Im Ge­spräch mit Dr. Ni­co­le Waid­lein, Ver­tre­tungs­pro­fes­so­rin für VWL

Seit dem 1. Au­gust 2024 hat Dr. Ni­co­le Waid­lein die Ver­tre­tungs­pro­fes­sur für VWL am Fach­be­reich Wirt­schaft der FH Kiel inne. Im In­ter­view spre­chen wir mit Dr. Waid­lein über die neue Auf­ga­be an der FH und ihre Rolle als Chef­re­dak­teu­rin der wis­sen­schaft­li­chen Fach­zeit­schrif­ten Wirt­schafts­dienst und In­te­re­co­no­mics.

Was sind Ihre Auf­ga­ben­be­rei­che und Schwer­punk­te in der Lehre an der FH Kiel?
Ich ver­stär­ke das klei­ne Team der Volks­wirt­schafts­leh­re und un­ter­rich­te zu­sam­men mit Prof. Dr. Harm Band­holz und Prof. Dr. Ruth Bo­erckel VWL. Die BWL-Stu­die­ren­den hören in VWL die Ver­an­stal­tun­gen Mi­kro­öko­no­mik und Ma­kro­öko­no­mik. In die­sem Se­mes­ter über­neh­me ich die Mi­kro­ver­an­stal­tung im Ba­che­lor­stu­di­en­gang - das sind zwei Kurse. Au­ßer­dem un­ter­rich­te ich Ma­kro­öko­no­mik zu­sam­men mit Harm Band­holz. Im BWL-Mas­ter für Nicht-Be­triebs­wirt*innen mache ich den Mi­kro­teil und Ruth Bo­erckel über­nimmt den Makro­teil. Was in den kom­men­den Se­mes­tern noch dazu kommt, wer­den wir sehen. Zum Bei­spiel würde ich gerne im nächs­ten Win­ter­se­mes­ter das For­schungs­pro­jekt im BWL-Mas­ter für Nicht-Be­triebs­wirt*innen an­bie­ten.

Wie sieht ein ty­pi­scher Ar­beits­tag bei Ihnen aus?
Eine Hälf­te mei­nes Tages, meis­tens der Vor­mit­tag, be­steht aus der Lehre - ich habe immer 4-Stun­den-Blö­cke, die sich aus Vor­le­sung und Übung zu­sam­men­set­zen. An­sons­ten widme ich mich der Vor­be­rei­tung der Vor­le­sungs­un­ter­la­gen und der Übungs­auf­ga­ben. Au­ßer­dem habe ich immer ein Auge dar­auf, was ge­ra­de in der Po­li­tik pas­siert, um in den Ver­an­stal­tun­gen Par­al­le­len zum po­li­ti­schen Ge­sche­hen zie­hen zu kön­nen. Die bei­den VWL-Ver­an­stal­tun­gen be­han­deln die Grund­la­gen und sind re­la­tiv theo­rie­las­tig. Des­halb ist es mir wich­tig, zu zei­gen, wo man die In­hal­te im ech­ten Leben wie­der­fin­det - mit dem Ziel, dass die Ver­an­stal­tung über eine reine Mo­dell- und Re­chen­welt hin­aus­geht.

Was ge­fällt Ihnen be­son­ders gut an der Ar­beit an der FH?
Ich habe vor ein paar Jah­ren Vor­le­sun­gen an der CAU ge­hal­ten. Da waren die Ver­an­stal­tun­gen sehr, sehr groß und ich hatte bis zu 1.200 Stu­die­ren­de. Die Ver­an­stal­tun­gen an der FH fin­den in deut­lich klei­ne­ren Grup­pen statt. Das emp­fin­de ich als Luxus, da man in­ten­si­ver ar­bei­ten kann und eine ganz an­de­re Ar­beits­at­mo­sphä­re herrscht. Die Stu­die­ren­den be­tei­li­gen sich mehr und stel­len mehr Fra­gen. Das er­leich­tert es, die In­hal­te best­mög­lich zu er­klä­ren und die Stu­die­ren­den für das Fach zu be­geis­tern. Also in mei­ner Wahr­neh­mung - ich hoffe, die Stu­die­ren­den sehen das ge­nau­so (lacht). An­sons­ten finde ich den Um­gangs­ton und das Ar­beits­kli­ma an der FH sehr an­ge­nehm. Ich komme sehr gerne ins Büro, auch wenn ich eine etwas wei­te­re An­fahrt habe.

