Frau am Tresen mit Kasse und Waage© M. Pilch

Café Mum­pitz – das Cam­pus­wohn­zim­mer

von Aenne Boye

Das Café Mum­pitz am Cam­pus der FH Kiel ist ein Ort zum Ver­wei­len. Mit Liebe zum De­tail und einem ge­stal­te­ri­schen Händ­chen hat die Be­sit­zern Ca­ro­lin Boeck, von allen Caro ge­nannt, ihr Café ein­ge­rich­tet. Eine Mi­schung aus alten, an­ti­ken Mö­beln ver­brei­tet eine ge­müt­li­che At­mo­sphä­re, ein leich­ter Kaf­fee­ge­ruch liegt in der Luft. In der Theke ist ein altes Stahl­fens­ter ein­ge­fasst, hin­ter dem ein ge­trock­ne­ter Blu­men­strauß vor einer ge­mus­ter­ten Ta­pe­te zu sehen ist. Die da­mals 23-Jäh­ri­ge woll­te einen Platz für Ge­mein­schaft schaf­fen, als sie im Juni 2017 ihr Café im Hei­ken­dor­fer Weg 41 er­öff­ne­te.

Es war schon immer Caros Wunsch­vor­stel­lung, sich selbst­stän­dig zu ma­chen. Seit sie den­ken kann, woll­te sie ihr „ei­ge­nes Ding“ ma­chen, wuss­te nur nicht, womit genau. „Ich denke, das ist Typ-Sache. Wenn ich als Kind ge­fragt wurde, was ich mal wer­den möch­te, habe ich süf­fi­sant ge­ant­wor­tet: ‚Chef.’“, meint Caro schmun­zelnd. Eine kon­kre­te Vor­stel­lung vom Traum­be­ruf gab es für sie nicht. Ihr war le­dig­lich wich­tig, für das, was sie macht, Ei­gen­ver­ant­wor­tung zu über­neh­men und krea­tiv sein zu kön­nen. Je älter Caro wurde, desto mehr woll­te sie Gutes für die Ge­sell­schaft tun – etwas ma­chen, was etwas be­we­gen kann.

Ori­gi­nel­le Ideen und Kon­zep­te für etwas zu ent­wi­ckeln, das liegt Caro. Des­halb fing die ge­bür­ti­ge Lü­be­cke­rin im Win­ter­se­mes­ter 2013/14 an, Mul­ti­me­dia Pro­duc­tion (MMP) an der FH Kiel zu stu­die­ren. „Das Stu­di­um ge­fiel mir, weil ich mich in den ge­stal­te­ri­schen Auf­ga­ben aus­to­ben konn­te“, er­klärt sie. Ne­ben­bei jobb­te Caro in ver­schie­de­nen Kie­ler Cafés, Re­stau­rants und Bars. Sie hätte so ziem­lich alles, was in der Gas­tro­no­mie mög­lich ist, schon ein­mal aus­pro­biert, be­rich­tet die 25-Jäh­ri­ge. Sie moch­te die Ar­beit und lern­te tolle Läden ken­nen. Be­son­ders ge­fiel ihr, Ge­schäf­te ent­ste­hen zu sehen, mit zu ent­wi­ckeln und ge­stal­ten zu kön­nen. „Ich habe immer mehr ge­ar­bei­tet als stu­diert. Im Nach­hin­ein war das wohl ein Zei­chen“, sagt sie mit einem Lä­cheln. Das Schö­ne an der Gas­tro­no­mie wäre der ent­spann­te Rah­men, in denen die Men­schen mit­ein­an­der um­ge­hen. Dort tref­fe sie Men­schen in einer un­ge­zwun­ge­nen Art und Weise, denen sie sonst nie so be­geg­net wäre. Für Caro ist ihr Café „ein Ort von Ge­mein­schaft“, wo sie Ge­sprä­che übers Leben füh­ren könn­te. „Au­ßer­dem esse ich gerne. Das ist wohl auch ein Grund, wes­halb ich im Gas­tro­no­mie-Sek­tor ge­lan­det bin“, sagt sie la­chend.

