Eine Gruppe Männer steht angeregt um eine Partie Mühle.© F. Coring

Das ganz dicke Brett bohren

von viel.-Redaktion

von Joachim Kläschen

In der Digitalen Fabrik produzieren intelligente Maschinen weitgehend automatisch das, was sich Kundinnen und Kunden wünschen und kümmern sich zudem um die Beschaffung des Materials und die Auslieferung der Produkte. Das Institut für CIM-Technologietransfer (CIMTT) an der FH Kiel will im Sommer 2016 seine Werkstore für Studierende aus dem Maschinenwesen und der Elektrotechnik öffnen und sie dazu einladen, bei der nächsten industriellen Revolution dabei zu sein.

Die Dinge, die uns durch den Tag begleiten – vom Radiowecker über die elektrische Zahnbürste, die Kaffeemaschine und das Smartphone bis hin zum Auto – haben eines gemein: Sie kommen aus Fabriken. Doch seit Henry Ford vor mehr als 100 Jahren mit der Fließbandfertigung den Automobilbau perfektionierte, der die Vorstellung vieler von industriellen Abläufen prägt, hat sich einiges getan. Heute sind es im Wesentlichen hochspezialisierte oder auch extrem flexible Maschinen, verknüpft in langen Prozessen und gesteuert durch eine Vielzahl von Programmen, die Werkstücke fertigen, montieren und verpacken. Dabei zwingen die hohen Arbeitskosten die Unternehmen in Deutschland dazu, immer effektiver und effizienter zu produzieren, um auf dem Weltmarkt überleben zu können.

Hersteller, die jenseits kleiner Nischen bestehen wollen, müssen ihre Produktionsprozesse einschließlich der erforderlichen Software perfektionieren und dabei viel weiter denken als von Werkstor zu Werkstor. Von der Konzeption eines neuen Produkts über die Fertigung bis hin zur Bestellung und Auslieferung an die Kundinnen und Kunden müssen alle Schritte einem makellosen Prozess folgen. Das Institut für CIM-Technologietransfer an der FH Kiel entwickelt diesen Prozess und tritt den Beweis an, dass er funktioniert.

Prof. Dr. Henning Strauß, der seit Oktober 2014 eine Professur am Fachbereich Maschinenwesen an der FH Kiel innehat, versucht mit einem Beispiel zu erklären, wie komplex Fertigung und Prozesse heute sind: „Bestellen Sie sich im Internet ein Paar Markenturnschuhe. Da wählen Sie ein Modell, das Ihnen gefällt und suchen sich eines von drei Obermaterialien und die Lieblingsfarbe aus. Anschließend bestimmen Sie dann, ob die Sohle einfarbig oder transparent sein soll und schließlich die Botschaft, die in der Wunschfarbe auf die Ferse gestickt wird. Sie bezahlen digital mit der Kreditkarte und können per Auftragsnummer verfolgen, wann die Schuhe geliefert werden. Fragen Sie sich, wie der Hersteller dafür sorgt, dass das alles klappt – und glauben Sie mir, es klappt.“

Die Lösung liegt in der Digitalen Fabrik, einem Bereich, der künftig auch im CIMTT der FH Kiel vertreten sein wird und um den sich der 40-Jährige kümmert. In einer Digitalen Fabrik werden alle Schritte der Produktion digital abgebildet. Liegen alle relevanten Informationen vor, ist eine reibungslose Kommunikation zwischen den verschiedenen Etappen einer Produktion möglich: Die persönlichen Design-Entscheidungen für die Schuhe werden an die Server des Herstellers übertragen. Ist die Bezahlung erfolgt, können die Daten direkt in die Produktion und durch die Maschinen fließen, bis schließlich das Entgegennehmen des Pakets an der Haustür den Auftrag im Hersteller-System als „erfolgreich abgearbeitet“ markiert.

