Das Gebäude C11 ist auf dem Campus als ‚Die Maschinenhalle‘ bekannt. Schon ein flüchtiger Blick durch die Glasfassade entlang der Schwentinestraße zeigt den Grund: Auf drei Etagen stehen Hubschraubertriebwerke neben meterhohen Pumpenprüfständen und offenen Schiffsmotoren. „Das hier ist unser Labor für Kraft- und Arbeitsmaschinen“, erklärt Dr.-Ing. Sven Olaf Neumann vom Fachbereich Maschinenwesen. Er ist Professor für Konstruktion für Strömungsmaschinen und schätzt die Möglichkeiten, die die Maschinenhalle ihm und seinen Kolleginnen und Kollegen für die Vermittlung von Lehrinhalten und Forschungsprojekten bietet.

Die älteste Maschine ist ein Koloss aus dem Jahr 1906. „Die liegende Dampfmaschine gehört zur Erstausstattung“, lacht Neumann. „Die wurde angeschafft, als der heutige Fachbereich Maschinenwesen noch als ‚Königlich Höhere Schiffs- und Maschinenbauschule‘ firmierte. Im Untergeschoss befindet sich der mittlerweile mit Erdgas beheizte Kessel. Darin entsteht der Wasserdampf, der den Kolben der Dampfmaschine antreibt. Wenn einmal im Semester angeheizt wird, um den Koloss in Aktion zu erleben, ist das ein besonderer Tag. Und auch die Maschine ist etwas Besonderes, weiß Neumann. „Sie ist als ‚kranke Dampfmaschine‘ bekannt, weil sich Fehler im Betriebsablauf simulieren lassen, die Studierende ergründen sollen.“
Auch wenn solche Kolosse heute nicht mehr im Einsatz sind, sieht Neumann sie als wertvoll an. „Hier können die Studierenden Mechanik und Kraft sinnlich erleben, abstrakte Konzepte wie Thermodynamik begreifen. Eine Maschine erlebt zu haben, erleichtert das Verständnis ungemein.“ Der gegenüberliegende Ventilator-Prüfstand macht äußerlich wenig her. Den größten Teil nimmt ein leerer Raum ein, der durch eine Öffnung mit wechselbaren Lüftern verbunden ist. „Hier lässt sich messen, wie viel Leistung erforderlich ist, um die Luft aus der Kammer zu saugen. Dabei spielt nicht nur die Leistung eine Rolle, sondern auch die Form der Schaufelblätter bestimmt den Wirkungsgrad.“ So lässt sich überprüfen, ob das in der Simulation vielversprechendste Modell sich auch in der Praxis beweisen kann.

Über eine mehrere Meter lange Bank winden sich Schläuche und Leitungen, führen hinein und heraus aus kleinen Containern. „Das ist unsere Wärmepumpe“, erklärt Neumann den auf den ersten Blick unübersichtlichen Versuchsstand. Doch der komplexe Aufbau hilft, die Komponenten und ihr Zusammenspiel zu begreifen, und auch hier haben Studentinnen und Studenten die Gelegenheit, sich Wissen durch wortwörtliches Begreifen der Maschine anzueignen. „Die Wärmepumpe ist gerade bei den Studierenden sehr beliebt, denn die Technologie ist im Zuge der Energiewende wieder en vogue. Allerdings unter ganz neuen Aspekten, denn beim Versuch, CO₂ einzusparen, spielt der antreibende Energieträger heute eine größere Rolle als einst die Effizienz.
Im Untergeschoss verheiratet an einem Prüfstand eine Wasserwirbelbremse einen Schiffsdiesel mit einer Hubschrauberturbine in einem Versuchsstand mit gemeinsam genutzten Komponenten. „Die Maschinen unterscheiden sich in vielen Aspekten – und tun dennoch das Gleiche“, erklärt Neumann. „Allerdings mit sehr unterschiedlichen Mitteln und für sehr unterschiedliche Anwendungen.“ Und auch wenn in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Innovationen Dieselmotoren und Gasturbinen immer weiter verbessert haben, ist dieser Versuchsstand ideal, um zu begreifen, wie die Maschinen funktionieren. Und auch wenn die Verbrenner viel gescholten werden, wird diese Technologie uns lange begleiten, ist sich Neumann sicher. „Wir brauchen Schiffe, die schwere Güter günstig über lange Strecken transportieren und wir brauchen Hubschrauber, die in Krisenfällen Verletzte so schnell wie möglich erreichen und retten“, prognostiziert der Professor.

Im Zuge der Energiewende sind die Kompressoren, Pumpen und Turbinen von großer Bedeutung. „Wenn künftig mehr grüner Wasserstoff zum Einsatz kommen soll, dann zieht das eine große Menge an Verfahrenstechnik nach sich“, weiß Neumann. „So muss der gewonnene Wasserstoff für einen effizienteren Transport verdichtet werden.“ Das bedeutet den Einsatz von Kompressoren für die Verdichtung, Tanker, die bislang über lange Strecken mit Dieselmotoren fahren und Pumpen, die den Wasserstoff über die Stationen befördern. Die Maschinenhalle zeigt: Gepflegtes altes Eisen ist eine wertvolle Sache, denn es hilft, Zukunftstechnologien besser zu verstehen.