30 Jahre Fachbereich Wirtschaft - Interview mit Professor Dr. Hans Klaus

30 Jahre Fachbereich Wirtschaft - Interview mit Professor Dr. Hans Klaus

Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum! 30 Jahre sind für einige Lehrkräfte und insbesondere für unsere jungen Studierenden eine unvorstellbar lange Zeit, die Professor Hans Klaus allein an unserem Fachbereich verbracht hast. In so einem Zeitraum entstehen spannende Erfahrungen und Erkenntnisse, von denen er im Interview mit seinem Kollegen Manuel Stegemann berichtet.

Wenn du auf deine 30 Jahre zurückblickst: Welche markanten Ereignisse sind bei dir besonders in Erinnerung geblieben?
Da fällt mir als erstes Ereignis noch heute mein allererster Tag am Fachbereich ein, der 1. Oktober 1990. Damals waren wir ja noch beim Dreiecksplatz in der Innenstadt untergebracht. Die Kollegenschaft hat mir einen tollen Empfang bereitet und eine kleine Feier in einer Ecke neben dem Getränkeautomaten veranstaltet. So habe ich die Hochschulkultur der FH Kiel, die ich aufgrund meiner vorherigen Stationen in Süddeutschland noch nicht kannte, gleich von Beginn an sehr positiv erlebt.

Als weiteres Ereignis fällt mir der Eintritt ins Dekanat ein, das war 1993/94. Zuerst wurde ich Prodekan, später Dekan. In dieser Zeit war der Umzug der Fachhochschule vom Kieler Stadtgebiet nach Dietrichsdorf sehr prägend. Wir waren verstreut in der Kieler Stadt mit allein zwei Standorten für den Fachbereich Wirtschaft. Der Umzug war von vielen Kolleginnen und Kollegen nicht gewünscht, sodass hinsichtlich der Organisationsentwicklung einige Herausforderungen zu bewältigen waren. Heute haben wir durch den gemeinsamen Campus sowohl innerhalb des Fachbereichs als auch interdisziplinär mit anderen Fachbereichen mehr Berührungspunkte. Das halte ich für sehr wertvoll.

Was war dein außergewöhnlichstes Erlebnis in der Zusammenarbeit mit Studierenden?
Eine Gruppe von Studierenden kam mitten im Semester im Sommer 2008 auf mich zu, weil ihnen ein Seminar für ihren Schwerpunkt fehlte. So planten wir kurzfristig ein Seminar zur Mitarbeiterführung und fuhren drei Wochen später gemeinsam nach Damp. Dort hatten wir ein intensives Seminar, bei dem die Studierenden unglaublich engagiert mitgearbeitet haben, 120 Bücher aus Bibliotheken mitbrachten und tolle Präsentationen sowie Hausarbeiten entwickelt haben. Auch außerhalb des Seminars war es durch schöne Sommerabende in Damp ein Erlebnis für alle. Die Initiative der Studierenden war außergewöhnlich und einfach toll.

Du kennst dich aufgrund deiner hochschulpolitischen Aktivitäten auch gut in der Hochschullandschaft aus. Was differenziert unsere FH Kiel bzw. unseren Fachbereich von anderen?
Auf die Frage kann ich einen positiven und einen nicht so positiven Aspekt nennen. Ich finde, wir sind als Hochschule insgesamt gut aufgestellt mit unserem Qualitätsmanagementsystem. Das spiegelt sich in der aktuellen Systemakkreditierung wider, war aber auch schon vorher so. Unsere Orientierung als Fachbereich am Hochschulqualifikationsrahmen HQR von 2005 und 2017 sehe ich auch positiv.
Ich sehe allerdings einen Nachholbedarf bei unserem hochschulischen Selbstverständnis im Vergleich zu einigen anderen Fachhochschulen bzw. Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. Das wissenschaftliche Selbstverständnis sollte unsere Lehrangebote stärker durchziehen, um uns als Hochschule gegenüber anderen Bildungsanbietern im tertiären und quartären Bereich klarer zu differenzieren.

