Eine Frau© M. Pilch
Der Stu­di­en­gang Me­cha­tro­nik und Fein­werk­tech­nik legte den Grund­stein für den Kar­rie­re­weg der heute 38-Jäh­ri­gen.

Von der Me­cha­tro­nik-Stu­den­tin zur er­folg­rei­chen Pro­jekt­lei­te­rin

von Jana Walt­her

Ei­gent­lich woll­te die ge­bür­ti­ge Kie­le­rin Bio­nik stu­die­ren. Dar­un­ter ver­steht man die Wis­sen­schaft, die es sich zur Auf­ga­be ge­macht hat, Me­cha­nis­men, Funk­tio­nen und Pro­zes­se in der Natur auf tech­ni­sche An­wen­dun­gen zu über­tra­gen. Doch da es die­sen Stu­di­en­gang nur an einer ein­zi­gen Uni­ver­si­tät in Deutsch­land gab und dort keine neuen Stu­die­ren­den mehr auf­ge­nom­men wur­den, muss­te ein Plan B her. Bei ihrer Re­cher­che stieß Kim-Kris­tin But­ten­schön auf die Fach­rich­tung „Me­cha­tro­nik und Fein­werk­tech­nik“ an der FH Kiel. Das pass­te gut zu ihren da­ma­li­gen Vor­stel­lun­gen, in Rich­tung Ro­bo­tik zu gehen. „Ich muss zu­ge­ben, ich bin ein gro­ßer Star-Trek-Fan und Ro­bo­ter haben mich schon immer un­glaub­lich fas­zi­niert“, sagt sie. Au­ßer­dem sei sie als Teen­ager im Bü­cher­re­gal ihrer El­tern über einen Band zum Thema Ro­bo­tik ge­stol­pert und habe die­sen di­rekt ver­schlun­gen. Ein wei­te­rer Plus­punkt für das Stu­di­um an der Förde: Kim-Kris­tin But­ten­schön konn­te zu­nächst zu Hause bei ihren El­tern woh­nen blei­ben und sich voll und ganz auf ihr Stu­di­um kon­zen­trie­ren.

Dass es als Frau un­ge­wöhn­lich sein könn­te, so ein tech­ni­sches Stu­di­um zu be­gin­nen, dar­über habe sich Kim-Kris­tin But­ten­schön nie so rich­tig Ge­dan­ken ge­macht. Auch im Fa­mi­li­en- und Be­kann­ten­kreis sei dies nie groß Thema ge­we­sen. Im Stu­di­um waren sie dann zu Be­ginn 40 Stu­die­ren­de, dar­un­ter vier Frau­en. „Ich war dann al­ler­dings die Ein­zi­ge, die am Ende üb­rig­ge­blie­ben ist“, er­zählt sie. Ge­stört habe sie es nie, fast aus­schlie­ß­lich unter Män­nern zu sein. Ganz im Ge­gen­teil. „Ich war als ein­zi­ge Frau oft immer die Erste, von der die Pro­fes­sor*innen den Namen wuss­ten“, er­in­nert sie sich. „Und ich muss­te nie mein Bier be­zah­len“, er­gänzt sie la­chend.

Fas­zi­na­ti­on Optik-Labor
Ein be­son­ders prä­gen­der Weg­be­glei­ter im Stu­di­um war für die heute 38-Jäh­ri­ge Prof. Dr. Ul­rich So­wa­da, der da­ma­li­ge Do­zent für Mathe und Phy­sik an der Fach­hoch­schu­le Kiel. Der Be­such in einem sei­ner Optik-La­bo­re an­läss­lich des Stu­di­en­in­for­ma­ti­ons­tags sei ihr noch heute in Er­in­ne­rung. Nicht nur, dass sie sich auf dem Weg dort­hin in dem Irr­gar­ten von Ge­bäu­de 12 ver­lau­fen hätte, son­dern auch die Fas­zi­na­ti­on über die Aus­stat­tung, die um­fas­sen­den Kennt­nis­se des Pro­fes­sors und die Tat­sa­che, dass er sich die Zeit ge­nom­men hatte, all ihre Fra­gen aus­führ­lich zu be­ant­wor­ten: All das sei für sie be­son­ders prä­gend ge­we­sen – und hätte sie auch zur Ent­schei­dung für diese Fach­rich­tung ge­bracht.

