Eine Windkraftanlage© S. Forson
Bei der Planung und dem Betrieb von Windkraftanlagen spielt auch der Naturschutz eine Rolle.

Erneuerbare Energien und Naturschutz in Einklang bringen

von Joachim Kläschen

Wer an der FH Kiel „Erneuerbare Offshore Energien“ studiert, lernt nicht nur alles über Konstruktion und Funktion riesiger Windkraftanlagen, sondern auch, wie sich deren Betrieb mit dem Naturschutz in Einklang bringen lässt. Dieses Wissen vermittelt Dr. Thilo Liesenjohann im Modul „Umweltschutz Offshore“. Das Zusammenspiel von Umweltschutz und Energieerzeugung ist unter anderem durch das Bundesnaturschutzgesetz und die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie geregelt. „Dort ist unter anderem festgelegt, dass Störung, Vertreibung, Verletzung und Tötung von Tieren nicht zulässig sind“, erklärt Liesenjohann. „Als besonders schützenswert gelten heimische Tierarten, wie Schweinswale, die ihre Aufenthaltsgebiete zum Beispiel im Sommer in der Nordsee vor Sylt haben und dort auch ihren Nachwuchs bekommen, oder an Land windkraft-sensible Vogelarten wie Rotmilan, Seeadler und Schwarzstorch“, führt der promovierte Biologe weiter aus.

Gefährdungen für Schweinswale treten vor allem auf, wenn die Fundamente für die Anlagen in den Meeresboden gerammt werden müssen. „Dabei kommen gigantische Rohre, sogenannte Monopiles, mit einer Länge von bis zu 100 Metern und einem Durchmesser von bis zu 10 Metern zum Einsatz, die gerne um die 1.000 Tonnen wiegen“, weiß Liesenjohann. Der beim Rammen entstehende Lärm kann das Gehör der Schweinswale verletzen, die – wie Fledermäuse – ihre Nahrung per Ultraschall aufspüren, so dass die betroffenen Meeressäuger schließlich verhungern. „Um das zu vermeiden, werden mit riesigen Kompressoren sogenannte Blasenschleier um die Meeres-Baustellen gelegt. Dann umgeben einfache oder doppelte Ringe aus Luftblasen die Arbeiten und senken die Geräuschemissionen“, erklärt der Dozent. Zudem werden bereits vor dem Beginn der Arbeiten für die Tiere unangenehme Geräusche abgespielt, um sie aus dem Umkreis zu vergrämen.

Um sicherzustellen, dass das Errichten der Anlagen auch langfristig keine negativen Auswirkungen auf die Meeresfauna hat, müssen Biologinnen und Biologen die Populationen der Tiere über Jahre beobachten. „Bereits drei Jahre vor Beginn der Arbeiten werden die Schweinswal-Bestände im Revier überwacht und gezählt. Dieses Monitoring wird dann auch noch drei Jahre nach dem Ende der Installation fortgesetzt“, weiß der Biologe. Durch einen Vorher-Nachher-Vergleich lässt sich nachweisen, ob die Tiere dauerhaft gestört beziehungsweise vertrieben wurden, was einen Verstoß gegen die gesetzlichen Auflagen bedeuten würde. „Zwar gibt es schonendere Methoden als das Rammen, wie die Arbeit mit Vibration oder das sogenannte Blue Piling, bei dem eine mächtige Wassersäule zum Einsatz kommt“, erklärt Liesenjohann. „Allerdings eignen sich diese Techniken oft nicht für Arbeiten in Nord- und Ostsee mit ihren spezifischen Böden, die verschieden dichte Bodenschichten und große Gesteinsbrocken enthalten können.“ Eine weitere geräuscharme Alternative, insbesondere bei größeren Wassertiefen, sind schwimmende Windkraftanlagen, die kein gerammtes Fundament benötigen, sondern mit Ketten im Meeresboden verankert werden.

Beim Vogelschutz an Land ist gegenwärtig Prävention das Maß der Dinge. „Grundsätzlich spielt das Umfeld einer Anlage hier die Hauptrolle“, weiß Liesenjohann. „Für ein- und ausfliegende Seeadler werden Anlagen entsprechend seiner Aktivitätsmuster abgeschaltet. Auch wenn sich Störchen und anderen gefährdeten Vögeln durch das Mähen der Felder Futterquellen auftun ist eine Abschaltung bis zu fünf Tage nach einem sogenannten Mahd-Ereignis üblich.“ Ein heftiger Schlag ins Kontor eines Betreibers ist es indes, wenn geschütze Arten wie der Rotmilan in der Nähe brüten. Dann kann es sein, dass eine Windkraftanlage gut ein Viertel des Jahres stillsteht und in dieser Zeit keine Energie erzeugen kann. Daher ist die Windkraft-Branche an effektiveren Möglichkeiten interessiert, Umweltschutz und Energiegewinnung miteinander zu harmonisieren und dauerhafte beziehungsweise pauschale Abschaltzeiten zu vermeiden.

„In den Niederlanden soll mit eingefärbten Rotorblättern experimentiert werden“, erklärt der Dozent ein Beispiel für eine mögliche Technologie. „So sollen Kontraste entstehen, die es den Vögeln ermöglichen, den Rotor besser wahrzunehmen.“ Allerdings wirkt das nur auf Zugvögel mit dem Blick nach vorn und bietet keinen Schutz für Greifvögel, die ihren Blick auf Beute am Boden richten. Hoffnungsträger der Branche sind Automatische-Abschalt-Systeme (sogenannte Antikollisionssystme AKS). „Kameras an den Anlagen dokumentieren Flugbewegungen in Echtzeit und im Zusammenspiel mit künstlicher Intelligenz soll es künftig möglich sein, beim vorausgesagten Einfliegen einer windkraft-sensiblen Art eine Anlage binnen 30 Sekunden abzuschalten“, erklärt der Biologe die Technologie. Allerdings kann das schnelle Stoppen der Anlagen erhöhten Verschleiß verursachen, sodass die Anlagenbauer an neuen Abschalt-Algorhytmen arbeiten. „Umweltschutz und erneuerbare Energien sind also untrennbar miteinander verbunden“, schließt Liesenjohann.

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