Journaling am Morgen soll die Stimmung für den Tag setzen. Foto: Brahms© M. Brahms
Jour­na­ling am Mor­gen soll die Stim­mung für den Tag set­zen.

Die Sache mit der Selb­st­op­ti­mie­rung - ein Selbst­ver­such (Teil 1)

von Ma­rie­sa Brahms

Ma­rie­sa Brahms aus der Cam­pus­re­dak­ti­on hat sich in die Selb­st­op­ti­mie­rung ge­stürzt. Ist es ein Hype oder kann sie ein ‚bes­se­rer‘ Mensch wer­den?

Ob Selb­st­op­ti­mie­rung nun ein Trend ist oder ein mensch­li­cher Ur­trieb, dar­über ließe sich eine phi­lo­so­phi­sche Ab­hand­lung schrei­ben. Diese pro­fes­sio­na­li­sier­te Trimm-Dich-Schie­ne, die auf In­sta­gram das Auf­ste­hen um Fünf Uhr mor­gens und das Trin­ken grü­ner Säfte als Lö­sung all mei­ner Pro­ble­me an­preist, kommt mir per­sön­lich wenig na­tür­lich vor.
Aber ich, ge­trie­ben von mei­nen selbst­kri­ti­schen Ge­dan­ken, die im Üb­ri­gen ex­po­nen­ti­ell wach­sen, je län­ger ich auf mei­ner Ex­plo­re-Page auf In­sta­gram her­um­s­crol­le, will na­tür­lich auch die beste Ver­si­on mei­ner selbst sein. So gänz­lich kann ich mich von die­ser Ei­tel­keit näm­lich auch nicht frei­sa­gen.

In „Willi wills wis­sen“ - Ma­nier habe ich mich in den Selbst­ver­such ge­stürzt – drei Tage leben wie Tim Cook und Co! Heißt: Auf­ste­hen um fünf Uhr mor­gens, statt erst um halb neun. Früh­stück mit mög­lichst viel Pro­te­in und mög­lichst wenig Nu­tel­la, und das Soll an Ar­beit bitte schon vor Mit­tag er­le­digt haben. In die­ser Glei­chung ist Frei­zeit na­tür­lich gleich Sport, denn an­schei­nend hat die bes­se­re Ver­si­on von mir mehr Mus­keln oder ein grö­ße­res Lun­gen­vo­lu­men.

Wer glaubt, zwi­schen den Zei­len der ers­ten bei­den Ab­sät­ze eine ge­wis­se Skep­sis wahr­ge­nom­men zu haben, hat rich­tig ge­le­sen. Per­sön­lich finde ich es (ge­lin­de aus­ge­drückt) er­schre­ckend, wie die ‚Selb­st­op­ti­mie­rung‘ bei In­sta­gram über­wie­gend auf phy­si­sche As­pek­te be­schränkt ist. Statt­ge­ge­ben, ich werde an den drei Tagen auch Bü­cher lesen dür­fen. Aber durch das feste Ein­pla­nen in den per­fekt durch­struk­tu­rier­ten Ta­ges­ab­lauf werde ich daran we­ni­ger Freu­de haben. Viel­mehr nehme ich es als Pflicht­punkt wahr, der, wenn ich ihn nicht er­fül­le, eher ein Zeug­nis mei­ner Un­pro­duk­ti­vi­tät ist als eine Frei­zeit­be­schäf­ti­gung.

Wer soll das ei­gent­lich sein, diese op­ti­mier­te Ma­rie­sa? Ich habe die leise Be­fürch­tung, mein ge­gen­wär­ti­ges Ich würde sie mit ab­schät­zi­gen Bli­cken stra­fen, sie als Aus­wuchs der Leis­tungs­ge­sell­schaft ver­spot­ten und sich ge­mein­hin eher schlecht mit ihr iden­ti­fi­zie­ren kön­nen. Eines steht fest: Die bei­den wür­den ei­ni­ge Zeit brau­chen, um mit­ein­an­der klar­zu­kom­men.

Da die­ser Selbst­ver­such wie schon er­wähnt nur drei Tage dau­ert, lege ich wenig Hoff­nung in das Ver­kupp­lungs­vor­ha­ben. Die Ver­si­on mei­ner Selbst, die gern faul rum­liegt, Dead­lines ver­drängt und alles kurz vor knapp macht, wohnt im­mer­hin schon lange genug in mir. Ich füt­te­re sie mit Nu­tel­la-Brot, Pasta und La­kritz, und lasse sie sich dann be­we­gen, wenn sie Lust drauf hat. Das ist eine be­que­me Lö­sung und funk­tio­niert (meis­tens) wun­der­bar. Kein Wun­der also, dass ich den be­vor­ste­hen­den drei Tagen skep­tisch ge­gen­über­stand. Viel­leicht war die Zu­sa­ge für das Ex­pe­ri­ment an die Re­dak­ti­on doch ein biss­chen vor­schnell.

© Fach­hoch­schu­le Kiel