Forschungsstand der autonomen Pendelfähre© F. Schä­fer
Stell­ten den Pla­nungs­stand der au­to­no­men Pen­del­fäh­re der CAPTN-In­itia­ti­ve vor – das Pro­jekt­team um Ver­kehrs­mi­nis­ter Claus Ruhe Madsen (zwei­ter von rechts).

In­no­va­ti­ves Fähr­schiff soll au­to­nom auf der Schwen­ti­ne­mün­dung pen­deln

von Lan­des­haupt­stadt Kiel

Auf der Kie­ler Förde pen­delt eine Pas­sa­gier­fäh­re – ganz ohne mensch­li­che*n Ka­pi­tän*in an Bord. Noch ist es Zu­kunfts­mu­sik, aber seit ei­ni­gen Jah­ren er­forscht die Kie­ler CAPTN-In­itia­ti­ve, zu der zahl­rei­che Part­ner*innen aus Wis­sen­schaft, Wirt­schaft, Po­li­tik und Ver­wal­tung ge­hö­ren, den au­to­no­men CAPTN-Fähr­ver­kehr. CAPTN steht dabei für Clean Au­to­no­mous Pu­blic Trans­port, auf Deutsch: Sau­be­res (= kli­ma­freund­li­ches) au­to­no­mes (= selbst­fah­ren­des) öf­fent­li­ches Trans­port­netz­werk.

Ge­tes­tet wer­den soll nun erst­ma­lig der au­to­no­me Pen­del­ver­kehr auf der Schwen­ti­ne­mün­dung zwi­schen den An­le­gern Diet­richs­dorf (nahe Fach­hoch­schu­le Kiel) und Wel­ling­dorf (nahe Geo­mar) auf dem Ost­ufer der Kie­ler Förde. Eine im Ok­to­ber 2024 ge­grün­de­te Pro­jekt­grup­pe, zu der die CAPTN-In­itia­ti­ve, die Fach­hoch­schu­le Kiel und die For­schungs- und Ent­wick­lungs­zen­trum Fach­hoch­schu­le Kiel GmbH, die Lan­des­haupt­stadt Kiel und das Mi­nis­te­ri­ums für Wirt­schaft, Ver­kehr, Ar­beit, Tech­no­lo­gie und Tou­ris­mus des Lan­des Schles­wig-Hol­stein ge­hö­ren, will die­ses in­no­va­ti­ve Trans­port­mit­tel auf dem Was­ser mög­lich ma­chen.

Das ge­mein­sa­me Ziel aller Pro­jekt­be­tei­lig­ten: Im Jahr 2028 soll eine ei­gens für die­sen Zweck kon­stru­ier­te Fähre ihren Pro­be­be­trieb auf­neh­men – zu­nächst noch teil­au­to­nom (ein Be­sat­zungs­mit­glied), spä­ter dann voll­au­to­nom. Fu­ß­gän­ger*‘innen und Fahr­rad­fah­rer*innen kön­nen damit schnell von einem Ufer der Schwen­ti­ne­mün­dung zum an­de­ren ge­lan­gen.

Diese selbst­fah­ren­de Pen­del­fäh­re wäre nicht nur ein auf­se­hen­er­re­gen­des Bei­spiel für au­to­no­me Ver­kehrs­mit­tel auf dem Was­ser, sie hat zudem einen gro­ßen ver­kehr­li­chen Nut­zen: Mit­ar­bei­ter*innen und Stu­dent*innen der Fach­hoch­schu­le Kiel haben eine deut­lich kür­ze­re An­fahrt zur FH in Neu­müh­len-Diet­richs­dorf und sie kom­men von dort schnel­ler zu den Räum­lich­kei­ten der Hoch­schu­le auf dem See­fisch­markt­ge­län­de in Wel­ling­dorf, weil der Umweg über die Alten Schwen­ti­ne­brü­cken ent­fällt. Die Schwen­ti­ne­fähr­li­nie der Schlepp-und Fähr­ge­sell­schaft Kiel (SFK) müss­te nur noch einen der bei­den An­le­ger be­die­nen und könn­te daher häu­fi­ger zwi­schen dem Kie­ler West­ufer und dem Ost­ufer pen­deln.

Kiels Mo­bi­li­täts­de­zer­nen­tin Alke Voß sieht in die­sem Pro­jekt viele Vor­tei­le für alle Be­tei­lig­ten: „Un­se­re gro­ß­ar­ti­ge prag­ma­ti­sche Zu­sam­men­ar­beit in den letz­ten Mo­na­ten für die Rea­li­sie­rung einer teil­au­to­no­men Fähre auf der Schwen­ti­ne ist ein Aus­hän­ge­schild für die Wis­sen­schafts­stadt Kiel! Hier wird die ma­ri­ti­me Zu­kunft ge­macht. Wir sor­gen in Kiel für bes­se­re Ver­keh­re auf dem Was­ser und ne­ben­bei gehen wir mit au­to­no­men Fäh­ren noch das Pro­blem des Fach­kräf­te­man­gels auf dem Was­ser an.“

