Ein Mann in schwarzem Jackett steht an einem Steg, Nahe der Schwentinemündung.© Bergmann

„Studierende sollten interkulturelle Kompetenz entwickeln“

von viel.-Redaktion

Es passte einfach alles zusammen, erzählt Prof. Dr. Till Moser. Was er seit Studienzeiten für wichtig hält, werde an der Fachhochschule Kiel (FH Kiel) gelebt: Interdisziplinarität, Interkulturalität und Weiterbildungsangebote für eine exzellente Lehre. Seit Anfang Oktober ist der 33-Jährige Professor für „Betriebliche Steuerlehre“ am Fachbereich Wirtschaft. Laura Berndt traf ihn und sprach mit ihm über Osteuropa, seinen heutigen Lehr- und Forschungsschwerpunkt und die Wichtigkeit eines Auslandsaufenthaltes.

Laura Berndt (LB): Warum haben Sie Ihr Studium gewählt?

Till Moser (TM): Der interdisziplinäre Studiengang Kulturwirtschaft an der Universität Passau mit seiner Kombination von Wirtschaftswissenschaft und zwei angewandten Fremdsprachen sowie einem kulturwissenschaftlichen Schwerpunkt in einer Sprachregion hat meinen Interessen entsprochen. Ich war schon immer neugierig, reiselustig und an anderen Kulturen interessiert und so habe ich Englisch und Russisch gelernt und mich auf den Kulturraum Osteuropa konzentriert. Da die Wirtschaftswissenschaften einen anderen Blick auf politische und soziale Fragestellungen eröffnen, wollte ich mein Wissen in diesem Bereich vertiefen. Deswegen habe ich nach zwei Semestern parallel ein VWL-Studium aufgenommen. Das Doppelstudium hat mir natürlich auch zusätzliche berufliche Perspektiven eröffnet; dieser Aspekt hat bei meiner Studienwahl selbstverständlich auch eine zentrale Rolle gespielt.

LB: Warum haben Sie sich für den Schwerpunkt Osteuropa entschieden?

TM: In meiner Jugend konnte ich im Rahmen verschiedener  Osteuropareisen schon erste Erfahrungen sammeln und ich war fasziniert von den kulturellen europäischen Wurzeln einerseits und den asiatischen Einflüssen andererseits. Der osteuropäische Raum war für mich nicht völlig fremd, aber doch noch fremd genug, um mich weiterhin zu fesseln. Die Entscheidung für den Schwerpunkt fiel am Ende des ersten Semesters. Mit drei Brocken Russisch im Gepäck fuhr ich nach St. Petersburg und lebte ein paar Wochen in einer Gastfamilie. Die Hilfsbereitschaft und Herzlichkeit der Menschen haben mich sehr bewegt. Mein Auslandssemester habe ich dann in Moskau verbracht – eine tolle Erfahrung.

LB: Empfehlen Sie Ihren Studierenden, ins Ausland zu gehen?

TM: Wer die Möglichkeit hat, sollte es tun. Es kann kaum besser gelingen, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden. Wer eine Zeit im Ausland verbringt, entwickelt ein Bewusstsein für die eigene Kultur und dafür, dass vieles, was zu Hause selbstverständlich ist, anderswo eben anders ist. Zum Beispiel kulturelle Nuancen, wie die feinen Unterschiede zwischen Ja und Nein. Wir leben in goldenen Zeiten, wer einen deutschen Pass hat, kann 160 Länder der Welt ohne Visum besuchen. Die Studierenden haben alle Möglichkeiten und sollten diese nutzen, um interkulturelle Kompetenz zu entwickeln, eine wichtige berufliche Qualifikation.

LB: Wo konnten Sie diese bisher gebrauchen?

TM: Nach dem Studium habe ich bei der KPMG AG in Frankfurt am Main gearbeitet, einer sehr großen Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Dort war ich im Bereich Financial Services Tax tätig und habe Kreditinstitute in steuerlichen Fragen beraten. Dabei ging es nicht nur um Steuererklärungen, sondern auch um internationale Projektarbeit. Ich musste vieles mit Kolleginnen und Kollegen in Auslandsbüros abstimmen und koordinieren, um in einem internationalen Kontext korrekt zu beraten. Dafür waren meine interkulturellen Erfahrungen sehr nützlich. 