Der Weg zum ei­ge­nen Café ist eine sehr per­sön­li­che Ge­schich­te. Im Jahr 2016 ging es Caro ge­sund­heit­lich nicht gut. Diese schwe­re Zeit brach­te ihr ein Aha-Er­leb­nis. „Wenn du un­si­cher bist, ob du dein Leben so ge­sund wie vor­her wei­ter­füh­ren kannst, fan­gen die Ängs­te und Sor­gen, die wir uns im All­tag ma­chen, an egal zu wer­den. Ich dach­te mir, ab jetzt machst du die Dinge, die die du dir er­träumt hast, und nutzt Chan­cen, die sich er­ge­ben“, er­klärt sie.

Die Ent­schei­dung, das Mum­pitz vor mehr als zwei Jah­ren zu er­öff­nen, kam aus dem Bauch her­aus. Ende 2016 ergab sich für Caro un­ver­hofft die Ge­le­gen­heit dazu, ein ei­ge­nes Café zu er­öff­nen. Vor­her hätte sie nicht die Mit­tel dazu ge­habt. Nach­dem die Rah­men­be­din­gun­gen stimm­ten, be­schloss sie, ihre Ent­schei­dung um­zu­set­zen. Wenn sie fünf­mal län­ger über den Ent­schluss nach­ge­dacht hätte, hätte sie wahr­schein­lich zu­rück­ge­zuckt, re­flek­tiert sie heute. „Al­ler­dings wüss­te ich nicht, was ich hätte tun kön­nen, was mich so be­rei­chert hat, wie das hier“, schwärmt die Wahl-Kie­le­rin. Caro hat viel Neues ge­lernt und Sa­chen voll­bracht, die sie vor­her noch nie ge­macht hat. Da­nach sei sie total stolz ge­we­sen, er­klärt sie. „Ich habe sehr viel mit­ge­nom­men aus die­ser Zeit.“ Seit­dem sie das Mum­pitz er­öff­net hat, ist sie der Mei­nung, dass jeder alles hin­krie­gen kann, wenn er es von Her­zen wol­len würde. „Es ist dabei total fas­zi­nie­rend, wie deine Idee und glei­cher­ma­ßen deine Per­sön­lich­keit sich wei­ter­ent­wi­ckelt und dir klar wird, dass es nicht nur um das Er­geb­nis geht, son­dern um den Weg an sich.“ Dazu zi­tiert Caro ihren Lieb­lings­spruch aus dem Roman „Der Al­chi­mist“: „Es gibt nur eine Mög­lich­keit zu ler­nen, und das ist durch Han­deln. Alles, was du wis­sen musst, hat dich die Reise ge­lehrt.“ Caro lenkt al­ler­dings ein, dass sie das nicht ro­man­ti­sie­ren wolle: „Ein ei­ge­nes Pro­jekt auf die Beine zu stel­len, ist nicht ein­fach und zwingt dich aus dei­ner Kom­fort­zo­ne her­aus­zu­ge­hen – aber genau das ist auch das Gute daran.“

Das Mum­pitz stellt Caro sich als eine Art Cam­pus­wohn­zim­mer vor. Sie möch­te nicht, dass es le­dig­lich darum geht, einen Kaf­fee nach dem an­de­ren zu kau­fen, son­dern ihr Café zu einem Ort zu ma­chen, an dem die Men­schen sich be­geg­nen und aus­tau­schen kön­nen. „Auf dem Cam­pus gibt es viel ‚schnell mal einen Kaf­fee holen’. Mein Café ist eine Al­ter­na­ti­ve dazu. Es bie­tet Platz, um zu ent­schleu­ni­gen“, be­tont sie.

In ihrem An­ge­bot ach­tet Caro auf gute und re­gio­na­le Zu­ta­ten sowie lo­ka­le An­bie­ter. Ihr Kaf­fee kommt aus dem „Lop­po­kaf­fee. Café und Rös­te­rei“ aus Kiel. Neben einer Aus­wahl an Hei­ß­ge­trän­ken bie­tet sie Li­mo­na­den und Saft­schor­len von klei­nen Her­stel­lern wie Wos­tok, Le­mo­naid oder Lütt’s Land­lust an. Auch in den Namen ihrer ei­ge­nen Krea­tio­nen fin­det sich Caros Liebe fürs De­tail wie­der: So hei­ßen ihre ve­ga­nen Ha­fer­milch­shakes Rosa, Erna und Frie­da. Bei ihrer Ar­beit im Café ist ihr wich­tig, wenig Ver­pa­ckungs­müll zu pro­du­zie­ren und den Café-All­tag so nach­hal­tig wie mög­lich zu ge­stal­ten. Ku­chen gibt es im Weck­glas mit Pfand. „Darin hält er sich über Wo­chen, weil er „ein­ge­weckt“ ist“, be­kräf­tigt sie. So muss Caro am Ende des Tages keine Le­bens­mit­tel weg­schmei­ßen.