Das ist zumindest der Idealfall – das Digitale ist Voraussetzung, aber kein Garant für die reibungslosen Abläufe. In der Digitalen Fabrik der FH Kiel kommt an dieser Stelle Prof. Dr. Christoph Wree ins Spiel, der sich am CIMTT unter anderem um Fragen der digitalen Infrastruktur kümmert. Der 41-Jährige hat eine Professur am Institut für Elektrische Energietechnik, aber wie seinen Kollegen liegt auch ihm zusätzlich die CIMTT-Arbeit am Herzen. „Was wir hier entwickeln, hilft vorrangig kleinen und mittelständischen Unternehmen – und die machen die Mehrzahl der Arbeitgeber in Schleswig-Holstein aus. Vor allem aber wollen wir unseren Studierenden vermitteln, dass sie über die Grenzen ihres Fachbereichs hinausblicken und hinauswachsen müssen.“

Alteingesessene Betriebe haben es manchmal schwer mit dem Digitalen, weiß Prof. Wree, denn Neues ist nicht nur teuer, sondern häufig auch aufwendig zu integrieren. „Sie können nicht einfach Hightech neben eine Maschine aus den 1970er Jahren stellen und dann erwarten, dass die Geräte sich miteinander verstehen und die Produktion beflügeln.“ Prof. Wree untersucht und lehrt den Umgang mit Schnittstellen, mithilfe derer eine Kommunikationsinfrastruktur geschaffen werden kann, die alte wie neue Maschinen effizient verbindet und so die Anschaffungskosten für die Unternehmen reduziert. In der Digitalen Fabrik lernen die FH-Studierenden, wie technologische Innovationen schrittweise in bestehende Szenarien eingebracht werden können und den gesamten Prozess verbessern.

Prof. Manfred Fischer vom Fachbereich Maschinenwesen setzt sich seit 20 Jahren mit der Digitalisierung in Entwicklung und Konstruktion auseinander, der Planung und Gestaltung von Werkstücken und Produkten am Computer. Er hat die digitale Revolution miterlebt, den Sprung vom Reißbrett auf den Monitor und die in die Tiefe des Raumes. Heute ist es selbstverständlich, dass Ingenieurinnen und Ingenieure sowie Designerinnen und Designer am Computer 3-D-Objekte entwerfen, die weit am Anfang der Produktionskette der Digitalen Fabrik stehen. Für Studierende ist CAD-Software heute das Handwerkszeug mit dem sie ab dem ersten Semester arbeiten.

Damit auch unter ungünstigen Bedingungen oder bei Störungen in der Digitalen Fabrik alles nach Plan läuft, reicht ein Notfallplan nicht aus. Die Maschinen müssen intelligent sein, Situationen und Zustände erfassen und sich selbst neu organisieren. Prof. Dr. Bernd Finkemeyer kümmert sich um die Roboter, die in der Digitalen Fabrik arbeiten, darunter zum Beispiel ein Arm mit sieben Gelenken. Dieser Roboter könnte in der Schichtpause gegen den Werksleiter Mühle spielen, wenn es in der Digitalen Fabrik denn Pausen für die Maschinen gäbe.

„Eine clevere Programmierung sorgt dafür, dass ein Roboter unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen kann. Er ist in der Lage, Umweltreize zu interpretieren, beispielsweise die Kräfte, die auf ihn einwirken“, erklärt der 43-Jährige vom Fachbereich Maschinenwesen. Wenn die komplexen Algorithmen der Digitalen Fabrik melden, dass eine neue Fuhre Rohmaterialien angeliefert wird, kann er sich entscheiden, ob er zum Ausladen gebraucht wird. Bei guter Programmierung trifft er die richtige Entscheidung: Er hilft bei der Verladung, weil die aktuelle Produktion keinen Zeitdruck hat und ein zweiter Roboter während des drohenden Leerlaufs gewartet werden kann und die gegenüberliegende Produktionsstraße in der Zeit andere Bauteile fertigt, die am Folgetag ohnehin benötigt werden. In der Digitalen Fabrik an der FH Kiel werden später in jeder Produktionsstufe Leitstellen mit berührungsempfindlichen Bildschirmen stehen, über die Studierende die Arbeitsabläufe einsehen und justieren können.

Wie wichtig die Studierenden für diesen FH-Bereich sind, betont Prof. Dr. Ralf Gläbe, seit 2014 geschäftsführender Direktor des CIMTT. Mit der Rückendeckung des Präsidiums entwickelt der Fertigungstechniker dort gemeinsam mit seinen Kollegen das Konzept für die Digitale Fabrik der FH. Er will, dass sie im Sommer 2016 endlich produziert und die Studierenden die Werkshalle mit Leben füllen. Sie sollen dort mithilfe von CAD-Werkzeugen ein modular aufgebautes Produkt mit mechanischen und elektronischen Funktionen gestalten, die Maschinen für die Fertigung programmieren, die Produktion organisieren und automatisieren, bis sie am Ende des Studiums in der Digitalen Fabrik hocheffektiv ihr eigenes Produkt fertigen lassen. Der Patentantrag ist in Vorbereitung.

