Publikum im Mediendom guckt nach oben in die Kuppel© H. Ohm

Ein­zig­ar­ti­ge Ver­bin­dung von Hoch­schu­le und Me­di­en­dom

von Frie­de­ri­ke Hil­ler

Wie ein gro­ßes Fa­mi­li­en­tref­fen, auf das sich alle freu­en, emp­fan­den die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer die Ta­gung der Ge­sell­schaft deutsch­spra­chi­ger Pla­ne­ta­ri­en im Me­di­en­dom der Fach­hoch­schu­le Kiel. Mit dabei war auch Mar­tin Kraus, der seit etwas mehr als einem Jahr bei der Firma Zeiss für den Be­reich Pla­ne­ta­ri­en zu­stän­dig ist. Bei sei­nem ers­ten Be­such der FH-Kiel emp­fand er die Luft als etwas kühl, lobte aber vor allem die Ver­bin­dung von Hoch­schu­le und Pla­ne­ta­ri­um. Ein In­ter­view von Frie­de­ri­ke Hil­ler.

Herr Kraus, was hat Sie nach Kiel ge­führt?

Für uns ist es die wich­tigs­te Ver­an­stal­tung in Eu­ro­pa und in die­sem Jahr. Eine hö­he­re Be­deu­tung hat nur das alle zwei Jahre statt­fin­den­de welt­wei­te Tref­fen der In­ter­na­tio­nal Pla­ne­ta­ri­um So­cie­ty, das aber erst wie­der im kom­men­den Jahr ist. Wir tref­fen hier alle un­se­re deutsch­spra­chi­gen Kun­den. Wir hören, wie es so läuft und wel­che Be­dar­fe sie für die Zu­kunft haben. Und nach­dem Sciss aus Stock­holm – die Vi­sua­li­sie­rungs­soft­ware für Pla­ne­ta­ri­en ent­wi­ckelt haben – in­sol­vent ge­gan­gen ist und wir die In­sol­venz­mas­se über­nom­men haben, ist ein wei­te­res Ziel für die Ta­gung in Kiel, Kun­den die­ser Firma auch zu be­ra­ten, zu un­ter­stüt­zen und als An­sprech­part­ner ab­zu­ho­len.

Mit dem Namen Zeiss ver­bin­den viele Kon­su­men­ten eher Bril­len- oder Fern­glä­ser, wie pas­sen die Pla­ne­ta­ri­en ins Bild?

Im eu­ro­päi­schen Wis­sen­schafts­be­reich sind wir sehr gut be­kannt, vor allem sind un­se­re Mi­kro­sko­pe in der For­schung sehr prä­sent. Zu den Na­tur­wis­sen­schaf­ten haben wir oft eine Be­zie­hung. Aber viele wis­sen auch nicht, dass bei­spiels­wei­se fast in jedem Mo­bil­te­le­fon die Pro­zes­so­ren von Zeiss-Pro­duk­ten be­lich­tet wur­den.

Seit fast 100 Jah­ren sind Pla­ne­ta­ri­en wich­ti­ge Mar­ken­trä­ger für Carl Zeiss. Optik ist der große rote Faden für Zeiss vom Mi­krobe­reich wie den Be­lich­tungs­ein­hei­ten für Mi­kro­chips bis in den Ma­krobe­reich, zu dem ich die Pla­ne­ta­ri­en mit der Dar­stel­lung des gan­zen Welt­alls zäh­len würde. 

Wie geht es ins­ge­samt der Bran­che?

Die Bran­che steht in einem gro­ßen Um­bruch. Den tech­ni­schen Um­bruch hat­ten wir be­reits mit der Di­gi­ta­li­sie­rung. Jetzt geht es um Kon­so­li­die­rung. Es ist ein re­la­tiv klei­ner Markt, auf dem viele klei­ne Un­ter­neh­men ver­su­chen, zu über­le­ben. Be­son­ders schwie­rig wird das,  wenn sie keine  große Firma im Hin­ter­grund haben, die ihnen auch durch schwie­ri­ge Zei­ten hilft.