LB: Warum haben Sie diese spannende Tätigkeit aufgegeben?

TM: Schon länger reifte bei mir der Gedanke heran, zu promovieren und in Lehre und Forschung zu arbeiten. Als bei Prof. Dr. Gerhard Kraft am Lehrstuhl Betriebswirtschaftliche Steuerlehre der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg eine Stelle frei wurde, habe ich die Chance ergriffen. Neben der Arbeit an meiner Dissertation habe ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter Lehrveranstaltungen bestritten und ich hatte große Freude daran. Es ist bereichernd, Wissen zu vermitteln und junge Menschen auf ihre berufliche Zukunft vorzubereiten. Wenn das Feedback dann noch stimmt, macht es natürlich umso mehr Spaß.

LB: Was ist Betriebliche Steuerlehre?

TM: Mit Steuern sind die meisten Menschen doch in irgendeiner Form schon einmal in Berührung gekommen, beispielsweise bei der Einkommenssteuererklärung. Steuerliche Aspekte sind jedoch immer in einen breiteren betriebswirtschaftlichen Kontext eingebettet. Die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre beschäftigt sich mit der Frage, wie Steuern unternehmerische Entscheidungen beeinflussen. Suchen Mandantinnen oder Mandanten beispielsweise eine Rechtsform für das Unternehmen, kann der Rat kein rein steuerlicher sein; es muss eine betriebswirtschaftliche Gesamtabwägung getroffen werden. Jede Rechtsform hat Folgen, zum Beispiel im Hinblick auf Anteilsübertragung und Haftung.

LB: Warum haben Sie sich für die FH Kiel entschieden?

TM: Am Fachbereich Wirtschaft decken mehrere Kolleginnen und Kollegen die Bereiche Rechnungswesen und Steuern ab. So kann ich meine fachlichen Kenntnisse und berufspraktischen Erfahrungen einbringen und habe genügend Spielraum, um mich auf den Schwerpunkt Betriebliche Steuerlehre zu konzentrieren. Außerdem hat sich die FH Kiel mit der exzellenten Lehre ein klares Ziel gesetzt, mit dem ich mich identifizieren kann. Die kontinuierliche fachliche Weiterbildung und Offenheit gegenüber innovativen Lehrmethoden ist mir ebenfalls sehr wichtig. Auch der interkulturelle und interdisziplinäre Austausch, der hier in vorbildlicher Weise praktiziert wird, war für meine Entscheidung ausschlaggebend. Letztendlich war das aber auch eine intuitive Entscheidung.

LB: Was möchten Sie Ihren Studierenden vermitteln?

TM: Neben rein fachlichem Wissen möchte ich bei ihnen ein Bewusstsein für das Tätigkeitsfeld Steuerberatung schaffen. Sie sollen wissen, was in diesem Beruf auf sie zukommt und herausfinden, ob ihnen das Spaß machen könnte und wo sie sich platzieren möchten. Natürlich kann ich nicht leugnen, dass damit gleichzeitig auch ein Werbeeffekt verbunden ist. Es handelt sich, wie ich finde, um einen interessanten Beruf, der aufgrund eines chronischen Mangels an hochqualifizierten Absolventinnen und Absolventen ein Nachwuchsproblem hat. Das möchte ich gern ändern.

Kurzbiographie  

 

seit Oktober 2015: Professor für Betriebliche Steuerlehre, Fachhochschule Kiel
2012 - 2015: Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Promotion 
2012: Steuerberaterprüfung 
2008 - 2011: Steuerliche Beratungstätigkeit, KPMG AG, Frankfurt a.M., Bereich Financial Services Tax 
2003 - 2008: Diplomstudium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Passau
2002 - 2007: Diplomstudium der Kulturwirtschaft (Schwerpunkt Osteuropastudien) an der Universität Passau

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