Ein Mann© J. Kö­nigs

Auf­wind für die In­dus­trie der Zu­kunft

von Julia Kö­nigs

Mit dem Fahr­stuhl fah­ren, zu Hause Strom aus er­neu­er­ba­ren En­er­gi­en be­zie­hen oder mit dem VW Golf oder dem Elek­tro­au­to zur Ar­beit fah­ren: für viele Men­schen All­tag. Ge­dan­ken um das, was diese Rou­ti­nen erst er­mög­licht, macht sich kaum je­mand. Dabei ste­hen kom­ple­xe For­schun­gen und Be­rech­nun­gen der Leis­tungs­elek­tro­nik da­hin­ter.

Ein For­schungs­team der Fach­hoch­schu­le Kiel ist seit mehr als sie­ben Jah­ren dabei, die Leis­tungs­elek­tro­nik für die zu­kunfts­ori­en­tier­te In­dus­trie oder die Elek­tro­mo­bi­li­tät ef­fi­zi­en­ter zu ge­stal­ten. Hohe En­er­gie­dich­ten und klei­ne Bau­räu­me für diese Leis­tungs­elek­tro­nik ste­hen dabei im Mit­tel­punkt.

Ste­fan Beh­rendt, Mas­ter of En­gi­nee­ring, Pro­jekt­in­ge­nieur des For­schungs- und Ent­wick­lungs­zen­trum FH Kiel GmbH und Dok­to­rand am Fach­be­reich In­for­ma­tik & Elek­tro­tech­nik der FH Kiel sowie an der Mar­tin-Lu­ther-Uni­ver­si­tät Halle-Wit­ten­berg, ge­hört zu die­sem For­schungs­team um Prof. Dr. Ei­se­le.

Sei­nen Ba­che­lor- und Mas­ter­ab­schluss ab­sol­vier­te Beh­rendt in den Stu­di­en­gän­gen Me­cha­tro­nik sowie Elek­tro­ni­sche Tech­no­lo­gi­en. Schon wäh­rend die­ser Stu­di­en­zeit war er Teil des Teams um Prof. Dr. Ei­se­le als stu­den­ti­sche Hilfs­kraft, und er­hielt Ein­bli­cke in die For­schung der Leis­tungs­elek­tro­nik. Es folg­ten Ba­che­lor- und Mas­ter­ar­beit, heute die Dis­ser­ta­ti­on – sie­ben Jahre, die er dem Thema wid­me­te.

Als Pro­jekt­in­ge­nieur und Tech­ni­scher Lei­ter ar­bei­tet Beh­rendt ak­tu­ell am Pro­jekt Re­LEEB:„Unser Ziel ist es, kom­pak­te Leis­tungs­elek­tro­nik-Sys­te­me zu ent­wi­ckeln, bei denen das Ther­mo­ma­nage­ment op­ti­miert ist“, sagt Beh­rendt. Das be­deu­tet, dass leis­tungs­elek­tro­ni­sche Mo­du­le, die in un­ter­schied­li­chen An­wen­dungs­be­rei­chen wie E-Mo­bi­li­tät, Wind­kraft­an­la­gen oder dem klas­si­schen Fahr­stuhl ein­ge­setzt wer­den, län­ger be­stän­dig sein, bes­ser ge­kühlt und mit neuen Auf­bau- oder Ver­bin­dungs­tech­ni­ken ein­ge­setzt wer­den sol­len. Kurz: Sie wer­den be­last­ba­rer, leis­tungs­fä­hi­ger, war­tungs­är­mer.

Ein wich­ti­ger Teil der Ar­beit sind die so­ge­nann­ten Halb­lei­ter, deren Tem­pe­ra­tu­ren ge­senkt wer­den. Beh­rendt er­klärt: „Halb­lei­ter sind Fest­kör­per, die fähig sind, elek­tri­schen Strom zu lei­ten. Eines der wich­tigs­ten Halb­lei­ter­ma­te­ria­li­en ist zum Bei­spiel Si­li­zi­um. Die Kunst­stof­fe, mit denen leis­tungs­elek­tro­ni­sche Mo­du­le üb­li­cher­wei­se ver­gos­sen wer­den, ba­sie­ren auf Epo­xid­har­zen, sind me­cha­nisch und ther­misch nicht vor­teil­haft, aber recht güns­tig.“ Um diese Nach­tei­le der Kunst­stof­fe zu um­ge­hen, ent­wi­ckel­te Prof. Ei­se­le mit sei­nem Team die Idee, Ze­ment als Ma­te­ri­al ein­zu­set­zen. Des­sen Vor­tei­le für die Leis­tungs­elek­tro­nik sind im­mens, weiß Beh­rendt:

„Ze­ment kann von Haus aus Wärme sehr gut lei­ten, ganz an­ders als die Kunst­stof­fe, die dafür mit Füll­stof­fen mo­di­fi­ziert wer­den müs­sen.“

Ob­wohl Ze­ment als „exo­ti­scher Werk­stoff“ auf die­sem Fach­ge­biet gilt, konn­te das For­schungs­team be­reits viel po­si­ti­ve Re­so­nanz ein­sam­meln. Unter an­de­rem prä­sen­tier­ten sie die Er­geb­nis­se auf der in­ter­na­tio­nal füh­ren­den Fach­mes­se und Kon­fe­renz für Leis­tungs­elek­tro­nik, In­tel­li­gen­te An­triebs­tech­nik, Er­neu­er­ba­re En­er­gi­en und En­er­gie­ma­nage­ment, der PCIM (Power Con­ver­si­on and In­tel­li­gent Mo­ti­on). „Un­se­re For­schung ist für viele Un­ter­neh­men in­ter­es­sant – wir ar­bei­ten in einem Ver­bund mit gro­ßen Fir­men zu­sam­men, die die Fer­ti­gung der Ver­guss- oder Ver­kap­se­lungs­ma­te­ria­li­en nach Deutsch­land ver­le­gen kön­nen, wenn wir wei­ter­hin er­folg­rei­che Er­geb­nis­se ver­zeich­nen.“

Am meis­ten Freu­de be­rei­te Beh­rendt die Pro­jekt­ar­beit mit jenen Un­ter­neh­mens­part­nern. „Die tech­ni­sche For­schung ist cool, weil man so­fort sicht­ba­re Er­geb­nis­se hat, aber es ist span­nend zu sehen, dass in un­se­ren Ko­ope­ra­ti­ons­fir­men die­sele­ben Her­aus­for­de­run­gen herr­schen, wie in un­se­ren über­schau­ba­ren Ver­su­chen an der FH – nur eben auf einer viel grö­ße­ren Skala.“

Zu die­sen Ko­ope­ra­ti­ons­un­ter­neh­men ge­hö­ren neben der For­schungs- und Ent­wick­lungs­zen­trum Fach­hoch­schu­le Kiel GmbH (FuE FH Kiel GmbH) auch das Fraun­ho­fer-In­sti­tut für Mi­kro­struk­tur von Werk­stof­fen und Sys­te­men (IMWS), die Ro­bert Bosch GmbH, die Dan­fo­ss Si­li­con Power GmbH, die Heraeus Deutsch­land GmbH & Co. KG, die Sie­mens AG, die CT RTC ELE Ber­lin und Hübers Ver­fah­rens­tech­nik Ma­schi­nen­bau GmbH. Ge­för­dert wird das Pro­jekt Re­LEEB durch das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Bil­dung und For­schung.

Das po­si­ti­ve Feed­back brach­te der For­schungs­grup­pe bis­her nicht nur zwei Prä­mie­run­gen ein, son­dern sorg­te auch für kri­ti­sche Be­trach­tun­gen der Er­geb­nis­se. Das mache es mög­lich, fin­det Beh­rendt, dass man die ei­ge­ne Ar­beit immer re­flek­tie­re und neu be­wer­te. Hilf­reich für seine Dis­ser­ta­ti­on: „Da­durch, dass wir Ze­ment in den Leis­tungs­mo­du­len ein­set­zen, muss fest­ge­stellt wer­den, ob das Modul wei­ter­hin funk­tio­niert. Ich for­sche dazu, neue Mo­dul­kom­po­nen­ten zu er­ar­bei­ten, um alle Vor­tei­le des Ze­ments her­aus­zu­ho­len. Das ge­lingt zum Bei­spiel durch Add-Ons wie eine Kup­fer­plat­te auf dem Modul.“ In einem wei­te­ren Teil sei­ner For­schun­gen werfe der Dok­to­rand alle Kon­ven­tio­nen von Bord: „Hier denke ich dann ganz neu.“

Bis De­zem­ber 2019 wird Ste­fan Beh­rendt an sei­ner Dok­tor­ar­beit schrei­ben, ehe er seine Er­geb­nis­se in der Wirt­schaft an­wen­den will.

© Fach­hoch­schu­le Kiel