Schreibtisch© J. Peter / Pe­xels

Warum wir das Schrei­ben lie­ben

von Lena Kuhn und Kris­ti­na Lang­hof

Vom Tweet bis zum epi­schen Roman - Ge­schrie­be­nes kann un­ter­schied­lichs­te For­men an­neh­men und Men­schen über Jahr­hun­der­te be­we­gen. Lena und Kris­ti­na aus der Cam­pus­re­dak­ti­on ver­bin­det ihre Liebe zum Schrei­ben. Dabei be­deu­tet Schrei­ben für sie ganz Un­ter­schied­li­ches. 

Ich liebe es zu schrei­ben, das kann man so sagen. Als meine Mut­ter in mei­nem klei­nen Dorf  er­zähl­te, dass ich nun Öf­fent­lich­keits­ar­beit stu­die­re, und für den Cam­pus­blog mei­ner Hoch­schu­le ar­bei­te, er­in­ner­ten sich viele El­tern mei­ner Kin­der­gar­ten­freund*innen an die bunt aus­ge­schmück­ten Ge­schich­ten, die ich da­mals vor­trug. Ich hab das schon immer ge­macht. In 22 Jah­ren kon­stan­ten Schrei­bens habe ich viel dar­über ge­lernt und viele schö­ne Mo­men­te damit ver­brin­gen dür­fen. Und dabei habe ich er­kannt: Schrei­ben ver­bin­det. So durf­te ich für mei­nen Abi­jahr­gang die Schü­ler*in­nen­re­de schrei­ben und hal­ten. Da­nach hörte ich von vie­len Sei­ten: Das hast du so schön be­schrie­ben, mir ging es ge­nau­so.

Oft kommt auch: „Du hast da etwas ge­sagt, das fühle ich auch. Aber das hätte ich nie so in Worte fas­sen kön­nen wie Du“. Und des­we­gen schrei­be ich viel. Wenn im Stu­di­um alle durch­dre­hen, die Wasch­ma­schi­ne mich fies la­chend ver­spot­tet, das Ge­schirr sich in der Küche sta­pelt und meine Lieb­lings­pflan­ze auf mys­te­riö­se Weise zu­grun­de geht, dann schrei­be ich dar­über. Als Out­let, um mich zu zwin­gen, alles ein­mal in Worte zu fas­sen. Denn wenn ich es in Worte fas­sen kann, kann ich auch drü­ber reden. Und dann merke ich immer wie­der: An­de­ren geht es ge­nau­so. Das klingt Dir zu kryp­tisch? Dann for­mu­lie­re ich es an­ders. Wenn ich es aus­drü­cken kann, kann ich es auch über­win­den. So ein­fach ist das.

In Co­ro­na-Zei­ten ist Schrei­ben für mich so wich­tig wie noch nie. Ei­ner­seits, um mich für mich zu sor­tie­ren und zu ar­ti­ku­lie­ren. Denn was ge­schah und ge­schieht, ist über­for­dernd viel. Statt nur die Nach­rich­ten zu lesen, muss ich auch mal was schrei­ben, um sie zu ver­ar­bei­ten. Und an­de­rer­seits ist Schrei­ben für mich die beste Mög­lich­keit, auch auf phy­si­sche Di­stanz in Kon­takt zu blei­ben. Lesen geht zwi­schen­durch, ant­wor­ten geht zwi­schen­durch – man kann sich Zeit neh­men. Ge­schrie­be­nes ver­klingt nicht, schö­ne Nach­rich­ten auf dem Handy kann man zwei­mal lesen. Oder zehn Mal. Dann fühlt man sich di­rekt we­ni­ger al­lein. Und genau des­we­gen schrei­be ich für mein Leben gern.

Schrei­ben für sich selbst heißt krea­tiv zu wer­den

Als Stu­die­ren­de schrei­ben wir im Laufe un­se­res Stu­di­ums die un­ter­schied­lichs­ten Texte. Seien es Haus­ar­bei­ten, ein fik­ti­ves Wahl­pro­gramm oder die Ab­schluss­ar­beit - das Schrei­ben be­glei­tet uns quasi durch­ge­hend. Was alle diese Text­sor­ten ge­mein­sam haben ist, dass sie (im bes­ten Fall) for­schungs­ori­en­tiert und ob­jek­tiv ge­schrie­ben wer­den. Ein­fach mal einen Text für uns selbst zu schrei­ben, krea­tiv zu wer­den, oder die ei­ge­nen Ge­füh­le zu Pa­pier zu brin­gen kommt oft zu kurz. Das könn­te daran lie­gen, dass das klas­si­sche Ta­ge­buch­schrei­ben ein Image­pro­blem hat. Durch ame­ri­ka­ni­sche Teen­age­fil­me ver­bin­det man Ta­ge­bü­cher meist mit 14-jäh­ri­gen Mäd­chen und Lie­bes­kum­mer. Seit ei­ni­gen Jah­ren gibt es al­ler­dings einen neuen Trend, der das Ta­ge­buch­schrei­ben ab­ge­löst und selbst in der For­schung dis­ku­tiert wird - Jour­na­ling.

Ich selbst habe Jour­na­ling im Laufe des Stu­di­ums für mich ent­deckt. Hier­bei han­delt es sich um eine Schreib­pra­xis, die vor Allem aus dem ame­ri­ka­ni­schen Raum be­kannt wurde. Im Grun­de geht es darum, sich in­ten­siv mit der ei­ge­nen Ge­fühls­welt aus­ein­an­der­zu­set­zen und seine Ge­dan­ken nie­der­zu­schrei­ben, po­si­ti­ve wie ne­ga­ti­ve. Wäh­rend es beim Ta­ge­buch­schrei­ben eher darum geht, das Er­leb­te auf­zu­schrei­ben, fo­kus­siert man sich beim Jour­na­ling auf die Ge­füh­le, die man wäh­rend­des­sen hatte. Diese Art des Schrei­bens kann sogar die Ge­sund­heit för­dern. Stu­di­en haben ge­zeigt, dass bei­spiels­wei­se das Auf­schrei­ben von Dank­bar­keit Stress ver­rin­gern kann.

Alles was man fürs Jour­na­ling be­nö­tigt ist ein No­tiz­buch oder Heft, einen Stift und ein wenig Zeit für sich.  Ein rich­tig oder falsch gibt es dabei nicht. Ei­ni­ge Leute nut­zen die Me­tho­de, um sich ihre Ziele vor Augen zu füh­ren, an­de­re um sich mit ihren Ängs­ten, Wün­schen oder Ent­schei­dungs­fra­gen aus­ein­an­der­zu­set­zen. Ich habe hier­bei bei­spiels­wei­se kei­nen kla­ren Plan und über­le­ge, was mir ge­ra­de gut­tun würde. Oft rei­chen schon zehn Mi­nu­ten mor­gens nach dem Auf­ste­hen, in denen ich auf­schrei­be, was ich an die­sem Tag er­rei­chen möch­te und wie es mir in die­sem Mo­ment geht.

Ich per­sön­lich halte Jour­na­ling für eine schö­ne Ab­wechs­lung und ge­ra­de in die­ser au­ßer­ge­wöhn­li­chen Zeit kann es nicht scha­den, sich mit den ei­ge­nen Ge­dan­ken aus­ein­an­der­zu­set­zen und da­durch viel­leicht sogar ein wenig er­leich­ter­ter durch den All­tag zu gehen. 

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