Onlinelehre – und was wir daraus lernen können

Onlinelehre – und was wir daraus lernen können

Das wohl spannendste Sommersemester - sowohl für Studierende als auch für Lehrende - haben wir bereits zur Hälfte hinter uns gebracht. Ein Alltag im Home-Office hat sich eingestellt und die Online-Lehre nimmt weiterhin ihren Lauf. Doch wie haben Studierende und Lehrende den unerwarteten Schubser ins kalte Wasser zu Beginn des Semesters empfunden? Um dies herauszufinden, wurden zwei Umfragen an der FH Kiel durchgeführt. Die ersten Ergebnisse wurden bereits ausgewertet und erste Erkenntnisse konnten gewonnen werden.

Die Umfrage, welche sich an alle Studierenden der FH richtete, wurde von Michaela Knafla im Rahmen ihrer Masterthesis gleich zwischen der ersten und zweiten Vorlesungswoche in die Tat umgesetzt. Bestandteil dieser Umfrage waren drei Schwerpunkte. Zum einen wurden die Studierenden zu ihren Empfindungen nach dem abrupten Einstieg in die Online-Lehre gefragt. Ein weiterer Punkt sind die Vor- und Nachteile, die sich für die Befragten im Rahmen dieser Situation ergaben. Als letzter Punkt der Befragung wurden Empfehlungen für Lehrende und Verantwortliche aus der Sicht der Studierenden ermittelt. An der Umfrage nahmen knapp 1.500 Studierende teil. Eine solch hohe Beteiligung war für die Verantwortlichen überraschend. Die Fülle der Antworten wurde einerseits KI-(Künstliche Intelligenz) gestützt (ermöglicht durch Jonas Mielck vom Kieler Start-up stackOcean) und andererseits manuell ausgewertet.
Eine erste Aufarbeitung der Antworten ergaben für die drei Schwerpunkte folgende, bereits jetzt schon aufschlussreiche Ergebnisse, die den Stand zu Beginn des besonderen Semesters widerspiegeln. Die Vorteile, welche sich aus den Umfrageergebnissen abzeichnen, sind aus Sicht einiger zum einen die Zeitersparnis und zum anderen das orts- und zeitunabhängige Studieren. Aber auch die Chancen, die sich in Bezug auf die Digitalisierung der Fachhochschule ergeben und die Tatsache, dass Lehrende wieder zu Lernenden werden, werden von den Studierenden positiv beurteilt.
Nachteile, die in den Antworten zu erkennen sind, sind die zu Beginn fehlende einheitliche Organisation der FH sowie teilweise auch die notwendigen technischen Rahmenbedingungen. Studierende vermissen vor allem die sozialen Kontakte zu ihren Mitstudierenden und Lehrenden. Zudem stellen manche Mängel in  ihrer eigenen Konzentrations- und Motivationsfähigkeit fest.
Als Kritik und Empfehlungen konnte der Wunsch nach einheitlichen, hochschulinternen Standards und hierbei die Frage nach einem eigenen Tool für die FH herausgearbeitet werden. Weiterhin wurde der Anregung einer Kombination aus Online- und Präsenzlehre für die zukünftige Form der Lehre erkannt. Hierfür benötige es laut der Studierenden jedoch angemessene Schulungen für alle Lehrenden der FH. Eine Studie, in der eine differenzierte Analyse nach Studiengängen und Fachbereichen vorgenommen wird, ist durch Dr. Christiane Metzger aktuell in Arbeit. Im Laufe des weiteren Semesters wurden diese Empfehlungen zum Teil bereits umgesetzt (z. B. hochschulweite Lizenz für das Tool ZOOM, das von der überwiegenden Mehrheit der Lehrenden genutzt wird).

Am Fachbereich Wirtschaft wurde eine weitere Befragung, dieses Mal unter den Lehrenden des Fachbereichs durchgeführt. Diese Befragung diente der Bestandsaufnahme rund um das Lehrangebot in der Frühphase des Semesters. Das Ergebnis zum Stand der Lehre am Ende von Woche drei dieses turbulenten Semesters überraschte alle: Das Angebot der Pflichtmodule über alle Studiengänge des Fachbereichs konnte zu 100 % realisiert werden. Vielfalt bei Lehr- und Lernangeboten war dabei ausdrücklich erwünscht. Lediglich zwei Wahlpflichtmodule, die Exkursionen vorsahen, konnten nicht stattfinden, selbst geblockte Module an den Wochenenden mussten in diesen turbulenten Zeiten nicht abgesagt werden. Die weitere Auswertung hat ergeben, dass in diesem besonderen Semester der Stoffumfang im großen Teil der Module zu 100 % vermittelt werden kann.
Die Frage nach dem Angebot ergab, dass der größte Teil der Dozent*innen Online-Veranstaltungen in Kombination mit dem zur Verfügungstellen der jeweiligen Skripte und zusätzlichen Übungsaufgaben mit Korrekturmöglichkeiten als Tools in diesem Semester nutzen. Dozent*innen, die keine fest terminierten Online-Veranstaltungen anbieten, weichen auf das Selbststudium für Studierende anhand von Skripten und/oder Literaturhinweisen aus. Auch hier werden Übungsaufgaben mit Lösungshinweisen, teilweise flankiert durch Präsentationen im online-Format, für die Studierenden bereitgestellt. Darüber hinaus sorgen einzelne Dozent*innen für zusätzliche Lernmöglichkeiten wie Film oder Audiodateien.
Die Umfrageergebnisse des Austausches zwischen Studierenden und Dozent*innen hat ergeben, dass eine Online-Kommunikation in nahezu allen Modulen vorhanden ist. Die Häufigkeit und der Kanal hängen hierbei von der Anzahl der Studierenden sowie dem jeweiligen Modul ab.

Zusammenfassend lässt sich erkennen, dass die Online-Lehre (in welcher Form auch immer) von Studierenden wie auch von Dozent*innen für dieses Semester von Beginn an akzeptiert, als Herausforderung angenommen und schnell umgesetzt wurde. Die allermeisten sind mit der Gesamtsituation zufrieden. Für einen so abrupten Einstieg beider Seiten ist die Online-Lehre weitgehend problemlos eingeführt und weiterhin sehr schnell an den Stellen optimiert worden, an denen optimiert werden musste. Auch wenn der Großteil der Befragten sich für eine Rückkehr zur Präsenzlehre ausspricht, so ist man von einem gewissen Anteil an Online-Elementen in der Lehre nicht abgeneigt. Die Umsetzung der Lehre durch die Dozent*innen zeigt, dass solch eine Realisierung durchaus möglich wäre. Hierfür bedarf es zwar unter anderem einer Schulung aller Dozent*innen (um allen das nötig Know-How zu verschaffen und sie hier einheitlich auf denselben Stand zu bringen), einer technischen Grundausstattung aller Beteiligten sowie eine einheitliche Organisation - dies macht die Idee jedoch nicht weniger realistisch. Wo genau noch weiter optimiert werden muss und welche Erkenntnisse wir außerdem aus diesem Semester ziehen können, wird eine detailliertere Analyse der Umfrageergebnisse zukünftig zeigen.

Text: Annika Jaensch
(veröffentlicht: 08.06.2020-ra)