Schles­wig-Hol­steins Wirt­schafts- und Ver­kehrs­mi­nis­ter Claus Ruhe Madsen: „Das au­to­no­me Fah­ren ist eines der ma­ß­geb­li­chen Zu­kunfts­the­men und al­ter­na­ti­ve, um­welt­scho­nen­de An­trie­be sind er­for­der­lich für die Ver­kehrs­wen­de. Daher för­dern und un­ter­stüt­zen wir seit meh­re­ren Jah­ren die CAPTN-In­itia­ti­ve. Ge­mein­sam mit der In­itia­ti­ve, der Stadt Kiel und der Fach­hoch­schu­le wagen wir nun den nächs­ten Schritt, um lang­fris­tig au­to­nom fah­ren­de Schif­fe in der Per­so­nen­be­för­de­rung ein­zu­set­zen. Das Lan­des­pro­gramm Wirt­schaft bie­tet hier ei­ni­ge Mög­lich­kei­ten, die wir ak­tu­ell aus­lo­ten und mit denen wir ge­mein­sam mit der Stadt, der Fach­hoch­schu­le und der CAPTN-In­itia­ti­ve die Schwen­ti­ne­que­rung ver­wirk­li­chen wol­len.“ Das Mi­nis­te­ri­um un­ter­stützt die Pro­jekt­part­ner*innen bei der An­trag­stel­lung um För­der­mit­tel aus dem Lan­des­pro­gramm Wirt­schaft.

Die För­der­an­trag­stel­lung er­folgt vor­aus­sicht­lich noch im zwei­ten Quar­tal die­ses Jah­res durch die For­schungs- und Ent­wick­lungs­zen­trum der Fach­hoch­schu­le Kiel GmbH in Ko­ope­ra­ti­on mit dem CAPTN-Kon­sor­ti­um. Für die Pla­nung und den Bau der Fähre wer­den die Kos­ten der­zeit auf rund drei Mil­lio­nen Euro ge­schätzt. Im För­der­pro­gramm be­an­trag­te Pro­jek­te müs­sen bis Mitte 2029 voll­stän­dig um­ge­setzt sein.

FH-Prä­si­dent Pro­fes­sor Dr. Björn Chris­ten­sen sagt zu die­sem Pro­jekt: „An­ge­wand­te For­schung aus­ge­rich­tet auf die Be­dar­fe der Re­gi­on, das ist die Stär­ke un­se­rer Hoch­schu­le. Be­son­ders er­folg­reich sind wir, wenn wir un­se­re Kom­pe­ten­zen und die der Hoch­schu­len und Un­ter­neh­mens­part­ner aus der CAPTN-In­itia­ti­ve bün­deln kön­nen, wie in die­sem kon­kre­ten Fall. Und be­son­ders schön ist es, wenn wir diese Kom­pe­ten­zen di­rekt vor un­se­rer ‚Haus­tür‘ in ein zu­kunfts­wei­sen­des Pro­jekt ein­brin­gen kön­nen. Von die­ser Fähre pro­fi­tiert nicht nur die Fach­hoch­schu­le Kiel, son­dern das ge­sam­te Wis­sens­quar­tier Schwen­ti­ne­mün­dung.“

Seit Mitte Ja­nu­ar er­ar­bei­tet Prof. Dr.-Ing. Hen­drik Dan­kow­ski von der FH Kiel die Vor­stu­die zur Fähre, fi­nan­ziert von der Ge­sell­schaft für En­er­gie und Kli­ma­schutz Schles­wig-Hol­stein GmbH (EKSH). Der Ex­per­te für Schiffs­ent­wurf und ma­ri­ti­men Um­welt­schutz hält einen Pro­be­ein­satz der Pen­del­fäh­re im Jahr 2028 für rea­lis­tisch: „Fäh­ren wer­den noch viel zu sel­ten als at­trak­ti­ves und um­welt­freund­li­ches Ver­kehrs­mit­tel auf dem Was­ser ge­nutzt, ge­ra­de auch im ur­ba­nen Raum. Die Schwen­ti­nepen­del­fäh­re ist ein ge­lun­ge­nes Bei­spiel für die ge­sell­schaft­li­che Re­le­vanz an­ge­wand­ter For­schung. Sie kann als kon­kre­ter An­wen­dungs­fall für die zu­las­sen­den Be­hör­den die­nen und der Öf­fent­lich­keit zei­gen, was für eine Be­rei­che­rung au­to­no­me Mo­bi­li­tät für die Ver­kehrs­wen­de sein könn­te.“