Was genau beinhaltet für dich das wissenschaftliche Selbstverständnis, das du ansprichst?
Damit meine ich, Forschung und Theorie stärker in die Lehre zu integrieren und nicht als Gegensatz zur Anwendungsorientierung anzusehen. Studierende sollten über ein reflektiertes, methodisch-systematisches Vorgehen, das auf wissenschaftlichen Qualitätsstandards basiert, zu eigenen Erkenntnissen befähigt werden. Und diese sollten sie wiederum kritisch hinterfragen und nicht als absolut bzw. als streng gesichert ansehen. Wir Lehrende sind in dieser Hinsicht ebenfalls gefordert, in der methodologischen Ausbildung nicht zu einseitig zu sein. Dazu passt auch sehr gut der Satz „Keine Theorie soll herrschen“, wie man dem Skeptizismus Odo Marquards folgend formulieren könnte.
Dieses wissenschaftliche Selbstverständnis geht für mich weit über das Lernen von „Tools“ hinaus, und es würde mich freuen, wenn dieser Aspekt stärker in den Fokus rückte. Ich halte das auch gerade für unsere Klientel an der Fachhochschule für wichtig, die häufig über den zweiten oder dritten Bildungsweg zu uns gelangt.

Gibt es etwas in deiner Laufbahn, das du im Nachhinein betrachtet, anders gemacht hättest?
(lacht) Ja, ganz sicher. Erstens würde ich nicht mehr so viele Überstunden machen. Während meiner 14 Jahre im Dekanat habe ich meine Lehrtätigkeiten zu wenig reduziert. Darunter hat natürlich die Zeit mit der Familie gelitten. Beruflich habe ich mich zudem nicht mehr in der Intensität mit der Forschung beschäftigt, wie ich das eigentlich gern gemacht hätte. Hier bin ich an meine zeitlichen Grenzen gestoßen. Zweitens würde ich die Freistellungsmöglichkeiten von der Lehrverpflichtung „en bloc“ nehmen anstatt sie auf zwei Semester zu verteilen. Das ist auch mein Rat an die Kolleg*innen: Nehmt die Freistellung in einem Semester. So kann man meiner Erfahrung nach tiefer in Themengebiete eintauchen.

 

Welchen weiteren Tipp hättest du für Lehrende, die auch mal die 30 Jahre am Fachbereich erreichen möchten?
30 Jahre ist ja nicht nur eine Frage des Durchhaltens. 30 Jahre Dabeisein ist für mich eine Folge von Freude an der Tätigkeit. Ich mache heute mit der Lehrtätigkeit etwas, das ich als junger Mann, als Student nie wollte, aber bei dem ich heute große Genugtuung erfahre. Meine Freude habe ich mir – so glaube ich jedenfalls – dadurch erhalten, dass ich den Sinn und Nutzen meiner Tätigkeit regelmäßig reflektiert habe: Erstens habe ich erkannt, dass die Arbeit mit jungen Menschen, die lernen und sich weiterentwickeln wollen, sehr befriedigend ist. Zweitens habe ich realisiert, dass ich einen Beruf habe, der mir die Möglichkeit bietet und mich dafür bezahlt, selbst ständig zu lernen und mich weiterzuentwickeln.

Was wünscht du dir für unseren Fachbereich in den nächsten Jahren?
Ich würde mir für den Fachbereich und auch allgemein für die Hochschule wünschen, dass wir in Zukunft einen regen Austausch haben, welche methodischen Kompetenzen und welche Inhalte wir für wichtig erachten und wie diese in die Lehre und in unseren Arbeitsalltag transportiert werden können. Dabei sehe ich es kritisch, einfach sogenannte „Best Practices“ von anderen zu übernehmen oder einem Mainstream zu folgen. Ich würde die Themen und Inhalte lieber selber anhand von Kompetenzzielen ableiten. In diesem Zusammenhang nehme ich mit Freude wahr, dass viele junge Kolleg*innen und auch die Kolleg*innen in aktuellen Leitungspositionen sehr offen sind, sich mit derartigen Fragen auseinanderzusetzen.

Text: Prof. Dr. Manuel Stegemann