Prof. Christoph Weber bei der Online-Lehre im Homeoffice © Pri­vat
Der Dekan des Fach­be­reichs In­for­ma­tik und Elek­tro­tech­nik, Prof. Chris­toph Weber, bei der On­line-Lehre im Ho­me­of­fice.

Gut auf­ge­stellt für die ak­tu­el­len und kom­men­den Her­aus­for­de­run­gen

von Frau­ke Schä­fer

Einen Monat nach dem vir­tu­el­len Start des Som­mer­se­mes­ters zieht die Fach­hoch­schu­le (FH) Kiel eine über­wie­gend po­si­ti­ve Bi­lanz. Auf das am 13. März 2020 be­schlos­se­ne Ver­bot von Prä­senz­leh­re hat­ten die Ver­ant­wort­li­chen an den Fach­be­rei­chen schnell re­agiert und übers Wo­chen­en­de eine weit­ge­hen­de Ver­la­ge­rung der Lehre ins In­ter­net rea­li­siert. So konn­te das Se­mes­ter frist­ge­recht am Mon­tag, 16. März, star­ten. Obers­tes Ziel des Prä­si­di­ums, so FH-Prä­si­dent Prof. Dr. Udo Beer, war und ist, das Som­mer­se­mes­ter er­folg­reich zu Ende zu brin­gen. „Wenn mög­lich sol­len un­se­re Stu­die­ren­den alle nach dem Cur­ri­cu­lum vor­ge­se­he­nen Lehr­ver­an­stal­tun­gen be­le­gen kön­nen. Dies schaf­fen wir auch zu einem sehr hohen An­teil. So geht selbst von einer Be­dro­hung ein po­si­ti­ver Im­puls aus, von dem un­se­re Hoch­schu­le pro­fi­tie­ren wird. Die Di­gi­ta­li­sie­rung der Lehre hat einen er­heb­li­chen Schub er­fah­ren und vor allem Be­fürch­tun­gen der Leh­ren­den ab­ge­baut.“  

Zwei Um­stän­de hat­ten die Um­stel­lung an der FH Kiel be­güns­tigt: die lang­jäh­ri­ge Nut­zung der Lehr- und Lern­platt­form Mood­le und die Er­fah­rung mit On­line-Stu­di­en­gän­gen. Ins­ge­samt bie­tet die FH Kiel sie­ben On­line-Ba­che­lor- und Mas­ter­stu­di­en­gän­ge an. Das zuvor ge­nutz­te Web­kon­fe­renz­sys­tem Adobe Con­nect war der plötz­lich ge­stie­ge­nen in­ten­si­ven Nut­zung durch zahl­rei­che deut­sche Hoch­schu­len nicht ge­wach­sen, des­we­gen set­zen die Leh­ren­den zu­nächst unter an­de­rem die Soft­ware Zoom für den Aus­tausch und die Kom­mu­ni­ka­ti­on ein. Um die Da­ten­si­cher­heit zu er­hö­hen, hat die FH Kiel eine Hoch­schul­li­zenz er­wor­ben. Durch den An­mel­de­pro­zess über ei­ge­ne Ser­ver sei si­cher­ge­stellt, dass die Zu­gangs­da­ten nicht mehr beim An­bie­ter lie­gen, er­klärt Vi­ze­prä­si­dent Prof. Dr.-Ing. Klaus Le­bert: „In un­se­ren Da­ten­schutz­hin­wei­sen ma­chen wir auch deut­lich, dass ver­trau­li­che Do­ku­men­te und In­for­ma­tio­nen nur über un­se­re Lehr- und Lern­platt­form Mood­le aus­ge­tauscht wer­den dür­fen. Die­ses Sys­tem wird bei On­cam­pus in Lü­beck ge­hos­tet.“

Prof. Dr. Ma­ri­ta Sper­ga, Vi­ze­prä­si­den­tin für Stu­di­um und Lehre, be­ob­ach­tet eine große So­li­da­ri­tät unter den Fach­be­rei­chen. Sie freut sich über die Be­reit­schaft, mit der Si­tua­ti­on krea­tiv und kon­struk­tiv um­zu­ge­hen und In­for­ma­tio­nen zu tei­len. „Für die Leh­ren­den und alle, die sie in die­ser Zeit de­zen­tral und zen­tral un­ter­stüt­zen, war und ist die Um­stel­lung auf E-Lear­ning mit einem er­heb­li­chen Mehr­auf­wand ver­bun­den. Gleich­zei­tig wird in die­ser Si­tua­ti­on aber auch deut­lich, dass die be­son­de­re Qua­li­tät der Prä­senz­leh­re nicht zu er­set­zen ist. Viele Leh­ren­de ver­mis­sen den di­rek­ten Kon­takt zu ihren Stu­die­ren­den.“

