Gina Eberhardt© Lang­hof

„Die per­fek­te Mi­schung zwi­schen Fu­ß­gän­ger*in und Au­to­fah­rer*in“

von Kris­ti­na Lang­hof

Seit kur­zem gilt Kiel als die nach­hal­tigs­te Gro­ß­stadt Deutsch­lands. So ent­schied die Jury des Nach­hal­tig­keits­prei­ses 2021, wel­cher unter an­de­rem in Zu­sam­men­ar­beit mit der Bun­des­re­gie­rung ver­ge­ben wurde. Kiel, Deutsch­lands ein­zi­ge Lan­des­haupt­stadt am Meer, über­zeug­te mit dem Kon­zept für eine nach­hal­ti­ge Stadt­ent­wick­lung, zu dem bei­spiels­wei­se auch der Aus­bau eines fahr­rad­freund­li­chen öf­fent­li­chen Nah­ver­kehrs ge­hört.

Dass Kiel eine fahr­rad­freund­li­che Stadt ist, wurde in den zu­rück­lie­gen­den Jah­ren immer deut­li­cher. Mit 10.000 Fahr­rad­stän­dern, 29 Fahr­rad­stra­ßen und der Ve­lo­rou­te10 bie­ten sich zahl­rei­che Mög­lich­kei­ten für Fahr­rad­fah­ren­de, die Stadt schnell und be­quem zu durch­que­ren. Deut­lich wird die fahr­rad­freund­li­che Ent­wick­lung eben­falls an dem Bike­sha­ring-Sys­tem „Sprot­ten­flot­te“, des­sen Fahr­rä­der sich seit 2019 an meh­re­ren Orten der Stadt ver­teilt be­fin­den, so auch am Fähr­an­le­ger der Fach­hoch­schu­le. Au­ßer­dem nimmt Kiel in die­sem Jahr zum sechs­ten Mal an dem Wett­be­werb „Stadt­ra­deln“ teil und tritt hier­bei gegen Kom­mu­nen aus ganz Deutsch­land an. Ziel ist es, 21 Tage lang so viele Wege im All­tag wie mög­lich auf dem Fahr­rad zu­rück­zu­le­gen. Hier­für wer­den Teams ge­bil­det, mit denen man ge­mein­sam für Kiel ra­delt. Auch die Fach­hoch­schu­le Kiel stellt ein sol­ches Team und heißt un­ter­stüt­zen­de Rad­ler*innen will­kom­men. Denn ob­wohl die Ak­ti­on seit dem 7. Sep­tem­ber läuft, kann man den Teams noch immer bei­tre­ten und bis zum 27. Sep­tem­ber mit­fah­ren. Im ver­gan­ge­nen Jahr haben die Kie­ler*innen eine Ge­samt­stre­cke von 536.900 Ki­lo­me­tern auf dem Fahr­rad zu­rück­ge­legt.

Neben der Teil­nah­me an „Stadt­ra­deln“ setzt die Fach­hoch­schu­le Kiel ein wei­te­res Zei­chen in punc­to Fahr­rad­freund­lich­keit mit ihrem Kon­zept des „Ve­lo­Cam­pus“. Bis zum Spät­som­mer 2022 soll auf dem Cam­pus ei­ni­ges ver­än­dert wer­den, wie unter an­de­rem die Er­rich­tung eines „shared space“ für Fu­ß­gän­ger*innen und Rad­fah­rer*innen und einer Fahr­rad­ser­vice­sta­ti­on für klei­ne­re Re­pa­ra­tu­ren. Zudem be­sitzt die Fach­hoch­schu­le seit Mitte Sep­tem­ber drei elek­tri­sche Dienst­fahr­rä­der, davon ein Las­ten­fahr­rad, die von nun an für dienst­li­che Zwe­cke aus­ge­lie­hen wer­den kön­nen. Mehr Infos zum „Ve­lo­Cam­pus“ gibt es hier.
Der „Ve­lo­Cam­pus“ soll mehr Stu­die­ren­de ani­mie­ren, mit dem Fahr­rad zur Fach­hoch­schu­le zu fah­ren, aber auch die­je­ni­gen un­ter­stüt­zen, die dies be­reits tun. Gina Eber­hardt ist eine von ihnen. So­fern das Wet­ter es zu­lässt, fährt sie mit dem Rad zur Fach­hoch­schu­le. Gina, die im 7. Se­mes­ter Öf­fent­lich­keits­ar­beit und Un­ter­neh­mens­kom­mu­ni­ka­ti­on stu­diert, legt die sechs Ki­lo­me­ter, die zwi­schen ihrer Woh­nung im Stadt­teil Süd­fried­hof und der FH lie­gen, im Schnitt in 20 Mi­nu­ten zu­rück. Für sie sei der Weg mit dem Fahr­rad zum einen fle­xi­bler und „min­des­tens so schnell wie Bus­fah­ren.“
Auf dem Rad hat Gina sich schon immer wohl­ge­fühlt. In ihrer Hei­mat in Hes­sen hat sie frü­her schon gerne län­ge­re Stre­cken auf dem Fahr­rad zu­rück­ge­legt. Als es für sie vor drei Jah­ren zum Stu­die­ren nach Kiel ging, war des­halb klar, dass das Fahr­rad in der neuen Hei­mat am Meer nicht feh­len darf. Ge­ne­rell emp­fin­det Gina Kiel als fahr­rad­freund­li­che Stadt, je­doch sieht sie noch gro­ßes Ver­bes­se­rungs­po­ten­zi­al bei den Fahr­rad­we­gen auf dem Ost­ufer, so auch bei ihrem Weg zur Fach­hoch­schu­le. Trotz des aus­bau­fä­hi­gen Rad­wegs auf der Schön­ber­ger Stra­ße, auf der sie zur FH fährt, sieht sie be­reits eine Ver­än­de­rung der Si­tua­ti­on ver­gli­chen mit der Zeit zu ihrem Stu­di­en­be­ginn: „Ich finde, dass Kiel sich dies­be­züg­lich ex­trem wei­ter­ent­wi­ckelt hat, und man merkt, dass Kiel Wert dar­auf­legt, noch fahr­rad­freund­li­cher zu wer­den.“ Dies werde vor allem an neuen und grö­ße­ren Rad­we­gen und mehr Fahr­rad­stell­plät­zen in der Stadt deut­lich, so Gina. Die Pläne für den „Ve­lo­Cam­pus“ fin­det die 21-Jäh­ri­ge gut und kann sich vor­stel­len, dass so in Zu­kunft noch mehr Stu­die­ren­de das Fahr­rad als be­vor­zug­tes Fort­be­we­gungs­mit­tel wäh­len, um an die FH zu kom­men. Vor allem die ge­plan­te Ser­vice­sta­ti­on emp­fin­det sie als große Be­rei­che­rung für den Cam­pus.

