ein Mann und eine Frau© Ra­th­jen

Ori­en­tie­rungs­hil­fe für Kaf­fee-Nerds

von Finja Thie­de

Men­schen mit einer Vor­lie­be für Kaf­fee von bes­ter Qua­li­tät zu­sam­men­zu­brin­gen – das ist das Ziel von Jo­se­phin Bütt­ner-Ra­th­jen und Jo­hann Ra­th­jen. Mit ihrer App „Brew­tiful“ schaf­fen die stu­dier­te Kom­mu­ni­ka­ti­ons­de­si­gne­rin und der BWL-Stu­dent und ne­ben­be­ruf­li­che Ba­ris­ta ge­ra­de ein so­zia­les Netz­werk für die „Spe­cial­ty-Cof­fee-Szene“, also lei­den­schaft­li­che Kaf­fee­trin­ker*innen, Cafés und Rös­te­rei­en. Im In­ter­view mit Finja Thie­de, stu­den­ti­sche Hilfs­kraft in der Pres­se­stel­le der FH Kiel, be­rich­tet das Grün­der­team von sei­ner Mo­ti­va­ti­on, den Hür­den und sei­nen bis­he­ri­gen Fort­schrit­ten.

Was wird eure App „Brew­tiful“ kön­nen?

Jo­hann: Wir wol­len eine Com­mu­ni­ty-ba­sier­te Platt­form für die Spe­cial­ty-Cof­fee-Szene, also für echte Kaf­fee-Nerds auf­bau­en. Die User*innen kön­nen sich über Kaf­fee­re­zep­te, Pro­duk­te und Zu­be­rei­tungs­wei­sen aus­tau­schen und ver­schie­de­ne Cafés und Rös­te­rei­en be­wer­ten. So wis­sen diese dann auch, was ihre Kund­schaft gerne trinkt und was nicht. Sie kön­nen die lokal be­lieb­tes­ten Kaf­fee­sor­ten an­bie­ten und Fehl­käu­fe ver­mei­den. Dar­auf auf­bau­end wol­len wir noch eine Cof­fee-Map er­stel­len, in der die Nut­zer*innen Emp­feh­lun­gen sehen und er­fah­ren, in wel­chem Café sie be­son­de­ren Kaf­fee trin­ken kön­nen. Lang­fris­tig wol­len wir einen On­line-Shop für rich­tig guten Kaf­fee auf­bau­en.

Rich­tig guter Kaf­fee sagst du, er­klär doch an die­ser Stel­le ein­mal kurz, was Spe­cial­ty Cof­fee genau ist.

Jo­hann: Beim Spe­cial­ty Cof­fee geht es um Qua­li­tät und Trans­pa­renz. Ich weiß nicht nur, aus wel­cher Bohne der Kaf­fee be­steht, den ich ge­ra­de trin­ke, son­dern sogar, zu wel­cher Jah­res­zeit er von wem ge­pflückt wurde. Der Kaf­fee wird unter Fair­tra­de- und oft auch Di­rect­tra­de-Be­din­gun­gen ein­ge­kauft, sprich die Rös­te­rei in Kiel kauft di­rekt bei einer Farm bei­spiels­wei­se in Bra­si­li­en ein, wo­durch diese keine Marge an die Tra­der ab­ge­ben muss und deut­lich mehr ver­dient. Es wer­den auch nur die rei­fen Boh­nen per Hand ge­pflückt und keine gan­zen Kaf­fee­bäu­me quasi „ab­ge­schred­dert“. Über­rei­fe Boh­nen wer­den aus­sor­tiert, Boh­nen, die noch nicht reif sind, spä­ter ge­pflückt. Da­durch kann ein Kaf­fee­baum bis zu 15 Jahre Er­trä­ge lie­fern, was deut­lich öko­lo­gi­scher ist.

Was macht euch si­cher, dass es einen Be­darf für eure App gibt, sich das Ganze also am Ende rech­net?

Jo­hann: Wir lösen mit der App na­tür­lich kein welt­be­we­gen­des Pro­blem, wir ver­ein­fa­chen nur viele An­wen­dun­gen. Zum jet­zi­gen Zeit­punkt gibt es Apps für Re­zep­te, au­ßer­dem noch Kaf­fee-Grup­pen auf In­sta­gram und Face­book. Wir wol­len das Ganze kom­pri­mie­ren. Mit „Un­tappd“ gibt es eine ähn­li­che App für Craft Beer, die mitt­ler­wei­le welt­weit Mil­lio­nen Nut­zer*innen hat. Flo­ri­an Sches­ke, der Grün­der der Lille Braue­rei Kiel, ist davon über­zeugt, dass jede Braue­rei dort on­line sein muss. Und er meint, es sei ab­surd, dass es eine sol­che App noch nicht für Kaf­fee gibt. Das er­mu­tigt uns na­tür­lich.