Hat Zeiss einen sta­bi­len Hin­ter­grund, da das Un­ter­neh­men be­reits seit Jahr­zehn­ten aktiv ist?

Wir ge­hö­ren zu einem in­ter­na­tio­na­len Kon­zern mit einem Um­satz von 6 Mil­li­ar­den Euro und über 30.000 Mit­ar­bei­tern. Als Teil eines Gro­ß­un­ter­neh­mens mit vie­len Stand­bei­nen ist man si­cher nicht so dy­na­misch und fle­xi­bel wie ein klei­nes Start-up-Un­ter­neh­men, aber dafür ist man fi­nan­zi­ell bes­ser ab­ge­si­chert, man kennt uns, und wir be­kom­men so einen Ver­trau­ens­vor­schuss.

Wie rüs­tet Zeiss sich für die Zu­kunft?

Wir ent­wi­ckeln tech­ni­sche Neue­run­gen und brin­gen Pro­dukt­ent­wick­lun­gen her­aus. Ein Bei­spiel sind sie di­gi­ta­len Vel­vet-Pro­jek­to­ren, die jetzt mit LED-Licht­quel­le an­ge­bo­ten wer­den. Die stel­len wir auch hier im Me­di­en­dom vor. Die LEDs er­set­zen die ex­plo­si­ons­ge­fähr­de­ten Ent­la­dungs­lam­pen. Sie be­nö­ti­gen we­ni­ger En­er­gie, we­ni­ger War­tung, haben eine Le­bens­dau­er von 20.000 Stun­den und die Pro­jek­to­ren wer­den deut­lich lei­ser. Das ist für Pla­ne­ta­ri­en wich­tig. Au­ßer­dem wird der Farb­raum deut­lich er­wei­tert und die Far­ben sind in­ten­si­ver  und kna­cki­ger.

Mehr Farbe, mehr Dar­stel­lungs­mög­lich­kei­ten: Führt das Pla­ne­ta­ri­um der Zu­kunft von der Wis­sen­schaft weg hin zur rei­nen Un­ter­hal­tung?

In den USA und China bei­spiels­wei­se ist der Trend tat­säch­lich sehr deut­lich. Dort fin­den kaum noch as­tro­no­mi­sche Li­veprä­sen­ta­tio­nen statt. Meist ist das Per­so­nal dafür nicht aus­ge­bil­det, es gibt oft nie­man­den mehr in den Vor­füh­run­gen, der über as­tro­no­mi­sches Wis­sen ver­fügt. In deut­lich ge­rin­ge­rem Um­fang kom­men sol­che Ten­den­zen auch im deutsch­spra­chi­gen Raum an. Aber hier wird doch wei­ter­hin Wert dar­auf ge­legt, dass As­tro­no­men die In­hal­te vor­tra­gen und für Fra­gen zur Ver­fü­gung ste­hen. Auch hier­zu­lan­de muss ein brei­te­res, we­ni­ger wis­sen­schafts­af­fi­nes Pu­bli­kum an­ge­spro­chen wer­den, daher ori­en­tie­ren sich alle An­bie­ter mit ihrer Pro­dukt-Road­map an bei­den Be­rei­chen glei­cher­ma­ßen. Für rein as­tro­no­mi­sche Vor­füh­run­gen wären die ver­bes­ser­ten Vel­vet Far­ben nicht nötig ge­we­sen. Aber auch wir wol­len mit un­se­ren Pro­jek­to­ren bunte Un­ter­hal­tungs­shows er­mög­li­chen.

Wie lässt sich trotz des Un­ter­hal­tungs­trends der wis­sen­schaft­li­che As­pekt bei­be­hal­ten?

Es ist ein brei­ter Trend, dass um die Pla­ne­ta­ri­en herum Wis­sen­schafts­zen­tren ent­ste­hen. Mit dem Kon­zept wol­len die In­itia­to­ren er­rei­chen, dass das Pu­bli­kum einen gan­zen Tag auf dem Ge­län­de ver­weilt und sich so auch weite An­fahr­ten loh­nen. Dort steht die Wis­sen­schaft im Vor­der­grund, ge­würzt mit Spaß und In­ter­ak­ti­vi­tät.