„Eine clevere Programmierung sorgt dafür, dass ein Roboter unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen kann. Er ist in der Lage, Umweltreize zu interpretieren, beispielsweise die Kräfte, die auf ihn einwirken“, erklärt der 43-Jährige vom Fachbereich Maschinenwesen. Wenn die komplexen Algorithmen der Digitalen Fabrik melden, dass eine neue Fuhre Rohmaterialien angeliefert wird, kann er sich entscheiden, ob er zum Ausladen gebraucht wird. Bei guter Programmierung trifft er die richtige Entscheidung: Er hilft bei der Verladung, weil die aktuelle Produktion keinen Zeitdruck hat und ein zweiter Roboter während des drohenden Leerlaufs gewartet werden kann und die gegenüberliegende Produktionsstraße in der Zeit andere Bauteile fertigt, die am Folgetag ohnehin benötigt werden. In der Digitalen Fabrik an der FH Kiel werden später in jeder Produktionsstufe Leitstellen mit berührungsempfindlichen Bildschirmen stehen, über die Studierende die Arbeitsabläufe einsehen und justieren können.

Wie wichtig die Studierenden für diesen FH-Bereich sind, betont Prof. Dr. Ralf Gläbe, seit 2014 geschäftsführender Direktor des CIMTT. Mit der Rückendeckung des Präsidiums entwickelt der Fertigungstechniker dort gemeinsam mit seinen Kollegen das Konzept für die Digitale Fabrik der FH. Er will, dass sie im Sommer 2016 endlich produziert und die Studierenden die Werkshalle mit Leben füllen. Sie sollen dort mithilfe von CAD-Werkzeugen ein modular aufgebautes Produkt mit mechanischen und elektronischen Funktionen gestalten, die Maschinen für die Fertigung programmieren, die Produktion organisieren und automatisieren, bis sie am Ende des Studiums in der Digitalen Fabrik hocheffektiv ihr eigenes Produkt fertigen lassen. Der Patentantrag ist in Vorbereitung.

„Der interdisziplinäre Ansatz ist uns allen wichtig“, so der 49-Jährige. „Wir wollen die Studierenden aus dem Maschinenbau und der Elektrotechnik zusammenbringen, denn für eine reibungslose Produktion sind sie auch im Beruf aufeinander angewiesen. Nur wenn sie die Bedürfnisse und Anforderungen der anderen kennen und diese in ihre Planung mit einbeziehen, arbeitet die Digitale Fabrik effektiv.“ Prof. Gläbe wünscht sich, dass noch andere Fachbereiche an der Digitalen Fabrik mitarbeiten, schließlich geht es auch um Logistik, wirtschaftliche Aspekte, Marketing und vieles mehr. Langfristig wünscht er sich, dass die Digitale Fabrik aus dem Curriculum herauswächst und zu einem eigenen Studiengang wird – nicht um Studierende mit einem klangvollen Namen zu locken, sondern um dem komplexen Thema gerecht zu werden. Doch bis dahin ist es noch weit, weiß Gläbe, der das Projekt Digitale Fabrik bescheiden als „zartes Pflänzchen“ bezeichnet, das viel Pflege bedarf. „Wir sind glücklich, dass uns das Präsidium bei unseren Plänen nach Kräften unterstützt. Ohne diese Rückendeckung würden alle unsere Bemühungen ins Leere laufen.“

Dass die Digitale Fabrik der richtige Weg ist, dass darin sowohl die Zukunft industrieller Fertigung als auch die Grundlage für ein modernes Curriculum liegt, darüber sind sich alle beteiligten Professoren einig. Auf dem Kieler Ostufer können Studierende von Sommer 2016 an lernen und mitgestalten, wie diese Zukunft aussehen soll. Mit dem gewonnenen Know-how soll dann auch die regionale mittelständische Industrie in ihrem Bestreben unterstützt werden, digitaler zu werden. Gläbe und seine Mitstreiter wollen an der Fachhochschule das ganz dicke Brett bohren. Vollautomatisch, versteht sich.

© Fachhochschule Kiel