Na­tür­lich gab und gibt es auch Stu­di­en­be­stand­tei­le, die nicht ins In­ter­net ver­la­gert wer­den kön­nen. Am Fach­be­reich Agrar­wirt­schaft in Os­ter­rön­feld sind dies z.B. Wahl­mo­du­le, die auf dem Ver­suchs­feld statt­fin­den, an den tech­ni­schen Fach­be­rei­chen La­bor­übun­gen. Sol­che Ver­an­stal­tun­gen mit hohem Pra­xis­an­teil sol­len am Ende des Se­mes­ters nach­ge­holt wer­den. Der Hoch­schul-Shut­down er­eil­te vier der sechs Fach­be­rei­che am Ende ihrer Prü­fungs­pha­se; die Fach­be­rei­che Agrar­wirt­schaft und So­zia­le Ar­beit und Ge­sund­heit hat­ten noch nicht mit ihren Prü­fun­gen be­gon­nen. Aus­ge­fal­le­ne Prü­fun­gen sol­len vir­tu­ell und in Prä­senz nach­ge­holt wer­den. Dies kann, unter Be­rück­sich­ti­gung der von der Lan­des­re­gie­rung er­las­se­nen Hy­gie­ne­ver­ord­nun­gen, frü­hes­tens Mitte Mai ge­sche­hen.

Be­reits in der zwei­ten On­line-Vor­le­sungs­wo­che hatte die Wirt­schafts­in­for­ma­tik-Pro­fes­so­rin Dr. Doris We­ßels eine Blitz­um­fra­ge zur Zu­frie­den­heit der Stu­die­ren­den mit der On­line-Lehre in­iti­iert. Mi­chae­la Knaf­la, Mas­ter­stu­den­tin der Be­triebs­wirt­schafts­leh­re an der FH Kiel, hat sie durch­ge­führt. Fast 1500 FH-Stu­die­ren­de aller sechs Fach­be­rei­che be­tei­lig­ten sich. Zwei Drit­tel der Teil­neh­men­den äu­ßer­te sich ‚zu­frie­den‘ oder sogar ‚sehr zu­frie­den‘ mit der spon­tan er­folg­ten Um­stel­lung. 58 Pro­zent spra­chen sich dafür aus, On­line-Lehre dau­er­haft in die Prä­senz­leh­re ein­zu­bet­ten.

Die Hoch­schul­lei­tung er­rei­chen aber auch an­de­re Rück­mel­dun­gen. Schlie­ß­lich ste­hen die Stu­die­ren­den vor den­sel­ben Her­aus­for­de­run­gen wie der Rest der Ge­sell­schaft: Wer eine schlech­te In­ter­net­ver­bin­dung hat, kann gar nicht oder nur ein­ge­schränkt an der On­line-Lehre teil­neh­men. Schwie­rig ist die Si­tua­ti­on auch für Stu­die­ren­de, deren psy­chi­sche Er­kran­kung sich auf­grund von Iso­la­ti­on oder dem Weg­fall fes­ter Ta­ges­struk­tu­ren ver­stärkt. Wer mit Exis­tenz­ängs­ten kämpft, weil er seine Ein­kom­mens­mög­lich­kei­ten ver­lo­ren hat, kann sich nur schwer oder gar nicht auf das Stu­di­um kon­zen­trie­ren; das gilt im Be­son­de­ren auch für Stu­die­ren­de, die auf­grund ge­schlos­se­ner Kitas und Schu­len ihre Kin­der zu­hau­se be­treu­en oder in der jet­zi­gen Si­tua­ti­on Pfle­ge­ver­ant­wor­tung über­neh­men müs­sen. „Mit der Co­ro­na-Krise sind neue Ziel­kon­flik­te ent­stan­den und alte deut­lich ver­schärft wor­den. Wir sind uns des­sen be­wusst, und dafür gibt es lei­der keine ein­fa­chen Lö­sun­gen“, so FH-Prä­si­dent Beer. „Aber aus den ver­gan­ge­nen Wo­chen hat die Hoch­schu­le auch ge­lernt, dass Stu­die­ren­de mit einem Ge­sund­heits­ri­si­ko oder einem Ziel­kon­flikt zwi­schen Stu­di­um, Pfle­ge und Job, die Chan­ce zur Fort­set­zung ihres Stu­di­ums sehr wohl schät­zen. Die Hoch­schul­lei­tung über­legt daher, be­stimm­te An­ge­bo­te bis zum Ende des Se­mes­ters on­line an­zu­bie­ten."

