Schutz von Kin­dern und Ju­gend­li­chen im or­ga­ni­sier­ten Sport

Ur­sa­chen, Prä­ven­ti­ons- und In­ter­ven­ti­ons­maß­nah­men bei se­xua­li­sier­ter Ge­walt (Safe­S­port)

Pro­jekt­da­ten

Lauf­zeit
Ok­to­ber 2014 - De­zem­ber 2017

Pro­jekt­ver­ant­wort­li­che
Dr. Bet­ti­na Ru­lofs/ Prof. Dr. Ilse Hart­mann-Tews, Deut­sche Sport­hoch­schu­le Köln
Dr. Marc All­rog­gen/ Dr. Thea Rau, Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Ulm

Kon­takt
ru­lofs(at)dshs-koeln.de
theaan­dre­adia­ne.rau(at)uni­kli­nik-ulm.de

Hin­ter­grund des Pro­jekts

Der Deut­sche Olym­pi­sche Sport­bund (DOSB) zählt mehr als 27 Mil­lio­nen Mit­glied­schaf­ten in über 90.000 Turn- und Sport­ver­ei­nen. Seine Ju­gend­or­ga­ni­sa­ti­on, die Deut­sche Sport­ju­gend (dsj), re­prä­sen­tiert mit über zehn Mil­lio­nen jun­gen Men­schen den grö­ß­ten frei­en Trä­ger der Kin­der- und Ju­gend­hil­fe in Deutsch­land. Der or­ga­ni­sier­te Sport ge­hört somit in Deutsch­land mit zu den wich­tigs­ten Orten für Frei­zeit­ak­ti­vi­tä­ten von Kin­dern und Ju­gend­li­chen. Die im Sport ent­ste­hen­de Nähe und Bin­dung kön­nen je­doch auch das Ri­si­ko se­xua­li­sier­ter Ge­walt ber­gen. Das Pro­jekt »Safe Sport« setzt hier an und möch­te dazu bei­tra­gen, Sport­or­ga­ni­sa­tio­nen als ver­läss­li­che und si­che­re Orte für Kin­der und Ju­gend­li­che zu stär­ken.

Fra­ge­stel­lung

Wel­che und wie viele Vor­fäl­le se­xua­li­sier­ter Ge­walt sind in Sport­or­ga­ni­sa­tio­nen be­kannt und wie wurde bis­her damit um­ge­gan­gen?

Wie ist der Um­set­zungstand zur Im­ple­men­tie­rung von Kin­der­schutz­maß­nah­men im or­ga­ni­sier­ten Sport in Deutsch­land?

Wo­durch ist das An­for­de­rungs-, Er­fah­rungs- und Auf­ga­ben­pro­fil von Be­auf­trag­ten für die Prä­ven­ti­on se­xua­li­sier­ter Ge­walt in den Sport­or­ga­ni­sa­tio­nen ge­kenn­zeich­net?

Stu­die

Das Ver­bund­pro­jekt be­steht aus fünf Mo­du­len:

  1. Modul: Teil­stan­dar­di­sier­te Er­he­bung mit Ex­per­t_in­nen der ca. 180 zen­tra­len Or­ga­ni­sa­tio­nen und Ein­rich­tun­gen des Sports zur Frage, in­wie­weit die Im­ple­men­tie­rung von Kin­der­schutz bis­her um­ge­setzt wurde.
  2. Modul: Pro­blem­zen­trier­te In­ter­views mit etwa 32 Ak­teur_in­nen aus 16 Sport-Or­ga­ni­sa­tio­nen zu den hem­men­den und för­der­li­chen Be­din­gun­gen für den Kin­der­schutz in Sport­or­ga­ni­sa­tio­nen.
  3. Modul: 1.7999 Ka­der­ath­let_in­nen aus ver­schie­de­nen Sport­ar­ten und -ver­bän­den wur­den zu Aus­maß, For­men und Fol­gen von se­xua­li­sier­ter Ge­walt im Sport in einer stan­dar­di­sier­ten On­line-Er­he­bung be­fragt.
  4. Modul: Be­fra­gung von gut 13.000 Sport­ver­ei­nen im Rah­men des Sport­ent­wick­lungs­be­richts zur Frage, in­wie­fern Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men auf Ver­eins­ebe­ne um­ge­setzt wer­den.
  5. Modul: Stan­dar­di­sier­te Be­fra­gung von Re­fe­ren­t_in­nen und über 100 Teil­neh­mer_in­nen von Qua­li­fi­zie­rungs­maß­nah­men zu drei Mess­zeit­punk­ten, um die Fort­bil­dun­gen für u.a. Trai­ner_in­nen und Übungs­lei­ter_in­nen im Sport zu eva­lu­ie­ren.

