die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung Michaela Pries spricht vor Studierenden der FH Kiel© A. Wimber
Berichtete über ihre Arbeit: die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung, Michaela Pries, besuchte Studierende der Sozialen Arbeit.

Der Theorie noch mehr Leben einhauchen

von Ann-Christin Wimber

Oft ist es hilfreich, sich Informationen direkt von den Fachleuten zu holen. Aus dem Grund hat Prof. Dr. Marianne Irmler für ihren Kurs im Bachelorstudiengang Soziale Arbeit an der Fachhochschule Kiel Gesprächspartner*innen aus Gesellschaft und Politik eingeladen. Sie sollen den Studierenden ihres Schwerpunkts Menschen mit Behinderungen aus ihrem Alltag erzählen und Fragen beantworten.

Erst seit Kurzem steht das Vertiefungsfach Soziale Hilfen für Menschen mit Behinderungen wieder auf dem Wahlzettel der Studierenden. „Schön früher gab es diesen Schwerpunkt, er lag jetzt aber lange brach“, erläutert Prof. Dr. Marianne Irmler, die als Professorin für Soziale Arbeit ebendiesen Schwerpunkt wiederbelebt hat. Aktuell haben sich nur sieben Studierende für diese Vertiefungsrichtung entschieden. Doch diese scheinen besonders offen für Input von Außenstehenden zu sein.

„Menschen ohne Behinderung können nur versuchen zu verstehen, wie es ist, mit einer Beeinträchtigung zu leben“, sagt Irmler. „Daher lade ich gerne Menschen ein, die aus ihrem eigenen Erleben berichten uns unser Fach so um eine weitere wichtige Perspektiven ergänzen.“ Der Wunsch nach dem Besuch von der Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung kam von den Studierenden. Zuvor gab bereits der Vater einer Tochter mit komplexer Behinderung einen Einblick in die Herausforderungen, denen er und seine Familie sich täglich stellen. Vor ein paar Wochen trat die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen, Michaela Pries, vor die Studierenden, um das Wissen der jungen Frauen und Männer um die politische Perspektive zu ergänzen. 

Michaela Pries steht an diesem Vormittag vor einem erfreulich zahlreichen Publikum. Prof. Dr. Katharina Scheel ist mit ihren Physiotherapie-Studierenden ebenfalls im Seminarraum anwesend. „Wir hatten gerade das Thema der ICF und die Einordnung von Menschen mit Behinderungen in diese Klassifikation besprochen – das passt ganz wunderbar“, erklärt Scheel ihre Anwesenheit. So hören gut 30 Studierende Pries zu. Diese berichtet zunächst von sich, dann aus ihrer Arbeit. Aktuell treibe sie die mangelnde Chancengleichheit von Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen um. Vor allem die schweren Fälle seien aus allem ausgeschlossen – aus Kindergarten, Schule, Gesellschaft. Dabei betont sie, dass für sie Inklusion Teilhabe für alle bedeute. „Das bedeutet aber auch, dass wir binnendifferenzierte Angebote brauchen, wo sie notwendig sind“, erläutert sie auf Nachfrage.

Studierende der Sozialen Arbeit im Gespräch mit Michaela Pries, Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung©A. Wimber
Die Studierenden haben von dem Austausch viel mitgenommen.

Die jungen Frauen und Männer haben einen ganzen Katalog an unterschiedlichen Fragen für die Landesbeauftragte. Viele sind intrinsisch und zeigen, dass sich auch an der FH Kiel nicht alle Studierenden – teilweise bedingt durch ihre eigenen Beeinträchtigungen – gut aufgehoben und wahrgenommen fühlen. Pries mahnt, vor allem im Kampf gegen bürokratische Hürden nicht nachzulassen. Sie bestätigt, dass vor allem die mangelnde Transparenz und Zuständigkeiten die größte Herausforderung in ihrer Arbeit für sie darstellen (mehr im Interview). Der Fachkräftemangel in sozialen Berufen sowie das soziale Pflichtjahr sind ebenfalls Themen, zu denen die Studierenden Pries‘ Meinung hören möchten. Auf beide Fragen gibt sie eine ähnliche Antwort: Wir sollten mehr hinschauen und Menschen mit Behinderungen mehr zutrauen. Ein soziales Jahr und/oder die Arbeit in einem sozialen Beruf eröffnen die Chance, das eigene Selbstbild, Denkweisen und Verhaltensmuster zu überprüfen und zu entwickeln. Der Zugang zu beidem müsse selbstverständlich auch für Menschen mit Behinderungen möglich sein, betont Pries.

Nach gut 90 Minuten sind noch längst nicht alle Fragen beantwortet. Trotzdem scheinen die Zuhörenden glücklich über den kurzen Einblick in die Arbeit und das Engagement der Landesbeauftragten. „Es war super informativ“, meint Nico Klose, einer der Bachelor-Studierenden im Vertiefungsbereich Menschen mit Behinderungen. „Ich habe viel mitgenommen und wieder mal gemerkt, wie viele Menschen es eigentlich betrifft und wie wenig Aufmerksamkeit es in der Gesellschaft bekommt. Es bestärkt mich in meiner Entscheidung, mich weiter mit diesem Thema zu beschäftigen.“

Auch Marianne Irmler ist froh über das Feedback ihrer Studierenden, bestärkt es sie doch in ihrer Entscheidung, Themen und Menschen aus Gesellschaft und Politik an die Hochschule zu holen, um der Theorie noch mehr Leben einzuhauchen.

 

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