Lehre von zu Hause – wie drei Do­zent*innen das Home Of­fice meis­tern

Einen solch ein­zig­ar­ti­gen Se­mes­ter­start, wie zu die­sem Som­mer­se­mes­ter, hat es wahr­schein­lich noch nie ge­ge­ben. Da saßen die neuen Mas­ter-Erstis an einem Tag noch in ihren Ein­füh­rungs­ver­an­stal­tun­gen und am nächs­ten Tag hieß es dann: alle Prä­senz­vor­stel­lun­gen sind ab­ge­sagt. So muss­ten sich nicht nur alle Stu­die­ren­den um­ge­wöh­nen, son­dern auch alle Leh­ren­den in­ner­halb eines Wo­chen­en­des von Prä­senz- zur On­line-Lehre wech­seln. Aber wie funk­tio­niert ei­gent­lich die Lehre von zu Hause? Wie un­ter­schei­det sie sich von Prä­senz­ver­an­stal­tun­gen? Und was kann man viel­leicht aus die­ser Zeit für die Zu­kunft mit­neh­men? Drei Do­zent*innen des Fach­be­rei­ches Wirt­schaft er­zäh­len von ihren Er­fah­run­gen und Ein­drü­cken der letz­ten zwei tur­bu­len­ten Wo­chen.

Prof. Dr. Ma­nu­el Ste­ge­mann wohnt zur­zeit noch in Müns­ter. Nor­ma­ler­wei­se pen­delt er zur Fach­hoch­schu­le. In sei­ner Woh­nung muss­te nun der nur sel­ten ge­nutz­te Schreib­tisch re­ak­ti­viert wer­den. Um über­haupt eine Art ab­ge­trenn­ten Ar­beits­raum zu bauen, hängt ein Bett­la­ken be­helfs­mä­ßig quer durch den Raum. Bei Prof. Dr. Sas­kia Bo­chert hin­ge­gen wurde der Ess­tisch zweck­ent­frem­det und zum Ar­beits­platz um­funk­tio­niert. Da ihr Mann mo­men­tan auch im Home-Of­fice ar­bei­tet, müs­sen seine Te­le­fon­kon­fe­ren­zen und ihre On­line-Lehre ko­or­di­niert wer­den. Auch wenn manch­mal nur ein bis zwei Mi­nu­ten zwi­schen den Kon­fe­ren­zen lie­gen und der Puls immer ein wenig steigt, funk­tio­niert die Ko­or­di­na­ti­on bis jetzt gut. Für Prof. Dr. Anja Wie­busch sind die Wahr­schein­lich­kei­ten bei der Ar­beit ab­ge­lenkt zu wer­den ge­rin­ger. Die Ar­beits­räu­me ihres Man­nes und ihrer Kin­der lie­gen weit ver­streut im Haus. Sie und Prof. Dr. Ste­ge­mann sind nicht die ein­zi­gen, die bis­her noch keine Er­fah­run­gen mit dem Hal­ten von On­line-Vor­le­sun­gen ge­macht haben. Auch die Platt­form "Zoom" war für viele der Do­zent*innen Neu­land, das erst ein­mal ver­in­ner­licht wer­den muss­te.

Prof. Dr. Sas­kia Bo­chert lehr­te hin­ge­gen zuvor be­reits on­line (eben­falls an der FH Kiel). Trotz­dem, sagt sie, un­ter­schei­den sich ihre Lehr­me­tho­den. An­ders als in der re­gu­lä­ren On­line-Lehre an einem in­ter­ak­ti­ven E-Book, ori­en­tiert sich die Do­zen­tin mo­men­tan noch an den Vor­le­sungs­skrip­ten der Prä­senz­leh­re. Da diese di­dak­tisch an­ders auf­ge­baut sind, er­gänzt sie ihre ver­kürz­ten On­line-Mee­tings um Übungs­auf­ga­ben und ge­ne­rel­le Fra­gen-Foren für die Stu­die­ren­den. Die Durch­füh­rung von On­line-Lehre sei all­ge­mei­ner etwas an­stren­gen­der. „Da die Ab­len­kun­gen der Teil­neh­mer grö­ßer sind als wäh­rend der Prä­senz­leh­re, muss man als Leh­ren­de sehr kon­zen­triert sein und ver­su­chen, die Stu­die­ren­den nicht an die mög­li­chen Ab­len­kun­gen (die ich als Leh­ren­de ja nicht sehe) zu ver­lie­ren.“