Auch wäh­rend der wei­te­ren Stu­di­en­zeit seien es vor allem So­wa­das Vor­le­sun­gen und die prak­ti­sche Zeit in sei­nen La­bo­ren ge­we­sen, die Kim-Kris­tin But­ten­schön von der Ro­bo­tik ab­ge­bracht und zur tech­ni­schen Optik ge­führt hät­ten. „Er hat mich für die­ses Thema ein­fach mit­ge­ris­sen“, sagt sie. Unter der tech­ni­schen Optik ver­steht man das Fach­ge­biet, wel­ches sich mit in­ge­nieurs­wis­sen­schaft­li­chen An­wen­dun­gen von Optik be­fasst. Dazu ge­hö­ren zum Bei­spiel Fra­gen wie: Wie baue ich ein Mi­kro­skop? Wie funk­tio­niert La­ser­mess­tech­nik? Oder: Wie ist ein Te­le­skop auf­ge­baut? Auch Pro­fes­sor Dr. Ro­nald Ei­se­le und seine Vor­le­sung zur Mess­tech­nik hät­ten sie im Stu­di­um be­geis­tert. Er un­ter­rich­tet auch heute noch im In­sti­tut für Me­cha­tro­nik.

Aus­lands­auf­ent­halt in Großbri­tan­ni­en
Prof. Dr. So­wa­da ver­mit­tel­te Kim-Kris­tin But­ten­schön schlie­ß­lich im Jahr 2008 ein Pra­xis­se­mes­ter im bri­ti­schen Glas­gow, aus dem sich wie­der­um ihre Pro­mo­ti­on am Cent­re for Ad­van­ced In­stru­men­ta­ti­on an der eng­li­schen Uni­ver­si­tät Durham ergab. „Ich woll­te un­be­dingt an die FH und nicht an die Uni, weil mir der Pra­xis­be­zug wich­tig war. Das ist mir dann auch in Glas­gow zu­gu­te­ge­kom­men. Die waren dort sehr be­ein­druckt, dass ich eben nicht nur die Theo­rie konn­te, son­dern auch wuss­te, wie ich meine ei­ge­ne Soft­ware schrei­be oder dass man die Lin­sen-Hal­ter beim op­ti­schen Auf­bau an der op­ti­schen Bank fest­schrau­ben soll­te.“ Acht Jahre war Kim-Kris­tin But­ten­schön in Großbri­tan­ni­en, bevor es dann 2016 wie­der zu­rück nach Deutsch­land ging.

In­no­va­ti­ve Ideen vor­an­trei­ben
Sie selbst wurde wäh­rend ihrer Zeit in Großbri­tan­ni­en von einem För­der­pro­gramm („Know­ledge Trans­fer Part­ner­ship“) ge­spon­sert, um ihre For­schun­gen durch­füh­ren zu kön­nen. „Bei dem Pro­gramm geht es darum, das Wis­sen aus den Uni­ver­si­tä­ten in die Un­ter­neh­men zu brin­gen“, er­zählt sie. Das habe ihr ge­zeigt, wie wich­tig die Ver­bin­dung zwi­schen die­sen bei­den Tei­len ist.

