in denen er Wirtschaftsinformatik lehrte. Ende Februar 2020 geht er in den Ruhestand. Aenne Boye sprach mit ihm über seine Zeit vor der Professur und wie er über Umwege schließlich an die FH Kiel kam und nicht mehr ging.

Herr Hauschildt, Sie bezeichnen die Professur an der FH Kiel als Ihren persönlichen Traumberuf. Wieso?

Das hat viele Gründe. Unter anderem lehre ich leidenschaftlich gerne. Immer wenn ich im Hörsaal stehe, geht mir das Herz auf. Auch habe ich insgesamt zehn Jahre lang einen Lehrauftrag in Istanbul an der Marmara Universität gehabt. Dabei handelte es sich um einen deutschsprachigen Studiengang, der als Gemeinschaftsprojekt von Deutschland und der Türkei betrieben wurde. Zweimal im Jahr bin ich in der vorlesungsfreien Zeit für eine Woche angereist. So habe ich auch einen Austausch zwischen deutschen und türkischen Studierenden entwickelt. Daraus sind sogar zwei Ehen entstanden – bei beiden war ich auf der Hochzeit eingeladen.

Außerdem habe ich es mir zu meinem Auftrag gemacht, Studierende zu betreuen, die Probleme damit haben, ihr Studium zu beenden. Beispielsweise habe ich zwei Studierenden aus dem 45. Semester dabei geholfen, ihre Diplomarbeit zu schreiben. Eine weitere Herzensangelegenheit von mir ist das interne Wochenendseminar für die Lehrenden des Fachbereichs Wirtschaft, das ich alle zwei Jahre organisiere. Auch habe ich gerne Studienreisen für Wirtschaftsinformatiker veranstaltet. Unter anderem waren wir in Russland, Indien, China und Amerika.

Dabei war es in Ihrer Schulzeit erst gar nicht klar, ob Sie das Abitur schaffen.

Das stimmt. Damals bin ich wegen fehlenden Leistungen vom Gymnasium in Schleswig geflogen. Ich war zwar naturwissenschaftlich sehr begabt, aber auch Legastheniker. Als solcher hatte ich es an der Domschule in Schleswig nicht leicht, denn Legasthenie war damals noch keine anerkannte Krankheit. Zu dieser Zeit hatte ich aber auch den Schlüsselmoment, bei dem mir klar wurde, dass ich mal an der FH Kiel lehren will: An einem grauen, tristen Februartag im Jahr 1968, der meiner Stimmung entsprach, weil mir der Schulabgang von der Domschule bevorstand, fuhr ich an der Ingenieurschule in Kiel vorbei. Da beschloss ich, dort einmal als Lehrender zu landen.

Wie haben Sie es hinbekommen, Ihr Abitur doch noch mit Bestnoten zu bestehen?

Nachdem ich aus der Schleswiger Domschule ausgeschieden war, wechselte ich an das staatliche Internat der Friedrich-Paulsen-Schule in Niebüll. Dort legte sich bei mir ein Schalter um. In Niebüll spielten die Naturwissenschaften eine größere Rolle, und die Legasthenie stand mir nicht mehr so im Weg, sodass ich mein Abitur als Jahrgangsbester abschloss.

Warum entschieden Sie sich nach dem Abitur für ein Physikstudium?

Zunächst wollte ich unbedingt Mathematik studieren. Meine Schwester hatte aber gerade ihr Mathestudium für ein Medizinstudium eingetauscht, weil es ihr zu schwer war. Da ich sie für klüger als mich hielt, entschied ich mich für ein Studium der Physik an der Technischen Universität Berlin. Nach dem Vordiplom wechselte ich nach Marburg an die Philipps Universität, weil mir Berlin zu groß war. Dort schloss ich mein Studium ab und promovierte anschließend.

Wie sind Sie dann zur Ihrer Stelle beim Drägerwerk in Lübeck gekommen?

Ich bewarb mich deutschlandweit, und obwohl es damals eine wirtschaftlich schwierige Zeit war, gab es einige Angebote. Ich hätte auch zu Siemens nach Bayern gehen können, aber da wurde die Lehrerausbildung meiner Frau nicht anerkannt. Meine Schwester arbeitete in Lübeck als Ärztin und riet mir dazu, mich bei Dräger zu bewerben. Bei dem Unternehmen war ich drei Jahre in der Entwicklung tätig, aber auf Dauer war mir die Arbeit im Labor zu kleinteilig, weshalb ich ins Marketing wechselte.

Wenn Ihnen Ihre Arbeit beim Drägerwerk so gut gefiel, wieso sind Sie zu Philips gewechselt?

Dräger war meine Traumfirma, aber durch Zufall las ich in der Frankfurter Allgemeinen im Urlaub von einer Stelle, die wie die Faust aufs Auge auf mich passte. Ich bewarb mich, stellte aber hohe Bedingungen, die erfüllt sein mussten, damit sich die Fahrzeit nach Hamburg lohnen und ich meinen Job bei Dräger aufgeben würde. Erstaunlicherweise stimmte Philips zu.

In der Zeit hatten Sie Ihren Entschluss wegen der Lehrstelle an der FH Kiel aus den Augen verloren. Wie sind sie zurück an die FH gelangt?

Im Jahr 1996 bewarb ich mich am Fachbereich Maschinenwesen an der FH Kiel für die Professur Mikrosystemtechnik. Die Stelle wurde allerdings während des Bewerbungsverfahrens von der Landesregierung gestrichen, deshalb ging ich an die FH Köln in Gummersbach und erhielt dort die Professur für Informatik. Meine Frau wollte allerdings in Lübeck bleiben, deshalb bewarb ich mich in Wismar für die Professur für Informatik. Es gab allerdings Probleme mit den Konditionen. Trotzdem sagte ich erst einmal zu. Dann sah ich durch Zufall die Annonce für die Professur für Wirtschaftsinformatik an der FH Kiel – das Ziel aus meinen jugendlichen Träumen. Nachdem ich eine Nacht schlecht geschlafen hatte, bewarb ich mich. Ich erhielt den Ruf. Nun war das Problem, dass ich schon in Wismar zugesagt hatte. Ich wollte die Kollegen in Wismar nicht hängen lassen und fuhr aus diesem Grund ins Ministerium nach Schwerin, um über die Konditionen zu verhandeln. Die Verantwortlichen konnten mir aber kein besseres Angebot unterbreiten. Deshalb entschied ich mich für die FH Kiel.

Zu guter Letzt: Was sind nach 20 Jahren Lehre an der FH Kiel Ihre Pläne für die Rente?

Meine Frau würde gerne ein halbes Jahr nach Neuseeland. Ich könnte mir das auch gut vorstellen, obwohl ich gerne in Norddeutschland lebe. Auch die Reise vielleicht nicht klappt, ist für mich wichtig, die Neugier auf neue Dinge zu behalten und Sachen auszuprobieren.

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