Die Pla­nun­gen kon­zen­trie­ren sich ak­tu­ell auf eine 12,50 Meter lange und 4 Meter brei­te Dop­pelend­fäh­re, die mit Zu- und Aus­stie­gen an Bug und Heck einen „Durch­gangs­ver­kehr“ mög­lich macht. Bis zu 35 Pas­sa­gier*innen sol­len bar­rie­re­frei an und von Bord ge­lan­gen kön­nen. Die Mit­nah­me von Fahr­rä­dern, auch Las­ten­rä­dern, soll un­ein­ge­schränkt mög­lich sein. Die bat­te­rie­elek­trisch be­trie­be­ne Fähre wird in der Pro­be­zeit teil­au­to­nom, spä­ter dann voll­au­to­nom die 300 Meter zwi­schen den bei­den be­stehen­den Fähr­an­le­gern zu­rück­le­gen. Per­spek­ti­visch ist auch eine Di­rekt­ver­bin­dung zwi­schen Diet­richs­dorf und dem See­fisch­markt auf der di­rekt ge­gen­über­lie­gen­den Seite an­ge­dacht, wobei dafür erst die land­sei­ti­ge In­fra­struk­tur ge­schaf­fen wer­den muss.

„Mit der au­to­no­men Pen­del­fäh­re brin­gen wir Zu­kunfts­tech­no­lo­gie aus Schles­wig-Hol­stein aufs Was­ser“, un­ter­streicht CAPTN-Ko­or­di­na­to­rin Dr. Wieb­ke Mül­ler-Lupp (Ge­schäfts­füh­rung Wis­sen­schafts­zen­trum Kiel). „Die­ses Pro­jekt zeigt, wie wir mit In­no­va­ti­on und Zu­sam­men­ar­beit nach­hal­ti­ge Mo­bi­li­tät vor­an­brin­gen und Kiel zum Vor­rei­ter für in­tel­li­gen­te, kli­ma­freund­li­che Ver­kehrs­lö­sun­gen ma­chen – ent­wi­ckelt und er­probt di­rekt hier in der Re­gi­on. Die enge Ver­net­zung von Wis­sen­schaft, Wirt­schaft und Ver­wal­tung ist dabei ein zen­tra­ler Er­folgs­fak­tor – ge­mein­sam set­zen wir neue Maß­stä­be für den öf­fent­li­chen Nah­ver­kehr auf dem Was­ser.“

Keine Fähre ohne An­le­ge­stel­le. Der Fähr­an­le­ger Diet­richs­dorf muss oh­ne­hin für die große SFK-Fähre bar­rie­re­frei um­ge­baut wer­den. In die­sem Zug kann auch gleich für die neue Pen­del­fäh­re mit­ge­plant wer­den. Klei­ne­re An­pas­sun­gen sind auch am An­le­ger Wel­ling­dorf er­for­der­lich. Die Pla­nungs­leis­tung für den An­le­ger­um­bau er­bringt die Lan­des­haupt­stadt Kiel, die auf Dritt­mit­tel zur Fi­nan­zie­rung der La­de­sta­ti­on des An­le­gers hofft.

Auf dem Foto (v. l. n. r.): Kiels Mo­bi­li­täts­de­zer­nen­tin Alke Voß, FH Kiel-Prä­si­dent Prof. Dr. Björn Chris­ten­sen, Dr. Wieb­ke Mül­ler-Lupp vom Wis­sen­schafts­zen­trum Kiel, Prof. Dr. Hen­drik Dan­kow­ski, Ver­kehrs­mi­nis­ter Claus Ruhe Madsen und De­si­gner Vin­cent Stein­hart-Bes­ser.

Hin­ter­grund zu CAPTN:
Die Vi­si­on der In­itia­ti­ve ist es, ein Mo­bi­li­täts­sys­tem zu schaf­fen, das si­cher und at­trak­tiv ist, den In­di­vi­du­al­ver­kehr re­du­ziert und die ver­schie­de­nen Ver­kehrs­trä­ger zu Lande und zu Was­ser klima- und nut­zungs­freund­lich mit­ein­an­der ver­knüpft. Die CAPTN-In­itia­ti­ve will den Nah­ver­kehr be­darfs­ge­rech­ter und fle­xi­bler ge­stal­ten und somit den Stra­ßen­ver­kehr re­du­zie­ren.

Hin­ter der CAPTN-In­itia­ti­ve ste­hen rund 50 Part­ner*innen aus Wis­sen­schaft, Wirt­schaft, Po­li­tik und Ver­wal­tung: von den Kie­ler Hoch­schu­len über Kie­ler Un­ter­neh­men wie An­schütz und Addix bis zur Stadt­ver­wal­tung.

Die vier gro­ßen Pro­jek­te der In­itia­ti­ve: CAPTN Förde Areal be­schäf­tigt sich mit der Er­for­schung und Er­pro­bung der au­to­no­men Schiff­fahrt auf der Kie­ler Förde; CAPTN Förde 5G lie­fert die In­fra­struk­tur und stellt unter an­de­rem den Da­ten­aus­tausch si­cher; CAPTN En­er­gy will nach­hal­ti­ge En­er­gie für die ma­ri­ti­me Wirt­schaft nutz­bar ma­chen; CAPTN Flex be­trach­tet Ver­kehrs­strö­me und will so ein be­darfs­ge­rech­te­res An­ge­bot schaf­fen.

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