In­zwi­schen ar­bei­tet Kim-Kris­tin But­ten­schön in Ber­lin – und zwar bei der VDI/VDE In­no­va­ti­on + Tech­nik GmbH. Das Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men küm­mert sich unter an­de­rem als Pro­jekt­trä­ger für För­der­pro­gram­me um in­no­va­ti­ve Pro­jek­te und be­glei­tet Un­ter­neh­men und For­schungs­ein­rich­tun­gen auf ihrem Weg zur Um­set­zung ihrer Ent­wick­lungs­ide­en. Für Kim-Kris­tin But­ten­schön war der Wech­sel in das Un­ter­neh­men per­fekt, um die reine For­schung zu ver­las­sen, sie gleich­zei­tig aber nicht ganz aus den Augen zu ver­lie­ren. Von der Ent­wick­lung von Kunst­stoff­schnei­de­ma­schi­nen bis hin zur Züch­tung von alten Wei­zen­sor­ten und der Ent­wick­lung von Atem­mas­ken: Die ge­för­der­ten Pro­jek­te sind un­glaub­lich viel­fäl­tig und einer der Grün­de, warum Kim-Kris­tin But­ten­schön die Ar­beit dort so viel Freu­de be­rei­te.

Die Stel­le habe sie ganz klas­sisch über eine On­line-Stel­len­an­zei­ge ge­fun­den. Das war 2016. Seit­dem ist sie be­reits von der fach­li­chen Gut­ach­te­rin zur Pro­jekt­lei­te­rin auf­ge­stie­gen. Zu Be­ginn habe sie die An­trä­ge der ver­schie­de­nen mit­tel­stän­di­schen Un­ter­neh­men auf For­schungs­för­de­rung be­wer­tet und engen Kon­takt zu den Fir­men ge­hal­ten und sie auf ihrem Weg be­glei­tet. Heute hat sie als Lei­te­rin Füh­rungs­auf­ga­ben, be­hält den Haus­halt im Blick und hält engen Kon­takt zum Mi­nis­te­ri­um – schlie­ß­lich wer­den die För­der­pro­gram­me durch Steu­er­gel­der fi­nan­ziert. „Kein Tag ist wie der an­de­re. Das macht die Ar­beit für mich so un­glaub­lich span­nend.“

Auch heute noch würde ihr das Me­cha­tro­nik­stu­di­um in ihrem Ar­beits­all­tag hel­fen. Denn mit den The­men Pro­gram­mie­ren, Me­cha­nik und Elek­tro­tech­nik sei es ein un­glaub­lich viel­fäl­ti­ges Fach­ge­biet. „Bei der Viel­falt der Auf­ga­ben trotz­dem den Über­blick zu be­hal­ten und mich schnell in neue The­men­fel­der ein­zu­ar­bei­ten, ist für mich genau wie frü­her im Stu­di­um an der Ta­ges­ord­nung.“

Mit ei­ni­gen ihrer frü­he­ren Kom­mi­li­to­nen ist Kim-Kris­tin But­ten­schön noch in einer ge­mein­sa­men Whats­app-Grup­pe ver­netzt. Ge­le­gent­lich tref­fen sie sich auch, um sich über ihr Be­rufs­le­ben oder ein­fach pri­vat aus­zu­tau­schen. Doch allzu viel Frei­zeit habe die 38-Jäh­ri­ge bei all der Ver­ant­wor­tung nicht. Um den Kopf frei­zu­be­kom­men, geht sie gerne lange spa­zie­ren oder tüf­telt zu Hause in Ber­lin an tech­ni­schen Din­gen herum. Die Pra­xis ver­misst sie dann doch manch­mal und greift zu Löt­kol­ben und Schrau­ben­dre­her.

Kim-Kris­tin But­ten­schön zeigt ein­mal mehr, wie Pro­fes­sor*innen einen prä­gen und einen mit ihrer Be­geis­te­rung für be­stimm­te The­men­ge­bie­te an­ste­cken kön­nen. Zu­künf­ti­gen Stu­die­ren­den rät sie, keine Angst vor tech­ni­schen Stu­di­en­gän­gen zu haben und es ein­fach aus­zu­pro­bie­ren. „Ich war selbst in der Schu­le in Phy­sik und Mathe nie be­son­ders gut und ich habe es trotz­dem durchs Stu­di­um ge­schafft.“

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