Wie wich­tig ist für Sie die As­tro­no­mie?

Sie ist ganz wich­tig für die Per­sön­lich­keits­bil­dung. Sich ge­wahr zu wer­den, wie klein der Ein­zel­ne ist und auch die Erde im Uni­ver­sum. Auch Ant­wor­ten auf die Frage wie die Erde  und das Leben ent­stan­den sind, ist für mich sehr be­we­gend.

Per­sön­lich­keits­bil­dung ist auch ein Teil der schu­li­schen und uni­ver­si­tä­ren Aus­bil­dung. Wes­halb ist der Stand­ort an der Fach­hoch­schu­le Kiel daher so gut ge­wählt?

Damit be­steht die Mög­lich­keit, viele junge Men­schen an das Thema her­an­zu­füh­ren, und es zeigt sich auch, dass in den letz­ten Jah­ren aus Kiel viele Pla­ne­ta­ri­ums­lei­ter und Mit­ar­bei­ter her­vor­ge­gan­gen sind. 

Wie wich­tig sind Pla­ne­ta­ri­en für die wis­sen­schaft­li­che Nach­wuchs­för­de­rung in Ent­wick­lungs­län­dern?

Viele haben heute keine. Vie­len Na­tio­nen ist es sehr wich­tig, ihren wis­sen­schaft­li­chen Nach­wuchs auch für den Welt­raum zu be­geis­tern, um die Na­ti­on vor­an­zu­brin­gen und Vi­sio­nen zu ver­mit­teln. In In­di­en bei­spiels­wei­se sind die Men­schen von dem An­blick des Ster­nen­him­mels so be­geis­tert, weil sie den Ster­nen­him­mel in der Natur auf­grund der Ver­schmut­zung kaum noch sehen. Sie sind ganz wild dar­auf, as­tro­no­mi­sche und kos­mo­lo­gi­sche Dinge zu er­fah­ren – ganz wiss­be­gie­rig.

Ist die­ser Wis­sens­durst auch in der west­li­chen Welt ak­ti­vier­bar?

Auf­stre­ben­de Län­der sind deut­lich wiss­be­gie­ri­ger. Mehr als in ge­sät­tig­ten Län­dern wie Deutsch­land oder den USA. Daher ist es so wich­tig, tech­no­lo­gisch nach­zu­zie­hen. Wie mit der Er­hö­hung der Licht­stär­ke, Auf­lö­sung und Far­ben. Die Ju­gend von heute ist ganz An­de­res ge­wöhnt. Wir kön­nen zwar nicht so schnell sein wie die Un­ter­hal­tungs­in­dus­trie, aber wir müs­sen mit­zie­hen. Die Ein­bin­dung der Ein­rich­tung in die Bil­dungs­ent­wick­lung wie in Kiel ist ein­zig­ar­tig.

Was er­war­ten Sie noch bis zum Ende der Ver­an­stal­tung?

Ich er­war­te noch viele in­ter­es­san­te Ge­sprä­che. Der per­sön­li­che Aus­tausch ist sehr wich­tig. Wenn die Pla­ne­ta­ri­en in die Jahre kom­men, ist auf­grund der tech­ni­schen Fort­ent­wick­lung immer wie­der eine Er­neue­rung er­for­der­lich. Wir schau­en, wie wir die Pla­ne­ta­ri­en un­ter­stüt­zen kön­nen und was für sie mach­bar ist. Es ist oft eine sehr tech­ni­sche Dis­kus­si­on. Die stra­te­gi­sche Dis­kus­si­on er­folgt auf der Ebene der Pla­ne­ta­ri­ums­lei­ter. Diese Dis­kus­si­on muss immer wie­der ge­führt wer­den. Davon nehme ich etwas mit, und es flie­ßt dann in un­se­re Pla­nun­gen mit ein. Das ist für die lang­fris­ti­ge Pla­nung der Pro­duk­te wich­tig. Es tau­chen immer wie­der neue As­pek­te auf, das ist über­ra­schend und wich­tig für Trends und neue Ideen. 

Vie­len Dank für das Ge­spräch, Herr Kraus!

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