Aus­ge­wähl­te Er­geb­nis­se

  1. Etwa ein Drit­tel aller be­frag­ten Ka­der­sport­ler_in­nen hat schon ein­mal eine Form von se­xua­li­sier­ter Ge­walt im Sport er­fah­ren. Ei­ne_r von neun be­frag­ten Ka­der­sport­ler_in­nen hat schwe­re und/oder län­ger an­dau­ern­de se­xua­li­sier­te Ge­walt im Sport er­fah­ren. Se­xua­li­sier­te Ge­walt ist im Be­reich des or­ga­ni­sier­ten Leis­tungs- und Wett­kampf­sports ge­nau­so prä­sent wie in der All­ge­mein­be­völ­ke­rung.
  2. Ka­der­ath­le­tin­nen sind si­gni­fi­kant häu­fi­ger von se­xua­li­sier­ter Ge­walt be­trof­fen als Ath­le­ten.
  3. Die Mehr­heit der be­trof­fe­nen Ka­der­ath­let_in­nen ist bei der ers­ten Er­fah­rung se­xua­li­sier­ter Ge­walt unter 18 Jahre alt.
  4. Ka­der­sport­ler_in­nen mit Mi­gra­ti­ons­hin­ter­grund oder Be­hin­de­rung sind nicht häu­fi­ger von se­xua­li­sier­ter Ge­walt be­trof­fen als Ka­der­sport­ler_in­nen ohne Mi­gra­ti­ons­hin­ter­grund oder Be­hin­de­rung.
  5. Rund 2% der Sport­ver­ei­ne in Deutsch­land be­rich­ten von kon­kre­ten Ver­dachts-/Vor­fäl­len se­xua­li­sier­ter Ge­walt in den Jah­ren 2011 bis 2015.
  6. In Ver­ei­nen mit einer klar kom­mu­ni­zier­ten „Kul­tur des Hin­se­hens und der Be­tei­li­gung“ ist das Ri­si­ko für alle For­men se­xua­li­sier­ter Ge­walt si­gni­fi­kant ge­rin­ger.
  7. Die Hälf­te der be­frag­ten Ver­ei­ne schätzt die Prä­ven­ti­on se­xua­li­sier­ter Ge­walt als ein re­le­van­tes Thema für Sport­ver­ei­ne ein, gut ein Drit­tel gibt an, sich aktiv gegen se­xua­li­sier­te Ge­walt im Sport ein­zu­set­zen.
  8. Se­xua­li­sier­te Ge­walt im Sport wird so­wohl durch Er­wach­se­ne als auch durch Ju­gend­li­che aus­ge­übt. Se­xua­li­sier­te Ge­walt unter Gleich­alt­ri­gen im Sport tritt dabei ins­be­son­de­re in Form von se­xua­li­sier­ter Ge­walt ohne Kör­per­kon­takt auf.
  9. Die Prä­ven­ti­on se­xua­li­sier­ter Ge­walt wird bun­des­weit vor allem durch das En­ga­ge­ment der Lan­des­sport­bün­de und ihren Sport­ju­genden be­ar­bei­tet und ist in na­he­zu allen Bun­des­län­dern in Qua­li­fi­zie­rungs­maß­nah­men ver­an­kert.
  10. Alle Lan­des­sport­bün­de, 40%  der Spit­zen­ver­bän­de und 23% der Ver­bän­de mit be­son­de­ren Auf­ga­ben haben in den Jah­ren 2011 bis 2015 von Vor­fäl­len oder Ver­dachts­fäl­len se­xua­li­sier­ter Ge­walt er­fah­ren und sich in ver­schie­de­nen For­men, z.B. durch Be­ra­tun­gen der Ver­ei­ne, an der Be­ar­bei­tung der Fälle be­tei­ligt.