Jo­se­phin: Durch Jo­hann ken­nen wir die Ziel­grup­pe gut, haben Kon­kur­renz­pro­duk­te schon selbst ge­nutzt und kön­nen da­durch ganz genau sagen, was schon gut ist oder was noch fehlt. Der Be­griff „Spe­cial­ty-Cof­fee-Szene” soll auf kei­nen Fall ab­schre­ckend wir­ken. Die App ist für alle, die Kaf­fee mögen. Wir haben uns ge­dacht, dass man eine Ein­stu­fung in der App ma­chen kann – bin ich Pro­fes­sio­nal, Home Ba­ris­ta oder An­fän­ge­rin? Denn selbst ich, die keine Re­zep­te zu­hau­se macht, kann ja trotz­dem einen Kaf­fee be­wer­ten und möch­te meine Lieb­lings­rös­tun­gen fest­hal­ten.

Was habt ihr bis­lang er­reicht?

Jo­hann: An­fangs soll­te die App am liebs­ten tau­send Dinge kön­nen. Dann stell­ten wir uns aber die Frage, womit wir über­haupt be­gin­nen wol­len und was das kleins­te „über­le­bens­fä­hi­ge“ Pro­dukt ist. Genau die­sen Punkt, den MVP (Mi­ni­mal Via­ble Pro­duct) haben wir jetzt be­stimmt und de­fi­niert. Dar­auf auf­bau­end kön­nen wir nun an­fan­gen, die In­fra­struk­tur der App zu ent­wi­ckeln und zu ge­stal­ten. Au­ßer­dem haben wir ein Vier-Säu­len-Mo­dell zur Er­lö­s­er­zie­lung er­ar­bei­tet: Es setzt sich zu­sam­men aus der Da­ten­ana­ly­se zu Kon­sum- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­hal­ten der Nut­zer*innen, kos­ten­pflich­ti­gen Busi­ness­pro­fi­len, auf Kaf­fee ab­ge­stimm­te Wer­bung und der Plat­zie­rung von Af­fi­lia­te-Links.

Jo­se­phin: Zudem haben wir ein Pro­gram­mier-Team auf­stel­len kön­nen: Vi­ni­ci­us Dal­pic­col und Dario Lei­ters­dorf. Vini ist ein ehe­ma­li­ger Ar­beits­kol­le­ge, also auch Ba­ris­ta. Er über­nimmt die Da­ten­struk­tur und das Ba­ckend. Dario, Jo­hanns Schwa­ger, ist für das Front­end zu­stän­dig.

Was macht euch an der Ar­beit be­son­ders viel Spaß?

Jo­se­phin: Ich setz­te mich mit ganz neuen The­men aus­ein­an­der. Egal ob Busi­ness Plan, Grün­dung, Ver­si­che­rung – das sind zwar manch­mal zähe und tro­cke­ne The­men, aber ich kann hier super viel mit­neh­men. Es macht Spaß, sich alles selbst zu er­ar­bei­ten und zu wis­sen, dass sich Leute schon auf das Pro­dukt freu­en und fra­gen, wann wir mit der App fer­tig sind.

Ihr wer­det durch das Pro­to­typ­ing Kit Sti­pen­di­um des Co­wor­king Space Fleet7 un­ter­stützt. Auf wel­chem Weg habt ihr davon er­fah­ren?  

Jo­se­phin: Ich kenne das Fleet7 durch deren In­no­va­ti­ons­früh­stück und habe auch über die so­zia­len Me­di­en ver­folgt, was an­de­re mit dem Sti­pen­di­um er­reicht haben.

Jo­hann: Pro­fes­so­rin Doris Wes­sels vom Fach­be­reich Wirt­schaft hatte uns, als ich ihr von un­se­rer Idee er­zählt habe, die Te­le­fon­num­mer des da­ma­li­gen Ge­schäfts­füh­rers vom Fleet7, André Ni­kol­ski, ge­ge­ben. Ihm haben wir kurz er­klärt, was wir wol­len und eine Mail mit un­se­rer Ge­schäfts­idee ge­schickt. Da­nach ging alles Schlag auf Schlag: ein kur­zer Pitch vor André und sei­nem Mit­ar­bei­ter Ni­co­las Loch­te-Holt­g­re­ven und seit Juli haben wir das Sti­pen­di­um.