Ein Ac­ces­soire, das Gina beim Fahr­rad­fah­ren in­zwi­schen immer dabei hat, ist ihr Helm. Seit sie im ver­gan­ge­nen Jahr zwei Mo­na­te für ein Prak­ti­kum in Frank­furt ge­lebt hat, trägt sie die­sen aus­nahms­los bei jeder Fahrt und legt dies auch jeder und jedem ans Herz: „Das emp­feh­le ich jedem. Das ist das Beste, was man prä­ven­tiv ma­chen kann.“
Neben dem Weg zur Fach­hoch­schu­le gibt es viele an­de­re Stre­cken, die die Stu­den­tin gerne auf dem Fahr­rad zu­rück­legt. Die­sen Som­mer hat sie sich einen klei­nen Traum er­füllt und ist die 330 Ki­lo­me­ter von Ham­burg in ihre Hei­mat in drei Ta­ges­etap­pen auf dem Rad ge­fah­ren. „Das war schon ein High­light und eine Mög­lich­keit, mein neues Zu­hau­se mit mei­nem alten zu ver­bin­den“. Wenn Gina je­doch ge­ra­de ein­mal nicht durch halb Deutsch­land ra­delt und in Kiel ist, fährt sie gerne abends an den Fal­ken­stei­ner Strand: „Dann kann man noch ein­mal durch­at­men, spa­zie­ren gehen oder mit Freun­den pick­ni­cken. Das ist auf jeden Fall ein schö­nes Ziel.“
Für die Zu­kunft wünscht Gina sich mehr Fahr­rad­au­to­bah­nen, vor allem auf dem Ost­ufer. „Der Vor­teil als Rad­fah­rer*in ist ja auch, dass man die per­fek­te Mi­schung zwi­schen Fu­ß­gän­ger*in und Au­to­fah­rer*in ist“, fin­det die Stu­den­tin. So könne man sich den best­mög­li­chen Weg aus­su­chen und auf der Ve­lo­rou­te zudem ohne Am­peln be­quem ans Ziel kom­men.

Wer sich wie Gina auch in sei­ner Frei­zeit gerne aufs Fahr­rad schwingt, dem wird es in Kiel nicht an ge­eig­ne­ten Fahr­rad­tou­ren man­geln. Auf der In­ter­net­sei­te der Stadt Kiel gibt es eine Liste ver­schie­dens­ter Rou­ten in und um Kiel. Für Stadt­in­ter­es­sier­te oder Neu­zu­ge­zo­ge­ne eig­net sich eine der Neu­bür­ger*innen-Tou­ren. Die 19 Ki­lo­me­ter lange West­tour bei­spiels­wei­se führt vom Asmus-Bre­mer-Platz über den neuen bo­ta­ni­schen Gar­ten bis wie­der zu­rück zum Klei­nen Kiel und bie­tet so eine gute Mög­lich­keit, den Stadt­kern ken­nen­zu­ler­nen. Wer mit Kin­dern un­ter­wegs ist, fin­det viel­leicht die Kie­ler Ost­ufer-Spiel­platz­tour in­ter­es­sant. Diese Tour ist je nach Route zwi­schen zehn und 14,5 Ki­lo­me­tern lang und führt an über 14 Spiel- und Sport­stät­ten vor­bei. Wem das noch nicht aus­reicht, der kann sich auf den Ost­see­küs­ten-Rad­weg be­ge­ben, von dem ein Teil durch Kiel führt. Die ins­ge­samt 430 Ki­lo­me­ter die­ser Fahr­rad­tour füh­ren kom­plett am Meer ent­lang und laden ein, die Ost­küs­te Schles­wig-Hol­steins aus einer neuen Per­spek­ti­ve zu er­le­ben. Bleibt nur noch zu sagen: Helm auf und gute Fahrt.

© Fach­hoch­schu­le Kiel