Die Mit­ar­bei­ter*innen der Zen­tral­bi­blio­thek (ZB) der FH auf dem Kie­ler Cam­pus hat­ten in den ver­gan­ge­nen vier Wo­chen trotz oder ge­ra­de wegen der Schlie­ßung der ZB eine Menge zu tun, sagt ZB-Lei­te­rin Ute Ka­mi­ni­ski: „Wir haben wie die Welt­meis­ter E-Books be­stellt und Da­ten­ban­ken für den re­mo­te ac­cess, den Heim­zu­gang, öff­nen las­sen. Au­ßer­dem haben wir 1800 UTB-Lehr­bü­cher für alle Fach­be­rei­che bis Ende des Jah­res 2020 zur Nut­zung vor Ort und von zu­hau­se aus frei­schal­ten las­sen.“ Seit­dem kön­nen Mit­glie­der der Hoch­schu­le zum Bei­spiel auch von zu­hau­se aus auf die Da­ten­bank Beck-On­line zu­grei­fen. Den­noch plant Ka­min­ski, die Bi­blio­thek auf dem FH-Cam­pus so schnell wie mög­lich wie­der zu öff­nen, mit den ent­spre­chen­den hy­gie­ni­schen Maß­nah­men und rei­ner The­ken­aus­lei­he und -rück­ga­be. Ein Auf­ent­halt in der Bi­blio­thek wird auch dann nicht mög­lich sein. Für die Bi­blio­thek am Fach­be­reich Agrar­wirt­schaft ist das­sel­be Vor­ge­hen ge­plant.

Auch Stu­die­ren­den­pro­jek­te sind von den Ein­schrän­kun­gen be­trof­fen. So hat das Team von Raceyard, das For­mu­la Stu­dent Pro­jekt der Fach­hoch­schu­le Kiel, die ge­mein­sa­me prak­ti­sche Ar­beit am ak­tu­el­len Renn­wa­gen „schwe­ren Her­zens" vor­erst ge­stoppt und kon­zen­triert sich auf alles, was auch on­line zu ma­chen ist. „Dazu ge­hö­ren neben der tech­ni­schen Do­ku­men­ta­ti­on auch die Ar­beit an den sta­ti­schen Dis­zi­pli­nen der For­mu­la Stu­dent. So ar­bei­ten wir ak­tu­ell am En­gi­nee­ring De­sign Re­port, Cost Re­port und Busi­ness Plan, wel­che auf den Events der Jury vor­ge­stellt wer­den müs­sen. Auch sto­ßen wir be­reits die Ent­wick­lung der zu­künf­ti­gen Renn­wa­gen an. Die für diese Sai­son ge­plan­ten Ren­nen in Un­garn, der Nie­der­lan­de und Schweiz waren oh­ne­hin nach und nach ab­ge­sagt wor­den", er­klärt Team­chef John­ny To.

Aus­ge­bremst sind auch die Tief­bau­ar­bei­ten für das Selbst­lern­zen­trum im Nor­den des Cam­pus. Sie muss­ten auf Wei­sung des Kampf­mit­tel­räum­diens­tes ein­ge­stellt wer­den, da bei einem Bom­ben­fund nicht eva­ku­iert wer­den könn­te, er­klärt Uwe Bothe, der Lei­ter der Bau- und Lie­gen­schafts­ver­wal­tung: „Die für Ende April vor­ge­se­he­ne Grund­stein­le­gung wird zwar nicht statt­fin­den, noch hal­ten wir aber an dem Über­ga­be­ter­min Mitte 2022 fest. Die Fir­men ste­hen be­reit, um die Ar­beit so­fort wie­der­auf­zu­neh­men. Un­se­re Auf­ga­be ist es, in enger Ab­stim­mung mit den Ent­schei­dungs­trä­gern alles dafür zu tun, dass die Un­ter­bre­chungs­pha­se so kurz wie mög­lich ge­hal­ten wird. Wir blei­ben op­ti­mis­tisch.“

© Fach­hoch­schu­le Kiel