Was be­inhal­tet das Sti­pen­di­um kon­kret?

Jo­se­phin: Wir haben einen Ar­beits­platz im Fleet7 und uns ste­hen Men­tor*innen aus den un­ter­schied­lichs­ten Fir­men und Fach­rich­tun­gen zur Seite. Ei­ni­ge kön­nen z.B. in der Soft­ware­ent­wick­lung un­ter­stüt­zen, an­de­re im Da­ten­schutz – wir dür­fen sie immer nach ihren ei­ge­nen Er­fah­run­gen fra­gen und kön­nen uns bei Pro­ble­men mit ihnen aus­tau­schen.

Jo­hann: Au­ßer­dem be­inhal­tet das Sti­pen­di­um eine mo­ne­tä­re Ver­gü­tung von 1000,- Euro. Das kön­nen wir für Ser­ver­ka­pa­zi­tä­ten oder ein Handy zum Tes­ten ver­wen­den.

In wel­cher Form un­ter­stützt euch die Fach­hoch­schu­le Kiel?

Jo­hann: Tim Thie­r­i­cke aus dem Start­Up Of­fice der FH ist ein super Sup­por­ter von uns. Er fragt uns re­gel­mä­ßig, wie der Stand ist oder ob wir Hilfe brau­chen und er ver­sucht uns über­all mit rein zu brin­gen. Im No­vem­ber er­scheint z.B. der Wirt­schafts­be­richt der Stadt Kiel und Tim ver­sucht, uns dort mit einer klei­nen Notiz un­ter­zu­brin­gen.

Si­cher­lich gibt es auch den einen oder an­de­ren Tag, an dem nicht alles rund läuft. Wo lagen und lie­gen die grö­ß­ten Hür­den, die ihr bis­her meis­tern muss­tet?

Jo­hann: Ich finde es oft schwie­rig, kon­se­quent am Ball zu blei­ben. Es gibt nie­man­den, der dir sagt, was es als nächs­tes zu tun gibt. Und ich stu­die­re auch noch.

Jo­se­phin: Wir kön­nen das Ganze aus fi­nan­zi­el­len Grün­den nicht in Voll­zeit ma­chen, was ich mir aber wün­schen würde. Das Sti­pen­di­um hilft auf jeden Fall schon mal, aber es wäre auch cool, wei­te­re För­de­run­gen zu krie­gen, damit wir da etwas ent­spann­ter sind und noch mehr Zeit rein­ste­cken kön­nen.

Nun seid ihr ja be­reits dabei eure Idee um­zu­set­zen. Was ratet ihr den­je­ni­gen, die selbst eine span­nen­de Ge­schäfts­idee haben?

Jo­hann: Auf jeden Fall am Ball blei­ben, ein po­si­ti­ves Mind­set haben und sich gründ­lich in­for­mie­ren. Wo und bei wem be­kom­me ich die rich­ti­ge Un­ter­stüt­zung? Ich glau­be nicht, dass wir jetzt da wären, wo wir ste­hen, wenn wir al­lein in un­se­rem stil­len Käm­mer­chen ge­ar­bei­tet hät­ten. Man soll­te um Hilfe bit­ten, wenn man Hilfe braucht.

Jo­se­phin: Genau, man soll­te sich au­ßer­dem viel Feed­back ein­ho­len. Un­se­re El­tern fan­den die Idee toll, aber wir wuss­ten auch, dass wir je­mand kri­ti­sche­res mit ge­wis­ser Er­fah­rung fra­gen soll­ten. Man darf dann aber nicht zu ver­liebt in die erste Idee sein oder zu emp­find­lich auf die Kri­tik re­agie­ren.

Wann und wo wird man sich eure App down­loa­den kön­nen, um der Brew­tiful-Com­mu­ni­ty bei­zu­tre­ten?

Jo­hann: Wir pla­nen An­fang des nächs­ten Jah­res mit einem Pro­to­typ auf den Markt zu gehen. Wir fan­gen jetzt schon an mit In­sta­gram und Lin­kedIn, haben auch eine Lan­ding Page er­stellt und so­bald dann die News da sind, dass wir safe am Start sind, wer­den wir es dort auch ver­öf­fent­li­chen.

Jo­se­phin: Die App soll ver­füg­bar sein für IOS und An­dro­id, aber wir pla­nen auch eine Web­an­wen­dung.

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