ein Mann im Portrait vor einem Gebäude© H. Börm

Wie wird man eigentlich Professor*in?: Prof. Dr. Boris Pawlowski

von Mariesa Charlotte Brahms

Als Boris Pawlowski 1996 im Rahmen eines Forschungsstipendiums sein Studium der Medienwissenschaft an der CAU in das dänische Odense verlagerte, erfuhr er die skandinavische Art der Lehre. Der persönliche Kontakt und besonders die gemütlichen Diskussionsrunden im Haus eines Dozenten haben seine Zeit als Student bereichert. Zurück in Kiel promovierte der gebürtige Nordfriese über kommunistische und nationalsozialistische Propaganda am Beispiel des spanischen Bürgerkrieges. Seine Promotion finanzierte er sich zum Teil über seine Tätigkeit als Redenschreiber, der er bis heute nachgeht. Als unabhängiger PR-Berater hat er um die Jahrtausendwende die Pressestelle der Kieler Stadtverwaltung auf Vordermann gebracht, um nach gelungener Zusammenarbeit als Leiter der neugegründeten Kommunikationsabteilung dort zu bleiben. Nach zehn Jahren wechselte er an die Christian-Albrechts-Universität und war dort als Pressesprecher unter anderem für Politische und Wissenschaftskommunikation, das Veranstaltungsmanagement und Marketing zuständig. Viel Wert hat Boris Pawlowski stets auf seine Unabhängigkeit als Freiberufler gelegt und da hat sich über die Jahre so einiges an Erfahrung angesammelt. Die gibt er auf dem Campus der Fachhochschule an seine Studierenden weiter.

Prof. Dr. Boris Pawlowski

Was hat Sie zum Wechsel von der CAU an die Fachhochschule bewegt?

Ich arbeite jetzt 20 Jahre in meinem Beruf. Und obwohl ich mich immer eher als Praktiker gesehen habe und weniger als Theoretiker, fand ich die Lehre immer interessant. An der CAU hatte ich einen Lehrauftrag für Medienpädagogik. Was ich daran spannend fand, war neben dem Beruf den Kontakt zur Wissenschaft und zu neuen Entwicklungen zu halten. Als ich dann die Ausschreibung der Fachhochschule gesehen habe, wollte ich es einmal versuchen. Ich wollte einfach gucken, ob ich überhaupt genommen werde. So einfach war das eigentlich. Natürlich geht mit so einer Bewerbung ein langes Verfahren einher. Man muss zum Beispiel eine Probevorlesung halten. Andersherum lerne ich in jedem Seminar etwas von den Beiträgen der Studierenden. Das hält frisch und nachdem ich viele große Projekte wie beispielsweise die Jubiläen der Kieler Woche oder der CAU begleitet und kommuniziert habe, freue ich mich jetzt, für „die andere Seite“ zu arbeiten. Das Gute – ich war ja nie wirklich raus aus dem wissenschaftlichen Arbeiten, ich war ja an der Uni.

Also war die Lehre für Sie nie ein gestecktes Ziel?

Für Promovierte ist die akademische Karriere oftmals das A und O. Wenn man dann aus diesem geschützten Raum der Universität heraustritt, ich nenne es auch gerne das „Reservat“, muss man sich erstmal in der Berufswelt beweisen. Das ist natürlich eine Umstellung. So war das auch für mich. Die Projekte und meine Stellung als Führungskraft haben mich dann auf Trab gehalten. In der Zeit habe ich auch viel gelernt, denn die Herausforderung bestand ja darin, den Laden zusammenzuhalten, die Finanzen im Blick zu behalten, solche Dinge eben. Den Beruf als Lehrender kann man damit nicht vergleichen, der hat dann andere Ansprüche. Die Erwartungen der Studierenden an die Lehrenden sind zu recht hoch, da will ich mich auch bewähren. Darauf freue ich mich aber, das macht mir Spaß. Ich bin der Auffassung, dass man auch nach langjähriger Berufserfahrung nicht ausgelernt hat und immer etwas Neues mitnehmen kann.

Was ist der größte Unterschied zwischen Lehre und Praxis?