Pra­xis­be­zug

Ein zen­tra­ler Be­fund des Pro­jek­tes ist, dass se­xua­li­sier­te Ge­walt auch im Wett­kampf- und Leis­tungs­sport vor­kommt und zwar nicht häu­fi­ger oder sel­te­ner als in der All­ge­mein­be­völ­ke­rung. Auch Sport­ver­bän­de und -ver­ei­ne ste­hen daher in der Ver­ant­wor­tung, den Schutz von Kin­dern und Ju­gend­li­chen vor se­xua­li­sier­ter Ge­walt zu ge­währ­leis­ten. Im Rah­men des Pro­jekts wer­den da­ten­ba­siert Ak­ti­vi­tä­ten zur Prä­ven­ti­on und In­ter­ven­ti­on se­xua­li­sier­ter Ge­walt im Sport wei­ter­ent­wi­ckelt.

Pu­bli­ka­tio­nen

Ver­öf­fent­licht:

Oh­lert, Jean­ni­ne; Rau, Thea; All­rog­gen, Marc (2017): Prä­va­lenz und Cha­rak­te­ris­ti­ka se­xua­li­sier­ter Ge­walt im Spit­zen­sport in Deutsch­land. In: Leis­tungs­sport; 47. S. 44-47.

Ru­lofs, Bet­ti­na; Hart­mann-Tews, Ilse; Bartsch, Fa­bi­en­ne; Oh­lert, Jean­ni­ne; Rau, Thea; Schrö­er, Meike, Seid­ler, Co­rin­na; Wag­ner, Ingo; All­rog­gen, Marc (2017): Se­xua­li­sier­te Ge­walt im or­ga­ni­sier­ten Sport: Das For­schungs­pro­jekt "Safe Sport". In: Leis­tungs­sport (2). S. 22-23.

Ru­lofs, Bet­ti­na; Oh­lert, Jean­ni­ne; Wag­ner, Ingo; Hart­mann-Tews, Ilse (2017): Se­xua­li­sier­te Ge­walt im Sport und das En­ga­ge­ment der Sport­ver­bän­de zur Prä­ven­ti­on. In: Im­pul­se - Das Wis­sen­schafts­ma­ga­zin der Deut­schen Sport­hoch­schu­le Köln (1). S. 18-23.

Ru­lofs, Bet­ti­na (2016): "Jeder hat es ge­se­hen. … Kei­ner hat was ge­sagt.". Macht­miss­brauch und se­xua­li­sier­te Ge­walt im Kin­der- und Ju­gend­sport. In: Sport und Ge­sell­schaft 13 (1). S. 73-101.

Ru­lofs, Bet­ti­na (Hrsg.) (2016): »Safe Sport« Schutz von Kin­dern und Ju­gend­li­chen im or­ga­ni­sier­ten Sport in Deutsch­land. Erste Er­geb­nis­se des For­schungs­pro­jek­tes zur Ana­ly­se von Häu­fig­kei­ten, For­men, Prä­ven­ti­ons- und In­ter­ven­ti­ons­maß­nah­men bei se­xua­li­sier­ter Ge­walt. Köln: Deut­sche Sport­hoch­schu­le Köln.

Ru­lofs, Bet­ti­na (2015): Se­xua­li­sier­te Ge­walt. In: Schmidt, Wer­ner et al. (Hrsg.): Drit­ter Deut­scher Kin­der- und Ju­gend­sport­be­richt. Schorn­dorf: Hof­mann. S. 370-392.

In Vor­be­rei­tung:

Ru­lofs, Bet­ti­na; Wag­ner, Ingo; Hart­mann-Tews, Ilse: Prä­ven­ti­on se­xua­li­sier­ter Ge­walt an Olym­pia­stütz­punk­ten. In: Leis­tungs­sport. In Ar­beit.