Auch Prof. Dr. Ste­ge­mann sieht eine Her­aus­for­de­rung darin, die Kom­mu­ni­ka­ti­on wäh­rend On­line-Vor­le­sun­gen auf­recht zu er­hal­ten. Er weist seine Stu­die­ren­den ex­pli­zit dar­auf hin, dass Rein­ru­fen er­wünscht und Un­ter­bre­chun­gen nicht un­höf­lich sind. Auch er struk­tu­riert seine Vor­le­sungs­skrip­te zur­zeit zu On­line-Skrip­ten um. Die­ses Pro­ze­de­re nimmt mit­un­ter auch mal mehr Zeit in An­spruch, als die Vor­be­rei­tung von Prä­senz­ver­an­stal­tun­gen. Bei­spiels­wei­se hat er sich mit zwei wei­te­ren Do­zen­ten in den Mo­du­len Mar­ke­ting I und II die elf The­men­ge­bie­te auf­ge­teilt. Jeder Do­zent pro­du­ziert nun Lehr­vi­de­os über die je­wei­li­gen The­men­fel­der. Auch wenn dies enorm viel Ar­beit be­deu­tet, ist für ihn die Me­tho­de für Mo­du­le mit gro­ßer Teil­neh­mer­zahl die pas­sends­te. So kön­nen die 120 bis 150 Stu­die­ren­den asyn­chron ler­nen. Im Se­mes­ter­plan wech­seln sich wö­chent­lich Lehr­vi­de­os und On­line-Mee­tings ab. Prof. Dr. Ste­ge­mann er­klärt auch, dass es für ihn in die­ser Zeit des Leh­rens nicht DIE Me­tho­de gäbe. Un­ter­schied­li­che Rah­men­be­din­gun­gen lie­ßen sich nur mit fle­xi­blen Lehr­me­tho­den be­wäl­ti­gen. Es komme immer auf die Grup­pen­grö­ße und die Art des Fachs und Wahl-/Pflicht­mo­dul an. Er ist sich noch nicht si­cher, wel­ches die bes­se­re Lehr­form dar­stellt.

Ein Punkt, der sich eben­falls von der Prä­senz­ver­an­stal­tung un­ter­schei­det, ist der per­sön­li­che Kon­takt zu Stu­die­ren­den. "Eine In­ter­ak­ti­on komme wäh­rend der Mee­tings nicht so wie ge­wohnt zu­stan­de", sagt Prof. Dr. Wie­busch. Sie liebe den Kon­takt mit Men­schen, eine On­line-Lehre könne die­sen nur be­dingt er­set­zen. Auch den Kon­takt zu ihren Kol­leg*innen ver­mis­se die Do­zen­tin. „Die On­line-Lehre ist da zu­min­dest eine gute Mög­lich­keit, in Zei­ten der Iso­la­ti­on über­haupt mit der Um­welt in Kon­takt zu tre­ten. Ich bin sehr froh, die Stu­die­ren­den mor­gens ge­sund und mun­ter vor ihren Bild­schir­men an­zu­tref­fen oder mich mit mei­nen Kol­leg*innen über ein On­line-Mee­ting aus­zu­tau­schen. Das gibt ein Ge­fühl der Nor­ma­li­tät in die­ser Zeit.“ Prof. Dr. Bo­chert merkt eben­falls an, dass Platt­for­men wie Zoom oder Mood­le mit­tel- bis lang­fris­tig den per­sön­li­chen di­rek­ten Aus­tausch nicht voll­stän­dig er­set­zen könn­ten. „Ich denke, das gilt auch für den Aus­tausch mit den Stu­die­ren­den. Ge­ra­de nicht so ak­ti­ve und eher in­tro­ver­tier­te Stu­die­ren­de wer­den in der On­line-Lehre manch­mal noch „un­schein­ba­rer“. Diese hat man in der Prä­senz­leh­re ver­mut­lich bes­ser im Blick und sie wen­den sich in der Prä­senz­leh­re viel­leicht auch eher bei einer Frage in einer Pause oder im An­schluss an eine Ver­an­stal­tung di­rekt an die Leh­ren­den. Ich kann noch nicht rich­tig be­ur­tei­len, wie der Zu­gang hier bei der On­line-Lehre ist.“

