Seit 2022 ist Prof. Dr. Florian Schatz Professor für Informatik mit Schwerpunkt Webentwicklung an der Fachhochschule Kiel. Am Fachbereich Medien unterrichtet er unter anderem Website-Gestaltung, Softwareentwicklung und verfolgt stets die neuesten technischen Innovationen. Im Interview spricht er über seinen Weg in die Informatik, seine Erfahrungen als Gründer und die Herausforderungen in Studium und Lehre.
Prof. Schatz, Sie haben in Kiel studiert und sind dem Norden treu geblieben. Was verbindet Sie mit Kiel?
Ich verbinde mit Kiel das Meer, den Wind und die Menschen, die mir wichtig sind.
Weshalb haben Sie sich entschieden, Internet Science and Technology und später Informatik zu studieren?
Das ist etwas komplizierter. Ich wusste, dass ich nach der Schule ein Studium an der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel (CAU) nicht schaffen würde, weil ich die Theorie in der Schulzeit als sehr anstrengend empfand und den starken Drang hatte, direkt nach der Schule etwas Praktisches zu machen. Ich habe mich entsprechend für die Fachhochschule Kiel entschieden und den Studiengang Internet Science and Technology (was eine Mischung aus E-Technik und Informatik war) gewählt. Das war genau die richtige Entscheidung für mich, weil es sehr angewandt war.
…und wie sind Sie von der FH an die CAU gekommen?
Ich hatte nach einiger Zeit gemerkt, dass ich kompliziertere Fragen mit dem Wissen aus dem Studium nicht beantworten konnte. Dadurch, dass ich nebenbei schon selbstständig war, fand ich es spannend zu sehen, wie es ist, an der Uni zu studieren, und habe nach dem Bachelor ein Jahr lang die gesamte Theorie eines Bachelor Informatik nachgeholt, was extrem krass war. Es waren Veranstaltungen mit Mathematik für Mathematiker und sehr viel theoretischer Informatik. Man kann sich das so vorstellen, dass man drei Stunden auf eine Aufgabenstellung mit zehn Zeilen geschaut hat und dann vier Stunden aufgeschrieben hat, um eine Aufgabe zu lösen. Das war sehr prägend und hatte eine starke intellektuelle Motivation. Der Master Informatik hinten dran war dann gar nicht mehr so schwer, weil ich die Theorie der Informatik vorher gebündelt hatte.
Ihr Studium verlief sehr erfolgreich. Was hat Sie besonders geprägt? Gab es auch Herausforderungen oder Highlights, an die Sie sich gerne zurückerinnern?
An der FH waren es der hohe Workload und die vielen verschiedenen Projekte, die parallel gelaufen sind, an die ich mich sehr gerne erinnere. Die Abschlussarbeit war für mich insofern etwas Besonderes, weil man das gewonnene Wissen einmal komplett anwenden konnte und sich dabei auch noch ganz viel selber beigebracht hat.
Das Nachholen der Theorie der Informatik, was auch bedeutete, dass ich mir Analysis in den Semesterferien auf einem Niveau beibringen musste, sodass ich Analysis 2 an der Uni hören konnte, war wie ein Marathon, nur auf geistigem Niveau. Ich erinnere mich gerne daran, dass ich eine durchgeplante Woche von 8 bis 19 Uhr hatte, in der minutengenau geplant war, WANN ich mit meinen Kommiliton*innen WAS lerne. Das war sehr voll, aber auch erfüllend.
Sie haben selbst gegründet und sich für Startups engagiert. Welche Erfahrungen haben Sie daraus mitgenommen?
Ich habe relativ spät gelernt, nicht einfach drauflos zu bauen, sondern erst zu überlegen, was eigentlich gebaut werden soll. Statt riesige Projekte umzusetzen, die nachher niemand braucht, ist es sinnvoller, kleine Prototypen zu entwickeln. Das war eine etwas schmerzhafte, aber sehr wertvolle Erkenntnis.
Was hat Sie zur Professur geführt? Gab es einen Schlüsselmoment für diese Entscheidung?
