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Stu­die­ren im Aus­land - ist das wirk­lich so an­ders?

von Ju­lia­ne Bax­mann

Stu­die­ren im Aus­land. Zu Be­ginn mei­nes Stu­di­ums war für mich so­fort klar, dass ich ein Se­mes­ter in einem an­de­ren Land ver­brin­gen möch­te. In mei­ner Fan­ta­sie sah dort alles viel bes­ser und schö­ner aus. Alte Uni­ver­si­täts­ge­bäu­de, ver­träum­te Bi­blio­the­ken und in­ter­es­san­te neue Stu­di­en­in­hal­te. Na­tür­lich wird das Eng­lisch auf­ge­bes­sert und neue Leute ken­nen­ge­lernt. Aber wie ist es ei­gent­lich wirk­lich, in einem an­de­ren Land zu stu­die­ren, in dem die Do­zen­ten und Pro­fes­so­ren ganz an­ders ti­cken als in Deutsch­land, in dem es an­de­re Richt­li­ni­en gibt und an­de­re Prio­ri­tä­ten ge­setzt wer­den. Und wie ist das ei­gent­lich mit der Pünkt­lich­keit? Gibt es eine An­we­sen­heits­pflicht, und, viel wich­ti­ger, wie sehen die Prü­fun­gen aus?

In mei­nem Fall un­ter­schei­det sich das stu­die­ren im Aus­land nicht ex­trem stark vom Stu­die­ren in Deutsch­land. Bel­gi­en ge­hört zu Eu­ro­pa, und Ant­wer­pen ist eine sehr mo­der­ne, of­fe­ne Stadt, in der viele Kul­tu­ren auf­ein­an­der­tref­fen. Also fan­gen wir mal ganz am An­fang an, und zwar mit den wich­ti­gen Din­gen: Die Mensa! Ja, Die Mensa ist in Deutsch­land nicht nur ein Ort, an dem es Essen gibt, son­dern auch ein Treff­punkt, ein Ort, an dem alle Fach­be­rei­che und Per­so­nen auf­ein­an­der­tref­fen, und ge­mein­sam ver­bin­det sie eine Sache: mehr oder we­ni­ger gutes, und vor allem güns­ti­ges, Essen. An mei­nem ers­ten Tag an der Karel de Grote Ho­ge­school (KDG) hatte ich auch meine erste Mensa-Er­fah­rung und ich wurde di­rekt über­rascht. Man zahlt hier nur bar, es gibt zwar das üb­li­che Mensa-Essen (Pasta, Pizza, Salat und Suppe), aber es ist alles ein biss­chen teu­rer als in Deutsch­land. Ein Essen be­kommt man hier nicht nur für 5 €, son­dern auch noch im Plas­tik­be­cher - eine klei­ne Ent­täu­schung. Die Por­tio­nen sind klein, und die meis­ten Stu­die­ren­den schei­nen sich für das schnel­le Sand­wich zu ent­schei­den, wel­ches mich wahr­schein­lich mehr ge­sät­tigt hätte als meine vier Löf­fel Suppe. Die Mensa ist hier kein Platz für die warme und ge­müt­li­che Mahl­zeit mit Freun­den, son­dern eher ein schnell­le­bi­ger Ort, mit viel Plas­tik und Hek­tik. An man­chen Unis gibt es noch nicht mal eine Mensa, hier ist es üb­lich, eher abends warm zu essen, darum be­vor­zu­gen die meis­ten Stu­die­ren­den das schnel­le Brot vom Kiosk ne­ben­an.

Etwas, wor­auf die Lehr­kräf­te hier sehr viel Wert legen, ist Pünkt­lich­keit. Sogar fünf Mi­nu­ten wer­den mit einem vor­wurfs­vol­len Blick und meis­tens auch einer Er­mah­nung be­straft. Wer mehr als 15 Mi­nu­ten zu spät kommt, soll­te bes­ser bis zur Pause war­ten. Und wenn ich schon von Pau­sen spre­che: Die braucht man nach einer zwei­stün­di­gen Vor­le­sung de­fi­ni­tiv. Die Ver­an­stal­tun­gen sind hier näm­lich län­ger und gehen in der Regel zwei Stun­den oder sogar län­ger. Mein längs­ter Kur­sus um­fasst vier­ein­halb Stun­den. Da­nach ist der ein oder an­de­re Kaf­fee drin­gend nötig!

Wie auch in den meis­ten an­de­ren Län­dern au­ßer­halb von Deutsch­land wer­den die Pro­fes­sor*innen hier mit ihrem Vor­na­men an­ge­spro­chen. Die Nach­na­men in­ter­es­sie­ren ei­gent­lich nie­man­den, da­durch hat man gleich ein viel per­sön­li­che­res Ver­hält­nis zu den Do­zent*innen.

Die Prü­fun­gen wer­den wie in Deutsch­land, oft als Port­fo­lio, Klau­sur oder Haus­ar­beit ver­fasst - also kein gro­ßer Un­ter­schied. Was sich hier un­ter­schei­det ist je­doch, dass man we­ni­ger Vor­ga­ben hat, die gute deut­sche Bü­ro­kra­tie fehlt hier also. Aber ich muss ehr­lich sagen, ich finde es gar nicht so schlimm, dass ich mir mal keine Sor­gen um den rich­ti­gen Zi­tier­stil oder ein feh­ler­frei­es Quel­len­ver­zeich­nis ma­chen muss.

Fach­schaf­ten und Stu­die­ren­den­ver­bin­dun­gen gibt es hier na­tür­lich auch, nur hei­ßen sie hier „Stu­dent Uni­ons“. Jede Ver­bin­dung hat ihren ei­ge­nen Namen und ein Wap­pen. An­ders als in Deutsch­land wer­den Ver­bin­dun­gen hier nicht mir schrä­gen Bli­cken be­gut­ach­tet, son­dern ge­fei­ert und ge­wür­digt. Fast jede Stu­den­tin und jeder Stu­dent ist in einer Ver­bin­dung, und das wie­der­um stärkt die Bin­dung zur ei­ge­nen Uni­ver­si­tät und Fa­kul­tät. Mehr­mals im Jahr wer­den von den Fach­schaf­ten so ge­nann­te „Can­tus“ ver­an­stal­tet. Das sind Ver­an­stal­tun­gen, zu denen sich Stu­die­ren­de tref­fen, um ge­mein­sam zu sin­gen und… ja ein biss­chen Bier zu trin­ken. Hier wer­den also Hoch­schul­le­ben und Pri­vat­le­ben gern mit­ein­an­der ver­bun­den.

Ich kann schon sagen: Stu­die­ren im Aus­land ist an­ders, und es fängt schon bei Klei­nig­kei­ten wie dem Gang in die Mensa an. Aber der Mensch ist ja be­kannt­lich ein Ge­wohn­heits­tier, und es war gar nicht so schwer, sich an die neuen Ver­hält­nis­se und Ri­tua­le hier an­zu­pas­sen. Ich bin ge­spannt, was da noch auf mich zu­kommt, vor allem in der noch be­vor­ste­hen­den Prü­fungs­pha­se.

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