Alle drei Do­zent*innen sehen trotz der Her­aus­for­de­rung und Ein­schrän­kun­gen auch Chan­cen in der On­line-Lehre. Frau Prof. Dr. Bo­chert er­klärt: „Die Zeit hat jetzt bei vie­len Leh­ren­den für eine stei­le Lern­kur­ve ge­sorgt. Das finde ich sehr span­nend, weil das für viel Dy­na­mik und Schwung sorgt, was hof­fent­lich bei­be­hal­ten wer­den kann, wenn sich die Si­tua­ti­on wie­der nor­ma­li­siert. Die Aus­ein­an­der­set­zung mit den tech­ni­schen und di­dak­ti­schen Mög­lich­kei­ten der On­line Lehre bie­tet jetzt auch die Chan­ce, die alt­be­währ­ten Me­tho­den neu zu be­trach­ten. Damit meine ich nicht, dass die On­line-Lehre nun die Prä­senz­leh­re er­setzt. Aber es be­steht die Chan­ce, mit dem neu er­wor­be­nen Wis­sen nun die Prä­senz­leh­re durch di­gi­ta­le In­hal­te bes­ser zu er­gän­zen und zu be­rei­chern.“

Für Prof. Dr. Wie­busch sind die Chan­cen darin zu er­ken­nen, dass die ak­tu­el­le Si­tua­ti­on uns zeige, dass wir viele Dinge, von denen wir bis­lang dach­ten, dass sie nicht on­line von zu Hause aus zu lösen seien, tat­säch­lich on­line lösen könn­ten. Das gelte auch für die Lehre. „Ich hoffe, dass die neuen Er­fah­run­gen zu noch mehr Mög­lich­kei­ten von Home-Of­fice in Zu­kunft füh­ren, so dass vor allem El­tern mit klei­ne­ren Kin­dern Kar­rie­re und Fa­mi­lie bes­ser unter einen Hut brin­gen kön­nen. Dar­über hin­aus wird sich die Heim­ar­beit si­cher­lich po­si­tiv auf un­se­re CO2-Bi­lanz aus­wir­ken.“

Auch Prof. Dr. Ste­ge­mann sieht die Chan­cen der On­line-Lehre ganz klar in der di­gi­ta­len Um­stel­lung. „Wir haben meh­re­re Schrit­te gleich­zei­tig nach vorne ge­macht. Nicht nur be­zo­gen auf die di­gi­ta­le In­fra­struk­tur, son­dern ver­mut­lich auch in men­ta­ler Hin­sicht. Diese per­sön­li­chen Er­fah­run­gen kön­nen sehr wert­voll für die kom­men­den For­men der Lehre sein.“ Auch wenn er, so­bald dies mög­lich ist, so­fort wie­der zur Prä­senz­leh­re zu­rück­wech­seln würde, sagt er „dass alle, ob Stu­die­ren­de, Leh­ren­de oder Fach­kräf­te der Ver­wal­tung, am Ende des Se­mes­ters stolz auf sich sein kön­nen, wenn die Lehre trotz der Um­stän­de so funk­tio­niert wie es der­zeit scheint!“

Text: An­ni­ka Jaensch
(ver­öf­fent­licht: 24.04.2020)