Menschen in einem Seminar© C. Solterbeck
Dipl.-Stat. Stefanie Beinhauer (r.) entwickelt mit einem Team das Didaktik-Konzept weiter, das Michalina und Benedikt Albrecht (l.) schätzen gelernt haben.

„Hier nehmen wir Mathe persönlich“

von Joachim Kläschen

Wer einmal einen Ingenieurberuf ausüben möchte, kommt um Mathe nicht herum. Weil jedoch viele Studierende mit Mathe hadern, hat ein Team am Fachbereich Maschinenwesen der Fachhochschule Kiel ein Lehr- und Lernkonzept entwickelt, das den Lernbedürfnissen den Studierenden so weit wie möglich entgegenkommt. „Wir haben vor einigen Jahren analysiert, vor welchen Mathe-Herausforderungen die Studierenden stehen. Unser Mathe-Didaktik-Konzept, an dem zahlreiche Kolleginnen und Kollegen mitgearbeitet haben, adressiert viele dieser Herausforderungen“, erklärt Dipl.-Stat. Stefanie Beinhauer, die als Lehrkraft für besondere Aufgaben am Fachbereich Maschinenwesen tätig ist. „Und wir arbeiten noch immer weiter daran, dieses Lehr- und Lernkonzept mit einem tollen Team zu verbessern“, fügt Prof. Dr. Steffen Risius hinzu, der ebenfalls am Fachbereich Maschinenwesen tätig ist.

Die grundsätzliche Krux: Die Mathe-Kompetenzen, die in den ersten beiden Semestern vieler ingenieurswissenschaftlicher Studiengänge der FH Kiel vermittelt werden, sind eine wichtige Grundlage, auf die viele Module im weiteren Studium aufbauen. „Allerdings ist unter Studierenden gerade im Fach Mathematik Prokrastination, also Aufschieben der Teilnahme an der Prüfung verbreitet“, erklärt Beinhauer. „Doch das führt dann schließlich zu Problemen, denn irgendwann geht es auch formal ohne den Studienerfolg in Mathematik nicht weiter.“ Ursachen für Mathe-Vermeidung liegen neben der Abstraktheit des Gegenstandes wohl in Vorurteilen und womöglich auch schlechten Erfahrungen. Risius, früher selbst als Lehrer tätig, ist es daher ein Anliegen, stets die Sinnhaftigkeit des Stoffs aufzuzeigen. Er gibt lachend ein Beispiel: „Komplexe Zahlen liegen nicht jedem, aber sie sind immer an Bord, wenn etwas schwingt. Und im Maschinenbau schwingt so Einiges.“

Auch die Angst, bei der finalen Matheprüfung am Ende des Semesters zu versagen, war unter Studierenden weit verbreitet. Daher hat das Team am Fachbereich Maschinenwesen Lehr-Lern-Umgebungen entwickelt, die kontinuierliches, zeitnahes Feedback ermöglichen und zudem ‚semesterbegleitende Prüfungen‘ eingeführt. Die in den Vorlesungen vermittelten Konzepte diskutieren die Studierenden wöchentlich in kleinen Gruppen. Anschließend können sie das Verständnis der aktuellen Inhalte beim Lösen von zum Teil digitalen Übungsaufgaben unter Beweis stellen. So erarbeiten die Studierenden sich nicht nur die Lösungsstrategien besser, sie können durch die Bearbeitung der Übungsaufgaben und erfolgreich absolvierte zusätzliche „Wissenstests“ über das ganze Semester Punkte für die Modulprüfung sammeln. Im besten Fall benötigen sie dann zum Bestehen des letzten Zwischentests nur noch einen Teil der erforderlichen Mindestpunktzahl.

Das dieses Konzept aufgeht, bestätigt Benedikt Albrecht (34), der am Fachbereich Internationales Vertriebs- und Einkaufsingenieurwesen (IVE) studiert: „Durch die kontinuierliche Auseinandersetzung mit den Themen und den Austausch in der Lerngruppe, bleibt man am Ball. Und weil man sich im Vorfeld viele Punkte erarbeiten kann, geht man deutlich entspannter in die letzte entscheidende Prüfung.“ Auch seine Frau Michalina (26), ebenfalls IVE-Studentin, findet das Konzept stimmig: „Im Gegensatz zur Schule, wo man am Ende der Stunde mit seinen Fragen allein dastand, wird einem an der FH immer geholfen. Nicht nur in den Lerngruppen, auch im Umgang mit den Professorinnen und Professoren fühlt man sich auf Augenhöhe und kann auch jederzeit Fragen stellen, auch per Email.“

Tatsächlich spielt das Persönliche in der Lehre eine große Rolle. Stefanie Beinhauer erläutert: „Im Laufe der Zeit lernt man die Studierenden kennen und weiß, welche Themen ihnen mehr oder auch weniger liegen. Auf mögliche Fehlkonzepte gehen wir dann auch gerne ein“. „Schließlich nehmen wir Mathe persönlich“, lacht Professor Risius. Als eine besondere Herausforderung, wie auch Bereicherung sieht er die Heterogenität der Studierendenschaft: „In den Lerngruppen treffen junge Menschen, die frisch aus der Schule kommen, mit lebenserfahrenen zusammen, die bereits im Berufsleben standen. Es ist großartig zu sehen, wie man sich untereinander hilft und alle sich etwas zu geben haben.“

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