Sie sind Chef­re­dak­teu­rin der wis­sen­schaft­li­chen Fach­zeit­schrif­ten Wirt­schafts­dienst und In­te­re­co­no­mics. Über wel­che The­men kön­nen sich Stu­die­ren­de in den Zeit­schrif­ten in­for­mie­ren?
Beide Zeit­schrif­ten fo­kus­sie­ren sich auf die wirt­schafts­po­li­ti­sche Be­ra­tung und be­han­deln ak­tu­el­le wirt­schafts­po­li­ti­schen The­men. Der Wirt­schafts­dienst legt den Fokus auf Deutsch­land, wird auch auf Deutsch ver­öf­fent­licht und be­han­delt die Bun­des- und Lan­des­po­li­tik. In­te­re­co­no­mics legt den Schwer­punkt auf die eu­ro­päi­sche Wirt­schafts­po­li­tik. Un­se­re Haupt­ziel­grup­pe ist ei­gent­lich die Po­li­tik - also po­li­ti­sche Ent­schei­dungs­trä­ger*innen und an­de­re po­li­ti­sche Ak­teu­re. Aber alle Bei­trä­ge sind so ge­schrie­ben, dass sie auch Leute ver­ste­hen kön­nen, die nicht in der Po­li­tik ar­bei­ten oder aus­ge­bil­de­te Öko­no­men sind. Des­we­gen sind die Zeit­schrif­ten eine sehr gute Quel­le für Stu­die­ren­de, aber auch für Schü­ler*innen und die in­ter­es­sier­te Öf­fent­lich­keit, um sich über ak­tu­el­le wirt­schafts­po­li­ti­sche The­men zu in­for­mie­ren - sei es Fach­kräf­te­man­gel, De­kar­bo­ni­sie­rung, Wirt­schafts­wachs­tum, Haus­halts­streit, Schul­den­brem­se und vie­les mehr. Der Vor­teil ist na­tür­lich, dass die Bei­trä­ge von Wis­sen­schaft­ler*innen ge­schrie­ben wer­den. Man kann sich also si­cher sein, dass die Bei­trä­ge wis­sen­schaft­lich fun­diert und somit in wis­sen­schaft­li­chen Ar­bei­ten zi­tier­fä­hig sind. Des­halb lege ich den Stu­die­ren­den gerne ans Herz, immer mal in die Zeit­schrif­ten rein­zu­schau­en.

Gibt es in­halt­li­che Über­schnei­dun­gen zwi­schen Ihren Tä­tig­kei­ten als Chef­re­dak­teu­rin und als Ver­tre­tungs­pro­fes­so­rin?
Die The­men aus den Zeit­schrif­ten fin­den sich häu­fig in den Vor­le­sun­gen wie­der, des­halb er­gänzt und über­schnei­det es sich sehr gut. Der grö­ß­te Un­ter­schied be­steht darin, dass in den Ver­an­stal­tun­gen an der FH viele theo­re­ti­sche In­hal­te be­han­delt wer­den, wäh­rend die Bei­trä­ge im Wirt­schafts­dienst und in In­te­re­co­no­mics an­wen­dungs­ori­en­tiert sind.

Beide Zeit­schrif­ten wer­den von der ZBW - Leib­niz-In­for­ma­ti­ons­zen­trum Wirt­schaft ver­öf­fent­licht, die auf dem West­ufer di­rekt ge­gen­über der FH Kiel liegt.
Dass ich beide Ein­rich­tun­gen an einem Ort habe, ist na­tür­lich her­vor­ra­gend. In un­mit­tel­ba­rer Nähe be­fin­den sich ja auch viele wei­te­re wis­sen­schaft­li­che Ak­teu­re, wie das In­sti­tut für Welt­wirt­schaft, die CAU, das GEO­MAR oder das In­sti­tut für Ma­ri­ti­me En­er­gie­sys­te­me des Deut­schen Zen­trums für Luft- und Raum­fahrt. Dazu kommt der di­rek­te Draht zu den Mi­nis­te­ri­en auf dem West­ufer, der be­deut­sam für die Wirt­schafts­po­li­tik und wirt­schafts­po­li­ti­sche Be­ra­tung ist. Ich glau­be, ob­wohl wir in einer di­gi­ta­li­sier­ten Welt leben, ist der per­sön­li­che Aus­tausch ganz, ganz wich­tig. Und da hat Kiel durch die vie­len Ak­teu­re auf klei­nem Raum einen gro­ßen Vor­teil. Ich habe län­ge­re Zeit in Süd­deutsch­land ge­lebt – dort ahnen die Leute manch­mal gar nicht, dass hier oben so viel los ist. In Zu­kunft wären si­cher­lich auch ge­mein­sa­me Ver­an­stal­tun­gen, Kon­fe­ren­zen oder Vor­trä­ge span­nend, wo­durch man die­ses Po­ten­zi­al noch stär­ker nutzt.

Für die Stu­die­ren­den der FH ist die ZBW ein be­lieb­ter Lern­ort. Warum lohnt sich ein Be­such der Bi­blio­thek?
Zu­nächst ein­mal ist es ein­fach ein schö­ner Lern­ort mit einer wun­der­ba­ren Ar­beits­at­mo­sphä­re. Dazu kommt der Zu­gang zu einer gro­ßen Aus­wahl an alter, neuer und na­tür­lich auch di­gi­tal zu­gäng­li­cher wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­cher Li­te­ra­tur. In die­sem Be­reich kann man, glau­be ich, gar nicht bes­ser ver­sorgt sein. Ich hoffe, dass die Stu­die­ren­den die­ses An­ge­bot nut­zen - denn gute Li­te­ra­tur ist ein­fach es­sen­zi­ell, wenn man Ar­bei­ten schreibt oder lernt.

In­ter­view/Text: Tom Nel­son
(ver­öf­fent­licht: 29.11.2024-ra)