Masha Tsiptsiura (links) und Krystyna Zeleniuk bei ihrem Gastvortrag an der FH Kiel. Foto: Leon Gehde© L. Gehde
Masha Tsiptsiura (links) und Krystyna Zeleniuk bei ihrem Gastvortrag an der FH Kiel.

Journalismus in Zeiten des Krieges

von Leon Gehde

Es war ein Gastvortrag mit sehr ernstem und aktuellem Hintergrund: Am Nachmittag des 29. November 2022 versammelten sich Professoren und Studierende unterschiedlicher Studiengänge des Fachbereichs Medien im kleinen Hörsaalgebäude der FH Kiel. Im Rahmen des Moduls Ökonomie und Ethik der Medien des Masterstudienganges Medienkonzeption hielten die beiden ukrainischen Journalistinnen Masha Tsiptsiura und Krystyna Zeleniuk einen Vortrag über ihre Arbeit in Zeiten des russischen Angriffs auf ihre Heimat. Sie beantworteten Fragen der Zuhörer*innen und berichteten als Betroffene mitunter Erschütterndes aus dem Krieg. Zum Schluss gab es stehende Ovation von einem Teil der Studierenden.

„Niemand hat die Ukrainer so geeint, wie Putin“, sagte Tsiptsiura. Sie und Zeleniuk erzählten von den schwierigen Arbeitsbedingungen ohne Strom oder Internet. Im Krieg würden andere Regeln gelten, erklärt Zeleniuk: „Wenn ich einen Soldaten interviewe, werde ich vorher gründlich durchgecheckt – ich könnte ja Spionin sein.“ Tsiptsiura fügt hinzu: „Du musst darauf achten, seine Position nicht zu verraten, sonst könnte er getötet werden. Die Russen lesen nämlich mit.“ Etwas später entbrannte eine Diskussion, inwiefern man als ukrainische Journalistin Distanz, auch zu den Angaben der eigenen Regierung, wahren sollte und kann. Die beiden Frauen berichten auch über ihre eigene Angst, über schwarze Listen mit Namen von Journalist*innen, die man nach der Befreiung von Butscha in russischen Unterlagen gefunden habe.

Krystina Zeleniuk ist Leiterin des Auslands-Ressorts des Ukrainischen TV-Senders 1+1. Sie ist spezialisiert auf Sicherheitsfragen und Desinformation, berichtete etwa von NATO-Gipfeltreffen oder der Münchner Sicherheitskonferenz. Kollegin Masha Tsiptsiura war unter anderem stellvertretende Chefredakteurin der Tageszeitung „Segodnya“ und ist Mitglied des Ukrainischen Journalistenverbandes. Die Stiftung Kieler Presse Klub e.V. unterstützt Journalist*innen in Not und finanzierte den mehrwöchigen sicheren Aufenthalt der beiden Frauen in Kiel. Prof. Dr. Christian Möller unterhält Beziehungen zum Kieler Presse Klub und konnte die Ukrainerinnen so für den Vortrag an der FH Kiel gewinnen.

In der zweiten Hälfte des Vortrages nahm die Intensität nochmal zu. Auf die Frage einer Studierenden, was das Eindringlichste war, das sie erlebt hätten, schilderten die Ukrainerinnen Erlebnisse, die sie bei Berichten hinter der Front machten. Spürbar mitgenommen erzählten sie etwa von Zivilisten, die anscheinend beim Wasser holen an einem Brunnen getötet worden waren. Auch sie selbst hätten bereits viele Freunde und Bekannte verloren. Ob sie jemals darüber nachgedacht hätten, ihre Jobs als Journalistinnen aufzugeben, will eine weitere Studierende wissen. „Ja, jeden Tag… Nein natürlich nicht“, scherzte Zeleniuk. Sie und Tsiptsiura lachen kurz, bevor Tsiptsiura hinzufügte: „Wir machen weiter, um die Menschen aufzuklären, was passiert.“

Möller moderierte schließlich ab, bedankte sich für die ehrlichen Antworten und wünschte den Journalistinnen alles Gute. Die Ukrainierinnen bedankten sich unter Applaus. Einige Studierende standen dabei sogar auf. Für den Folgetag planten Zeleniuk und Tsiptsiura bereits ihre Rückreise in die Ukraine, um weiter von dort zu berichten.

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