Ich habe immer Herausforderungen im Leben gebraucht – das hieß für mich Selbstständigkeit und Geschäftsführertätigkeiten neben Studium und Promotion. Als das dann vorbei war, brauchte ich eine neue Herausforderung. Diese sah dann erst einmal so aus, dass ich eine Lehrveranstaltung unterrichtete, und das hat mir großen Spaß gemacht. Schon hier habe ich Prozesse automatisiert und kleine Wettkämpfe in meinen Wahlmodulen angeboten, die sehr gut ankamen. Als Geschäftsführer habe ich irgendwann gemerkt, dass ich in meinen Verantwortungsbereichen zwar wachsen, aber nur wenig Abwechslung haben werde. Als sich dann die Chance ergab, an die Fachhochschule Wedel zu gehen, war das wie eine Befreiung. Vorher kannte ich jede Schraube in meinem Bereich, und plötzlich konnte, sollte und musste ich mein Fachgebiet in seiner ganzen Breite verstehen. Das hat sich sehr schnell als Erfüllend herausgestellt, weil es unendlich spannend ist, so viele verschiedene Bereiche gleichzeitig kennenzulernen und durch sie zu lernen.

Warum haben Sie sich für eine Professur an der FH Kiel entschieden? Was macht die Lehre hier besonders?
Mein Weg nach Kiel führte über die FH Wedel, wobei ich während meiner Zeit dort durchgehend in Kiel gelebt habe. Für Kiel habe ich mich entschieden, weil ich hier eine Verbindung zur Stadt und den Menschen habe – das war in Wedel durch die Distanz schwieriger. Jetzt wirke ich dort, wo ich lebe, und habe meinen Lebensmittelpunkt komplett an einem Ort. Die Entscheidung für den Wechsel von Wedel nach Kiel begründet sich auch in der größeren Hochschule mit einer ganz anderen Infrastruktur, die mir ermöglicht, mich wieder tiefer mit Informatik – insbesondere Web-Entwicklung – auseinanderzusetzen.
Welche Fähigkeiten sind Ihrer Meinung nach elementar für Studium und Beruf – welche Fertigkeiten möchten Sie Ihren Studierenden unbedingt mit auf den Weg geben?
Diese Frage beschäftigt mich tatsächlich seit anderthalb Jahren sehr, da sich durch die Entwicklungen im Bereich Künstliche Intelligenz (KI), insbesondere durch Large Language Modelle (LLMs), die benötigten Skills verschieben. Meine Arbeitshypothese ist, dass es in den nächsten Jahrzehnten weiterhin große Veränderungen in allen Lebensbereichen durch Technologie geben wird. Das bedeutet wiederum, dass reines Faktenwissen weniger gebraucht wird, sondern eher vernetztes Wissen und das Arbeiten in Teams.
Konkret halte ich Fähigkeiten für essenziell, die die Zusammenarbeit zwischen Menschen und insbesondere interdisziplinäre Zusammenarbeit fördern. Arbeitsmethoden wie Scrum halte ich für unerlässlich. Im gleichen Kontext werden Projektmanagement- und Arbeitsmethoden benötigt, die stark hypothesengetrieben sind, da wir in einer komplexen oder chaotischen Welt (ein Begriff aus dem Projektmanagement) leben. Die Philosophie des Lean Startups und der damit verbundenen Arbeitsweisen gehört für mich dazu – nicht nur für Startups, sondern auch darüber hinaus. An technologischen Fähigkeiten halte ich es für unerlässlich, dass alle Studierenden – und damit lehne ich mich gerne aus dem Fenster – Grundkenntnisse in Informatik haben sollten, unabhängig vom Fachbereich. Ebenso halte ich Grundkenntnisse in Mathematik für essenziell. In einer Welt, die sich gerade fundamental durch Technologie verändert, ist ein grundlegendes Verständnis von Technologie unerlässlich.
Zum Abschluss: Welche Pläne haben Sie für die Zukunft – persönlich, in der Lehre, Forschung oder Startup-Förderung?
Ich befinde mich mitten in der Umgestaltung der Lehre hin zum Flipped Classroom. Das bedeutet konkret eine Transformation von Frontalunterricht (mit Interaktion) hin zu einer Coaching-Rolle, die ganz andere Anforderungen stellt und ganz andere Materialien benötigt. Diese Veränderung ist nicht mit ein paar Moodle-Umstellungen getan, sondern erfordert einen langen Prozess, in dem sich Lernende und Lehrende gemeinsam anpassen müssen.
Im Bereich Forschung ist es für mich zentral, weiterhin an angewandten KI-Themen zu arbeiten – konkret an der rasant fortschreitenden Entwicklung von LLMs durch anwendungsnahe Szenarien. Ich arbeite auch seit einigen Jahren an Themen wie Pflege und Smart Home, die weiterhin laufen und sich professionalisieren. Im Bereich Startup-Förderung habe ich noch keine konkreten Pläne, bin aber gespannt, welche Möglichkeiten sich an der Hochschule in Zukunft ergeben.