Jedes Mö­bel­stück im Café Mum­pitz er­zählt eine Ge­schich­te. Auf Ebay und Haus­halts­auf­lö­sun­gen ist Caro auf Schatz­su­che ge­gan­gen und hat für wenig Geld schö­ne Sa­chen ge­fun­den. „Ich wert­schät­ze den Charme von alten Mö­beln und vor allem die Nach­hal­tig­keit. Ich finde, es muss nicht immer alles neu sein, wenn doch alles da ist“, sagt sie. Die Ast­lö­cher im Holz­tre­sen hat Caro mit in Harz ein­ge­fass­ten Blu­men ver­ziert. Das Café ist ge­spickt mit klei­nen Hin­gu­ckern und Ein­zel­hei­ten, die sich seine Be­sit­ze­rin aus­ge­dacht hat. Auf den Namen „Mum­pitz“ kam Caro, weil sie ein altes Wort woll­te. „Mum­pitz“ fand Caro wit­zig, und au­ßer­dem pass­te es zu dem Grund­ge­dan­ken ihres Cafés, dass nicht das Rad neu er­fun­den wer­den müsse und alte Dinge mehr wert­ge­schätzt wer­den soll­ten, er­klärt sie. Dar­über hin­aus hat das Wort noch eine per­sön­li­che Be­deu­tung für sie. Aber die soll ihr Ge­heim­nis blei­ben.

Am Wo­chen­en­de, wenn das Café ge­schlos­sen hat, wid­met Caro sich ihren an­de­ren Pro­jek­ten. „Bei­spiels­wei­se habe ich ge­ra­de für das Start-up-Fes­ti­val Wa­ter­kant eine Bühne ge­baut, die ähn­lich aus­sieht wie mein Laden von innen“, be­rich­tet sie. „Der Ver­ein open­cam­pus.sh, der auch das Fes­ti­val or­ga­ni­siert, macht viele schö­ne Pro­jek­te, bei denen ich mich gerne ein­brin­ge“, be­kräf­tigt sie. Durch Caros En­ga­ge­ment bei dem Bil­dungs­ver­ein, kam es auch zu einer Zu­sam­men­ar­beit: Seit Fe­bru­ar 2019 bie­tet sie Ver­an­stal­tun­gen für Grün­der*innen und In­no­va­tio­nen in ihrem Café an. Mo­men­tan ar­bei­tet sie daran, ein Pro­jekt zu ent­wi­ckeln, in dem Ideen für den Stadt­teil Neu­müh­len-Diet­richs­dorf ge­sam­melt wer­den. „Ein ers­ter Schritt ist, dar­über zu spre­chen und Ideen zu ent­wi­ckeln. Au­ßer­dem müs­sen wir gu­cken, was die An­woh­ner und die Leute all­ge­mein wol­len“, schil­dert sie. Caro fin­det, das Po­ten­zi­al des Stadt­teils sei noch nicht aus­ge­schöpft. Sie möch­te dazu bei­tra­gen, dass sich ge­küm­mert wird und Pro­jek­te vor Ort rea­li­siert wer­den. „Mir ist klar, dass das ein Pro­zess ist, aber ich sehe hier total viele Mög­lich­kei­ten.“

Die al­lei­ni­ge Ver­ant­wor­tung für ihren Laden zu haben, sei am An­fang schon neu ge­we­sen, ge­steht Caro. Bei der Er­öff­nung ihres Cafés haben ihr zwar viele Men­schen ge­hol­fen, aber trotz­dem hät­ten ihr so man­ches Mal die Mit­strei­ter ge­fehlt. Durch das En­ga­ge­ment und die Zu­sam­men­ar­beit im Ver­ein open­cam­pus. sh hat sie eine Ge­mein­schaft ge­fun­den, die ähn­li­che Ziele hat wie sie. Caro meint: „Die Ge­sell­schaft po­si­tiv zu be­ein­flus­sen, das ist un­se­re ge­mein­sa­me Auf­ga­be, und mit meh­re­ren geht das bes­ser als al­lei­ne.“

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