Auf einem Steinboden steht in gelben Buchstaben "MIND THE GAP".© Pixa­bay

Gap Year: Warum Pau­sen manch­mal gut­tun

von viel.-Re­dak­ti­on

Ein Gap Year nach dem Ba­che­lor- oder Mas­ter­ab­schluss: Diese Mög­lich­keit ent­de­cken immer mehr Stu­die­ren­de für sich. Sie wol­len rei­sen, ein Prak­ti­kum ma­chen, sich wei­ter­bil­den, ihre Prio­ri­tä­ten neu set­zen oder sich ganz um­ori­en­tie­ren. Was es mit die­sem Lü­cken­jahr auf sich hat, be­rich­tet euch die viel.-Re­dak­ti­on heute aus­führ­lich.

Der Be­griff „Gap Year“ ist in den USA und Eng­land nichts Neues, kommt aber in Deutsch­land in den letz­ten Jah­ren erst rich­tig ins Rol­len. Es geht um die „Lücke“, eine Zeit zwi­schen zwei enorm wich­ti­gen Le­bens­ab­schnit­ten, die man sich be­wusst nimmt. Das heißt nicht, ziel­los um­her­zu­wan­dern und mal hier, mal dort zu ar­bei­ten, zu fau­len­zen oder ohne Plan rum­zu­hän­gen – wie man­cher viel­leicht ver­mu­ten würde.

Das Ge­gen­teil ist der Fall: Ein Gap Year dient dazu, einen Zeit­raum be­wusst zu nut­zen, um Neues aus­zu­pro­bie­ren, Spra­chen zu ler­nen, Er­fah­run­gen in an­de­ren Ar­beits­ge­bie­ten zu sam­meln, sich selbst ken­nen­zu­ler­nen und die Welt zu er­for­schen, ehe man sich für ein län­ger­fris­ti­ges Ar­beits­mo­dell ent­schei­det. Diese Zeit macht es mög­lich, sich aus­gie­big aus­zu­pro­bie­ren und wei­ter­zu­bil­den, wie es im spä­te­ren Job kaum noch mög­lich wäre. Wer sich selbst Frei­raum gibt und sich ent­schlie­ßt, die Per­sön­lich­keit zu for­men und fes­ti­gen, um zu wis­sen, was man ei­gent­lich von der Ar­beits­welt möch­te, ist si­cher­lich bes­ser auf­ge­stellt als viele, die di­rekt nach dem Ba­che­lor in den Mas­ter star­ten, ohne sich Ge­dan­ken ge­macht zu haben.

Aber woher stammt die­ser plötz­li­che Trend? Man kann den Wunsch der „Zwi­schen­zeit“ oder „Ori­en­tie­rungs­pha­se“ mit der Bo­lo­gna-Re­form und der Tei­lung der aka­de­mi­schen Aus­bil­dung in Grund- und Ver­tie­fungs­stu­di­um (Ba­che­lor und Mas­ter) in Ver­bin­dung brin­gen. Die Lücke zwi­schen bei­den Bil­dungs­gra­den ist wie ge­schaf­fen für das Gap Year.

Einem Gap Year sind kaum Gren­zen ge­setzt. Der Zeit­raum, der nicht auf ein Jahr fest­ge­legt ist, son­dern auch sechs oder 18 Mo­na­te dau­ern kann, kann bei­spiels­wei­se für

  • Au-Pair-Diens­te
  • Prak­ti­ka
  • Work & Tra­vel
  • ein Frei­wil­li­ges So­zia­les Jahr
  • ein Stu­di­um Ge­ne­ra­le
  • eine Um­schu­lung oder Wei­ter­bil­dung
  • Kurse zur Mo­ti­va­ti­on und Krea­ti­vi­tät
  • Burn-Out-Prä­ven­ti­on oder
  • In­ten­si­ve Fa­mi­li­en­pha­sen

ge­nutzt wer­den.

Das Gap Year er­in­nert an das Sab­ba­ti­cal, das so­ge­nann­te Sab­bat­jahr. Ein Sab­ba­ti­cal ist ein lan­ger Son­der­ur­laub, den man sich unter be­stimm­ten Um­stän­den im spä­te­ren Be­rufs­le­ben neh­men kann. Auch die­ses Mo­dell stammt aus den USA, wo ein Sab­ba­ti­cal als die Zeit be­zeich­net wird, die man sich als Wis­sen­schaft­ler oder Wis­sen­schaft­le­rin für ein For­schungs- oder Frei­se­mes­ter nimmt.

„Eine Lücke im Le­bens­lauf“, den­ken ei­ni­ge jetzt pa­nisch. „Das kann ich nicht ver­ant­wor­ten. So finde ich kei­nen Job. Meine Kar­rie­re­chan­cen!“ Dass diese Sor­gen oft­mals un­be­grün­det sind, be­stä­ti­gen viele Per­so­nal­be­ra­tun­gen. Der stän­di­ge Op­ti­mie­rungs­wahn jun­ger Men­schen nehme Über­hand, sagen sie. Luft und Raum für krea­ti­ve Schlen­ker, für Le­bens­er­fah­rung und fri­sche Im­pul­se seien oft viel at­trak­ti­ver für Ar­beit­ge­ber, als Best­no­ten und ein glatt­ge­bü­gel­ter Bil­dungs­weg seit der Grund­schu­le. So ach­ten man­che Un­ter­neh­men mitt­ler­wei­le sogar dar­auf, keine Stu­die­ren­den ein­zu­stel­len, die nach dem Schul­ab­schluss ra­sant durch Ba­che­lor, Mas­ter und Prak­ti­kum mit Best­no­ten ge­rauscht sind und mit Mitte zwan­zig in den Job star­ten wol­len – am bes­ten in einer Füh­rungs­po­si­ti­on, aber ohne zu wis­sen, was sie be­ruf­lich er­war­tet und was sie per­sön­lich vom Leben wol­len.

Also Mut zur Lücke, weg vom Cam­pus­le­ben und vom Be­rufs­start nach dem all­be­kann­ten Sche­ma F? Ja, wenn man be­grün­den kann, warum man sich ein Gap Year nimmt. Wie gut die Aus­zeit spä­ter bei Be­wer­bungs­ge­sprä­chen an­kommt, hängt immer von der Qua­li­tät des Lü­cken­jahrs ab und davon, wie über­zeu­gend man den per­sön­li­chen Nut­zen be­grün­den kann. Kein/e Aus­zeit­ler/in braucht Angst vor einem ka­put­ten Le­bens­lauf zu haben. Ins Brö­ckeln gerät ein Le­bens­lauf erst, wenn man jedes Jahr die Stel­le wech­selt, weil man nicht weiß, was zu einem passt. Da hilft es ganz be­stimmt, vor­her her­aus­zu­fin­den, wofür das Herz schlägt.

Viel­leicht passt ein Gap Year nicht in den Le­bens­weg, den ihr euch vor­ge­stellt habt – oder eben genau jetzt in euren Plan. Er­zählt uns von euren Ge­schich­ten und Er­fah­run­gen, hier oder auf Face­book!

Julia Kö­nigs

© Fach­hoch­schu­le Kiel