Eine junge Frau steht auf einem Steg und schaut lächelnd in die Kamera© N. Becker
Von der größten Stadt Nigerias in die Landeshauptstadt Kiel: Victory Imasi fühlt sich wohl an der Förde.

Als Kollegiatin gekommen, als Ingenieurin geblieben

von Nele Becker

„Say yes to new adventures“ – für Victory Imasi ist das nicht bloß ein Spruch auf ihrem T-Shirt, sondern zugleich eine Art Lebensmotto. Schon in der High School in Lagos, Nigeria, habe die junge Frau gewusst: „Nach dem Abschluss möchte ich Nigeria verlassen und international Erfahrungen sammeln.“ Als das Ende der Schulzeit näher rückte, tat sich dafür tatsächlich eine Möglichkeit auf: Ihr Vater erzählte ihr, dass sein jüngerer Bruder seit mehr als 20 Jahren in Kiel lebt.

Über Facebook nahm Victory Imasi Kontakt zu ihrem ihr bis dahin unbekannten Onkel auf. „Er sagte mir: ‚Wenn du nach Deutschland kommen möchtest, dann solltest du hier studieren‘“, erinnert sie sich. Diesem Rat wollte sie folgen, und nach zahlreichen Gesprächen mit Behörden und jeder Menge Papierkram kam sie schließlich im November 2018 bei ihrem Onkel in Kiel an. Ein Jahr lang besuchte sie zunächst Sprachkurse an der Volkshochschule, um ab Anfang 2020 am Studienkolleg der Fachhochschule Kiel ihre fachgebundene Fachhochschulreife zu absolvieren.

„Am Studienkolleg habe ich den Schwerpunkt Technik gewählt – Mathe habe ich nämlich schon immer geliebt“, begründet sie ihre Wahl und fügt schmunzelnd hinzu: „Nur der Informatik-Kurs fiel mir schwer.“ Imasi ließ sich davon jedoch nicht beirren, bestand auch die Informatik-Prüfung und erhielt so die Möglichkeit, an der Fachhochschule zu studieren. Einem Studium und damit vielfältigeren Berufsaussichten stand also nichts mehr im Wege. Nach Beratungen mit ihrem Onkel entschied sie sich zum Wintersemester 2021/2022 für den Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen an der FH Kiel.

In einem Vorpraktikum beim Straßenbauunternehmen Eurovia sammelte Victory Imasi erste Erfahrungen auf der Baustelle und erhielt Einblicke in den Tief- und Straßenbau. Nach knapp vier Semestern zieht die 21-Jährige eine positive Zwischenbilanz: „Das Studium ist genau das richtige, und bisher habe ich auch alle Prüfungen bestanden. Vieles auszuprobieren und die Theorie direkt praktisch anzuwenden, hilft mir sehr.“

Im fünften Semester steht für sie die Wahl eines Schwerpunkts an. „Ich bin mir noch nicht ganz sicher, könnte mir aber vorstellen, dass ich mich für Konstruktiven Ingenieurbau entscheide. Da kann ich auch viel rechnen“, sagt sie und lacht. Trotzdem solle sich niemand durch Mathe vom Traumberuf abschrecken lassen, betont Imasi. Neben Zahlen bietet das Studium viele weitere Aspekte: „Themen wie Stadt- und Regionalplanung finde ich auch spannend. Im Modul BauIng-Projekt haben wir zum Beispiel die Hörnbrücke besichtigt und Ideen dafür entwickelt, wie man die Stadt beleben kann.“

Inzwischen sei sie gut im Land, in der Stadt und an der Hochschule angekommen; nicht zuletzt dank hilfsbereiten Kommiliton*innen, die zu Freund*innen wurden. Nach ihrem Bachelorabschluss möchte Victory Imasi in Deutschland bleiben und sich „beruflich etwas aufbauen“, vielleicht auch noch ein Masterstudium anhängen. Ihr Traum ist es, ihrer Familie zu ermöglichen, ebenfalls von Nigeria nach Kiel zu kommen, um dauerhaft gemeinsam in Deutschland zu leben.

© Fachhochschule Kiel