Die Nahaufnahme zeigt elektrische Stecker und Kabel in einer Werkstatt.© K Rethmeier
Ein 380kV-Höchstspannungskabel im Kabellabor der Fachhochschule Kiel: Durch beindicke Kabel muss der Strom transportiert werden, bis er letztlich bei uns zu Hause in den Steckdosen ankommt.

Hochspannungsleitungen nun doch unsichtbar unter der Erde?

von viel.-Redaktion

Ministerium und TenneT machen Ostholstein Hoffnung auf Teilverkabelung in der Höchstspannungsebene.

„Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger“. Der überaus emotionslosen Einladung von Energiewendeminister Robert Habeck zum Fachdialog „See- und Erdkabel“ folgte  am 7. Juni 2015 in Scharbeutz eine durchaus mitreißende Informationsveranstaltung seines Ministeriums. Hochrangige Referenten der Landesbehörde, Vertreter des Netzkonzerns TenneT TSO, sowie Referenten aus der Wissenschaft gaben den von der geplanten 380-kV Ostküstenleitung betroffenen Anwohnerinnen und Anwohnern detaillierte Informationen zum Bau der von Lübeck nach Henstedt-Ulzburg vorgesehenen Höchstspannungsverbindung, die sauberen Windstrom aus Schleswig-Holstein in das europäische Verbundnetz einspeisen soll.

Sah es noch vor kurzer Zeit so aus, als würde eine Freileitung das sensible Landschaftsbild, Bevölkerung und Umwelt beeinträchtigen, scheint es jetzt eine Wende hin zu Erdkabeln zu geben. Aufgrund von gesetzlichen Vorschriften ist bisher der Einsatz von Kabeln nur in vier Pilotprojekten, verteilt über ganz Deutschland, zulässig. Hier hat sich das Ministerium, angeführt von Minister Habeck höchst persönlich, für eine Änderung der Bundesgesetzgebung stark gemacht. Die Gesetzesnovelle hat bereits erfolgreich den Bundesrat passiert.

Mit etwas Glück kann der Bundestag als entscheidende Instanz das Gesetz noch vor der parlamentarischen Sommerpause in Kraft setzen. Nach Aussage Habecks stehen die Chancen dafür gar nicht so schlecht. Der Weg wäre damit frei für weitere Erdkabelprojekte im Höchstspannungsnetz, speziell hier in SH. Auch der zuständige Netzbetreiber, die TenneT, kann sich inzwischen mit Erdkabeln anfreunden. Hier hatte sich der niederländische Staatskonzern lange quer gestellt: Die Kosten für Erdkabel liegen weit über denen konventioneller Freileitungen. Und ein „Wertverlust“ des Landschaftsbilds konnte bisher schwerlich in solche Kalkulationen eingepreist werden. Im Dialog mit der Bevölkerung hat TenneT jedoch nun feststellen müssen, dass man nicht an den Betroffenen „vorbei“ planen und bauen kann. Gestern hat sich die TenneT daher klar zur Teilverkabelung bekannt, alle ziehen somit an einem Strang. Nach mehr als drei Stunden Diskussion zwischen Experten und Bürgerinnen und Bürgern waren sich alle in bis dahin seltener Weise einig: Teilverkabelung ist ein Gewinn für alle! „Das Klima gewinnt, die Anwohnerinnen und Anwohner gewinnen, selbst die TenneT gewinnt!“, schloss Minister Habeck die Veranstaltung. Es folgte noch ein letzte Spitze Richtung TenneT: Auf die Abschlussfrage aus dem Auditorium, warum denn gerade ein niederländischer Staatskonzern den deutschen Netzausbau vorantreibt, bemerkte Habeck trocken: „Solange die Niederländer nicht bei der nächsten WM gewinnen habe ich nichts dagegen!“.

Gastbeitrag von Prof. Dr. Kay Rethmeier

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