So groß ist der gar nicht. Als Sprecher in einer großen Institution stehe ich permanent im Kreuzfeuer von verschiedensten Stakeholder-Anforderungen. Das ist ein  24/7-Job. Man muss zu jeder Zeit zu jedem erdenklichen Thema sprechfähig sein. Um das zu können, muss ich Akten durchwälzen, mich einarbeiten, in Gremien sitzen. Diese Tage sind lang. Es ist ein allumfassender Job, genau wie die Professur. Man ist wirklich berufen. Und man beschäftigt sich ständig damit. In allen möglichen Sachen sieht man dann Inhalte für die nächsten Übungen. Dahingehend hat sich für mich nicht viel geändert. Die Anforderung sind auch ähnlich – beispielsweise bleiben die systemischen Anforderungen bestehen, wie etwa die Verwaltungs- und Prüfungsangelegenheiten. In der Medienbranche muss man immer auf dem neuesten Stand bleiben, weil die eben so hochdynamisch ist. Einzig die Termine sind weniger geworden. Das finde ich schön, weil ich nun viel selbstbestimmter arbeiten kann.

Welches ist das dankbarere Publikum?

Beide Seiten haben ihren Reiz und ihre Anforderungen (lacht). Als Pressesprecher musste ich permanent meine persönliche Auffassung zurückstellen. Ein Gebot der Professionalität. Und ich musste die Schnittmenge aller Interessen des Hauses als eine Haltung meiner Arbeitgeber, also beispielsweise der CAU, nach außen transferieren. Das ist anstrengend, ich stand immer unter Strom. Wenn ich dann vor die Öffentlichkeit getreten bin, war das immer ein Wagnis, ich hätte ja total in die Tonne greifen können. Ich musste unendlich viele Faktoren beachten – jedes unbedachte Wort könnte ja missverständen oder falsch interpretiert werden. Dieser Druck ist aber auch ein bisschen wie ein Adrenalin-Kick. Als Professor habe ich jetzt eine unglaublich hohe Verantwortung gegenüber jungen Menschen, die noch in ihrer Entwicklung sind. Und ich muss deshalb auch gut aufpassen, was ich sage. Genau genommen muss ich als Professor genauso professionell sein wie als Pressesprecher. Wenn ich den Studierenden Mist erzähle, wird das potenziert und hat auch Folgen. Ich würde da also gar nicht unterscheiden wollen, sondern eher die Auswirkungen betrachten. Im Zweifel sind die in beiden Gruppen erheblich.

Können Sie sich noch an eine Professorin oder einen Professor erinnern, die oder der Sie als Student nachhaltig geprägt hat? Und von denen Sie etwas mitnehmen in Ihre Professur?

Tatsächlich gab es da zwei. An einen Dozenten kann ich mich gut erinnern, weil er mir äußerst sympathisch war. Dadurch habe ich dann das Gefühl bekommen, an der großen Universität meinen Platz gefunden zu haben. Zum anderen war später mein Doktorvater sehr prägend für mich. Er hat mir die nötige Struktur vermittelt. Zu der Zeit war ich an vielen Sachen interessiert und eher unstrukturiert. Die Fähigkeit, sauber zu arbeiten und klar zu denken, hat er mir beigebracht. Dafür bin ich ihm sehr dankbar, denn es reicht eben nicht immer nur, Talent zu haben. Man muss die Sachen auch in eine Ordnung bringen, damit sie umzusetzen sind.

Heute sind Sie selbst Professor. Haben Sie so etwas wie einen Leitsatz?

Mir ist der Respekt wichtig. Dadurch, dass ich die Studierenden bewerten muss, gibt es schon einen großen Machtunterschied, und das schüchtert oft ein. Ich möchte meine Studierenden lehren, zu denken und sich selbst zu vertrauen. Sich ein eigenes Urteil zu bilden und begründen zu können, ist eine Kernkompetenz. Das ist auch deshalb wichtig, weil man erst dann wirklich in den Dialog gehen kann, wenn man sich und seine Gedanken ausdrücken kann. Man kann das trainieren, und das sollte man auch tun. Weil das eben so grundsätzlich ist für das demokratische System, in dem wir leben.  Was ich überhaupt nicht vertrete, ist, wenn man darauf besteht, die Welt bereits verstanden zu haben und andere bekehren zu wollen. Die Welt ist viel komplizierter, als wir es in unserem westlichen Wohnzimmern vermuten. Ethisch und moralisch sind viele Dinge komplexer, als wir es uns vorstellen können, deshalb sollte man sich immer in Bescheidenheit üben. Und das stelle ich dann auch gerne ins Zentrum der Diskussion.

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